1. Mai: Internationaler Kampftag der Ausbeuterklasse

 In Holdger Platta

67. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

nunja, was unsere Hilfsaktion betrifft, die gute Nachricht vorweg: auch in diesem Monat Mai ließ uns die mittlerweile schon vertraute Erfahrung nicht im Stich. (Holdger Platta)

Auch diesesmal stieg das Spendenaufkommen zum Monatsbeginn aufs deutlichste an: 19 SpenderInnen überwiesen in den letzten sieben Tagen Geld an uns – in der Vorwoche waren es 4 gewesen -, und zusammen kam diesesmal ein Spendenbetrag von 797,50 Euro, in den sieben Tagen davor waren es nur 225,- Euro gewesen, die auf unserem Hilfskonto eingingen. Es versteht sich von selbst, daß ich allen sehr herzlich danke. Und: es versteht sich von selbst, daß Ihr damit eine Hilfsbeharrlichkeit an den Tag legt, die eher rar geworden ist in Zeiten einer nahezu alltäglich ansteigenden Katastrophenflut. Ob es um Kriegstote in Syrien geht oder um Hungertote im Sudan, um Bürgerkrieg in Venezuela oder um neuerliches Flüchtlingselend in Frankreich, auf den griechischen Inseln oder vor der libyschen Küste: es will kein Ende nehmen damit, daß sich die globalisierte Welt vor allem als Unglücksproduzent ihrer selbst erweist. Und Mitverursacher dieser Tatsache ist, mindestens dieses, daß führende Politiker weltweit, im engen Bündnis mit multinationalen Konzernen und Bankinstituten, nicht gewillt sind, diesen Zustand zu ändern. Es wird davon noch die Rede sein, auch und gerade im Zusammenhang mit Griechenland!

 

Doch immerhin auch dieses noch vorweg: Tassos Chatzatoglou, unser Außenhelfer aus Graz, hält sich bereits wieder im kaputtgeretteten Griechenland auf. Er wird in der nächsten Woche berichten können, wohin diesesmal unsere Hilfsgelder in der Höhe von 3.000,- Euro vor allem geflossen sind. Und Karl-Heinz Apel, ebenfalls wieder in Griechenland, wird demnächst mitteilen können, was aus seinen Hilfsgesprächen mit den beiden Ärzten aus Neapolis und Molai, mit Giorgos Sakelariadis und Giorgos Kefallidis, geworden ist und mit dem Pfarrer von Kyparissi, der uns schon vielfach bei der Unterstützung der Armen in der Südpeloponnes geholfen hat. Ansonsten aber – und das erfüllt nicht nur uns Mitglieder der Hilfsinitiative für die Menschen in Griechenland mit großem Zorn – setzen die Euro-Staaten ihre Kaputtmacherpolitik gegenüber dem geschundenen Griechenland unvermindert fort. Und das meiste davon ist den Mainstream-Medien in der Bundesrepublik keine Sendeminute oder Druckzeile mehr wert. „Die Troika macht, was sie will“, schrieb mir Tassos dazu, „Tsipras geht bereits gebuckelt herum“. Und das Ganze, so Tassos mit Entsetzen und voller Verbitterung, wird noch „als Erfolg verbucht“. Nun, von diesem „Erfolg“ soll heute ausschließlich noch die Rede sein. Ich spreche von dem, was vor wenigen Tagen – ausgerechnet am 1. Mai – in Brüssel zwischen den Euro-Staaten und der griechischen Regierung vereinbart worden ist, präziser formuliert: zwischen Euklidis Tsakatolos, dem griechischen Finanzminister, und der sogenannten „Troika“, der EU-Kommission (KOM), dem Euro-Rettungsfonds (ESM) und der Europäischen Zentralbank (EZB). Nicht zu vergessen dabei: auch der Internationale Währungsfonds, der IWF, saß mit am Verhandlungstisch – in politisch und rechtlich unklarer Funktion übrigens! Was sollte dort geschehen, in Brüssel, was ist dort geschehen, was ist herausgekommen bei diesem Geschehen?

