«Der Aufklärungsarbeit über Antisemitismus einen Bärendienst erwiesen»

 In FEATURED, Politik (Ausland)

Die einseitige Doku “Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa.” (Von Kaveh Ahangar) Der im Iran geborene Polit-Rapper Kaveh Ahangar wurde zum Opfer eines speziell von der BILD-Zeitung promoteten Dokumentarfilms, der ihm zusammen mit anderen Rappern Antisemitismus vorwarf. Hier wehrt er sich gegen diese Verleumdung und wirft dem Film noch andere Tatsachenverdrehungen vor. Sein Artikel gibt einen wahrhaft erschreckenden Überblick über die blutige israelisch-palästinensische Geschichte. (Kaveh)

Eine äußerst einseitige und fragwürdige Dokumentation über Antisemitismus: “Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa,” die ARTE nicht ausstrahlen will und die der WDR immer noch prüft, wurde gestern von BILD für 24 Stunden ins Netz gestellt und auch noch ausgiebig promotet. 200.000 Menschen sollen ebenjene Doku laut turi2 schon gesehen haben. Dabei wurde ein Bild von Erko, Qazid und mir benutzt, um für den Film zu werben. Außerdem zeigt die Doku Ausschnitte aus unserem Clip, um uns des Judenhasses zu bezichtigen. BILD betitelt den Abschnitt auf ihrer Seite mit “Antisemitismus unter Rappern”. Das Ganze ist eine auf Dekontextualisierung und Diffamierung aufbauende Verleumdungsaktion. Der Antisemitismusvorwurf der beiden Filmemacher Joachim Schröder und Sophie Hafner sowie BILD ist an einigen Stellen schlichtweg falsch, da manche der in der Doku vorkommenden Personen, wie z.B. Ahmad Shah und ich, sich seit Jahren für eine rassismus- und antisemitismuskritische Bildungs- und Jugendarbeit stark machen.

Aber nun zum Inhalt des Films. Natürlich werden auch in einem Propagandawerk wie diesem, einige richtige Tatsachen und Probleme angesprochen wie die Korruption und Diskriminierung auf Seiten der Fatah und Hamas sowie die Unterdrückung von JüdInnen und PalästinenserInnen durch arabische Staaten. Der Film ist allerdings abgesehen von “handwerklichen Mängeln” (WDR) so dermaßen propagandistisch produziert, dass ich nur einige wenige Aspekte ansprechen kann. Was die Doku zur Propaganda macht ist der zielgerichtete Versuch die Sichtweise des Zuschauers mit selektiv ausgewählten Fakten zu beeinflussen und zu manipulieren, indem Tatsachen unerwähnt oder verdreht werden, um auf demagogische Art und Weise eine konkrete politische Agenda zu verfolgen. Der gröbste Fehler, der den Film wie ein roter Faden durchzieht ist dabei bezeichnenderweise die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus. Das war von vornherein das erklärte Ziel des Produzenten (siehe unten).

Die Doku verbreitet also Lügen und Unwahrheiten und relativiert sogar den Holocaust, indem z.B. die problematischen Aussagen von Mahmud Abbas über das vermeintliche Ende jeglichen Terrors nach der Befreiung Palästinas sowie die Brunnenvergiftung mit Nazipropaganda verglichen werden. Im Allgemeinen sind Pauschalisierungen und Schwarz-Weiß-Malerei das Markenzeichen des Films. Es wird beispielsweise in essentialistischer Manier von einer „christlichen Kultur“ gesprochen, die per se als “die Mutter allen Judenhasses” bezeichnet wird, ohne zwischen unterschiedlichen Strömungen zu unterscheiden. Die Neue Rechte wird als anti-zionistisch dargestellt, ohne die vielen rechten und rechtsradikalen Strömungen von Medienplattformen wie Pi News bis zu bedeutenden Teilen von AfD und Pegida zu erwähnen, die eindeutig pro-zionistisch gesinnt sind, pro-israelische SprecherInnen öffentlich ein Podium gaben sowie die israelische Flagge auf Demonstrationen hissen.

Es wird nicht nur linker und rechter Antizionismus gleichgestellt und dadurch der Antisemitismus von Rechts verharmlost. Der zum Boykott Irans aufrufende Politikwissenschaftler Stephan Grigat darf sogar behaupten, dass das Bedürfnis den Nationalsozialismus zu relativieren bei Linken teilweise noch ausgeprägter sei als bei Rechten. Somit wird auch gleich am Anfang des Films deutlich gemacht wer die Hauptzielscheibe sein soll; die alte bzw. anti-imperialistische Linke Deutschlands und Frankreichs. Es wird sogar suggeriert, dass die Demonstranten von Nuit Debout großenteils antisemitisch wären, um im Geiste Adornos und Horkheimers das Bild gefährlicher Massenproteste zu zeichnen.