 

Nun, zur sogenannten Erforderlichkeit dieses Treffens vorweg, sowie zur Ausgangssituation; schon hierbei zeigen sich Absonderlichkeiten, die von kaum einem Journalisten in der Bundesrepublik kritisch analysiert und kommentiert worden sind:

 

Griechenland hat an die sogenannten „Geberländer“ bis Mitte Juli dieses Jahres 7 Milliarden Euro zurückzuüberweisen. Sonst droht – bei Nichtauszahlung der vereinbarten Neukredite an Griechenland – totale Zahlungsunfähigkeit. Beglichen werden sollten diese Altschulden ‚eigentlich’ aus Mitteln, die Griechenland im Juli 2015 in der Gestalt des sogenannten „Dritten Rettungspaketes“ von den Euro-Staaten zur Verfügung gestellt worden sind, beglichen aus jenem „Hilfsfonds“ von 86 Milliarden Euro, der Griechenland damals als Neuschuldenbetrag zur Tilgung der Altschulden zugesagt worden ist. Unter zahlreichen Auflagen nebenbei, über die hier schon mehrfach berichtet worden ist, unter Auflagen, die von Griechenland seither auch einschränkungslos erfüllt bzw. eingehalten worden sind. Doch da geht es schon los mit den Absonderlichkeiten dieses Treffens am 1. Mai, schon hier tauchen Absonderlichkeiten auf, die von den meisten Medien nicht einmal im Ansatz vermerkt worden sind.

 

Erstens: Von diesen 86 Milliarden Euro hat Griechenland bislang lediglich um die 31 Milliarden Euro ‚gesehen’ – will sagen: nur ein gutes Drittel dieses festvereinbarten Neukredits wurde Griechenland bis dato ‚gutgeschrieben’, um Altschulden tilgen zu können. Wieso nicht alles? Wieso nicht mehr? Wieso Marathonverhandlungen in Brüssel von 12 Stunden und mehr, wenn doch eigentlich die Rückzahlung der jetzt zur Debatte stehenden 7 Milliarden Euro sozusagen spielend hätten bezahlt werden können aus den Mitteln dieses Neukredits von 86 Milliarden Euro aus dem Jahre 2015?

 

Zweitens: Wieso Freigabe dieser weiteren Kredittranche aus den 86 Milliarden Euro – by the way: nirgendwo war zu erfahren, welchen Teilbetrag die griechische Regierung nunmehr herausverhandeln konnte! – nur unter der Prämisse, daß Griechenland neuen Austeritätsauflagen zustimmt (ich komme auf diese gleich noch zurück)? Wieso dieses vertragswidrige, dieses neuerliche Kujonieren Griechenlands, obwohl die Wirtschafts- und Finanzsituation in diesem Land seit Beginn all dieser „Hilfsmaßnahmen“ um kein Deut besser geworden ist, sondern sich weiter verschlechtert hat? Trotz oder – vielmehr – wegen dieser sogenannten „Rettungspolitik“? Hierfür nur zwei Zahlen als Beleg: lag das Ausgabenmehr des Staates Griechenland gegenüber dem sogenannten Bruttoinlandsprodukt im Jahre 2010 – zu Beginn der sogenannten „Hilfsaktionen“ – noch bei 120 Prozent (= Staatsschuldenquote), so ist dieses Ausgabenmehr inzwischen angewachsen auf über 180 Prozent. Was soll einem Staat noch alles aufgebürdet werden an Lasten, angesichts einer solchen Entwicklung und Situation? Und welchem Zweck soll dieses Mehr an Lasten dienen? Einer Entschuldungspolitik etwa? Einem konjunkturellen Wiederaufschwung gar? Und dieses angesichts des völligen Scheiterns der bisherigen Politik der Euro-Staaten gegenüber Griechenland?

 

Nun, stellen wir als erstes fest, was der griechische Verhandlungsführer Tsakalotos an diesem 1. Mai, diesem Internationalen Kampftag der Ausbeuterklasse, für sein Land ‚herauszuschlagen’ vermochte:

 

  1. Jawohl, wenn am 22. Mai die europäischen Finanz- und Wirtschaftsminister dem „Kompromiß“ vom 1. Mai zustimmen sollten, wird Rückzahlung der 7 Milliarden Euro Mitte Juli dieses Jahres der griechischen Regierung wohl möglich sein. Eine neue Auszahlungstranche aus dem verbliebenen „Rettungsbetrag“ von 55 Milliarden Euro Neukredit wird Griechenland gewährt.

 

  1. Jawohl, ab September 2018 soll auch in Griechenland wieder der Abschluß von „Branchentarifverträgen“ möglich sein – wenn man so will: ein Stück Rückgabe von Gewerkschaftsrechten, die ansonsten in den meisten europäischen Staaten eh eine Selbstverständlichkeit sind.

 

  1. Jawohl, auch weiterhin bleibt in Griechenland das Verbot von Aussperrungen in Kraft (woraus zu ersehen ist: selbst diese blanke Selbstverständlichkeit stand offenbar zur Disposition!), und auch die Lohnfortzahlung an die Arbeitnehmer während eines Streiks wird nicht abgeschafft.

 

Das ‚alles’ konnte Griechenland während der Verhandlungen am 1. Mai also auch weiterhin sicherstellen. Heißt: Auszahlung eh vereinbarter Kredite, Gewährleistung fundamentaler Arbeitnehmerrechte auch weiterhin. Doch was drückte die Gegenseite im Gegenzug der griechischen Regierung auf? Noch einmal:  als Gegenleistung für einen Kreditvertrag, der längst ausverhandelt und miteinander abgeschlossen worden war?

 

  1. Ab dem 1. Januar 2019 werden die Renten in Griechenland erneut gekürzt, bis zu 18 Prozent, im Schnitt um 9 bis 10 Prozent. Einsparungsziel: 1,8 Milliarden Euro. Das dürfte dann die dreizehnte Rentenkürzung in Griechenland seit Beginn der „Rettungsaktionen“ sein.

 

  1. Ab dem 1. Januar 2020 kommt es zu erneuten Steuererhöhungen. Gleichzeitig wird der Steuerfreibetrag von jetzt 8.636,- Euro pro Jahr abgesenkt auf 5.581,- Euro pro Jahr. Heißt: setzt bereits jetzt die Steuerpflicht ein bei einem Monatseinkommen von 720,- Euro, werden dann bereits Menschen mit 473,- Euro Monatseinkommen zur Kasse gebeten. Einsparungsziel: ebenfalls 1,8 Milliarden Euro.

 

  1. Noch leichter als zuvor soll für die Unternehmer die Kündigung von Arbeitskräften möglich sein. Und nicht zuletzt:

 

  1. Die Privatisierung von Staatsbetrieben wie E-Werken, Eisenbahn und Hafengesellschaften (in Piräus und Thessaloniki) wird fortgesetzt.

 

Dies alles bedeutet: vielen Menschen in Griechenland wird es noch schlechter gehen als bisher; gleichzeitig werden sie früher und im stärkeren Ausmaße als bislang abgabepflichtig. Und der Staat wird – gerade im Bereich der Daseinsvorsorge – einer weiteren Welle der Zwangsenteignungen ausgesetzt. Der Staat verarmt, die Menschen verarmen. Und beides soll dem Aufschwung dienen. Neoliberaler Deregulierungswahn und entmenschlichte Austeritätspolitik wird fortgesetzt. Volkswirtschaftlicher Irrsinn und völlige Zerstörung humaner Lebensverhältnisse in Griechenland gehen Hand in Hand. Und das im Namen eines Europa, das sich gerade bei den nationalen Wahlkämpfen der letzten Zeit mehr und mehr als „Wertegemeinschaft“ in Szene gesetzt hat. Doch: kann man in Frankreich oder Deutschland – diese Länder nur als Beispiel! – einem Europa glauben, das tagtäglich in Griechenland seine Glaubwürdigkeit ohne jede Einschränkung verspielt?

 

Das würde bedeuten, einem Menschen seine Friedlichkeit abzunehmen, lediglich deshalb, weil er die Menschen nur außerhalb der eigenen vier Wände umbringt.

 

Zu meinen Schlußhinweisen:

 

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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