Auch der israelische Politiker und ehemalige Chef des Geheimdienstes Lakam, Rafael Eitan, darf zu Wort kommen. Erst erzählt er davon, dass niemand die Araber in Palästina vertrieben hätte um dann einzugestehen, dass es nur wenige gewesen seien und keiner umgebracht worden wäre. Dabei ist unter HistorikerInnen unumstritten, dass 1948 die Vertreibung von über 700.000 PalästinenserInnen und die Zerstörung von Hunderten Dörfern und Städten die Grundlage für die Gründung des Staates Israel darstellt.

Der Historiker Ilan Pappé beschreibt die ethnischen Säuberungen des israelischen Militärs und die Hinrichtung Tausender unschuldiger Zivilisten nach der Staatsgründung Israels (2006, 197). Der israelische Künstler Eyal Sivan hat in Interviews von ehemaligen zionistischen Kämpfern aus den Anfangsjahren der Staatsgründung Israels auf youtube Selbstaussagen festgehalten, in denen ganz klar von Massenvertreibungen, Vergewaltigungen und Bombenattentaten die Rede ist. der rechtsgerichtete israelische Historiker Benny Morris, der 2008 zu einem Präventivschlag gegen den Iran aufrief, spricht von israelischen Massakern an 800-900 Arabern (Interview mit Fathom 2015). All dies bleibt unerwähnt. Das Verschweigen von Fakten ist tatsächlich eines der Hauptmerkmale des Films. Es wird z.B. über die Gründung der Hamas berichtet ohne zu erwähnen, dass Israel von den späten 1960er bis Mitte der 80er Jahre islamistische Kräfte und die Hamas tatkräftig unterstützte, um die PLO zu schwächen und daher für dessen Aufstieg mitverantwortlich ist. Es wird auch betont, dass die Hamas ständig Raketen auf Israel schießt und es wird suggeriert, dass die Hamas eine größere Schuld am Leid der PalästinenserInnen trage als der israelische Staat. Was verschwiegen wird: Dass im Sommer 2014 als Folge der Bombardierungen und willkürlichen Ermordungen von Zivilisten über 2200 PalästinenserInnen getötet wurden, darunter 550 Kinder. Auf israelischer Seite starben 73 Menschen, darunter 6 Zivilisten. In Gaza wurden 12.000 Häuser zerstört und etwa 100.000 Gebäude, darunter Wohnungen, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten usw. schwer beschädigt. Aber aufgrund der israelisch/ägyptischen Blockade konnte nur wenig davon wieder aufgebaut werden und die Infrastruktur und Wirtschaft liegen am Boden.

Natürlich darf auch die Mär des angeblich hohen palästinensischen Lebensstandards nicht fehlen. Dabei wurde 2015, also lange vor dem Erscheinen des Films von zahlreichen Mainstream-Medien darüber berichtet, dass aufgrund der israelischen Blockade erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert die Kindersterblichkeitsrate im Gazastreifen gestiegen und Medikamente sowie medizinische Geräte zunehmend knapp seien. Nach 1948 hat sich die jüdische Bevölkerung in Israel fast verzehnfacht, die arabischen Einwohner hingegen haben sich nur verdreifacht. Laut dem zentralen israelischen Amt für Statistik ist die Zahl der jüdischen Geburten in Israel pro Jahr zwischen 1995 und 2008 um 45% gestiegen, während die Zahl der muslimischen Bevölkerung stagnierte. Die Geburtenrate in Palästina ist seit 2000 sogar gesunken. Die Weltbank sieht den Grund für den Rückgang der palästinensischen Geburtenrate bei der sinkenden Fruchtbarkeitsrate und den steigenden Emigrationszahlen. Die Säuglingssterblichkeit ist in Palästina vier Mal so hoch wie in Israel. Außerdem war laut Weltbank die Arbeitslosenquote in Gaza 2015 die höchste der Welt. Über 40% der Bevölkerung Gazas, etwa 60% der Jugendlichen und mehr als 80% der jungen Frauen haben keine Arbeit. 72% aller Haushalte in Gaza haben mit Nahrungsmittelunsicherheit zu kämpfen. Der Gazastreifen könnte laut UN ab 2020 sogar “unbewohnbar” sein.

Der Film behauptet zudem, dass niemand so viel pro Kopf an Entwicklungshilfe bekomme wie die PalästinenserInnen, ohne aufzuführen, dass etwa 70% der Entwicklungshilfe in israelischen Händen landet, da aufgrund der Blockade die Mehrheit der Produkte von israelischen Unternehmen gekauft werden müssen und somit die Entwicklungshilfe auch die israelische Besatzung und Annexion fördert.

Schließlich wird auch noch fälschlicherweise nahegelegt Israel sei eine liberale Demokratie. Kein Wort fällt darüber, dass zwischen 2006 und 2016 in der Westbank 1113 palästinensische Häuser demoliert wurden, v.a. um den Weg für illegale jüdische Siedlungen frei zu räumen. Durch die israelische Zerstörung palästinensischer Häuser haben 2016 mehr als 800 Menschen ihr Dach über dem Kopf verloren. Seit der al-Aqsa Intifada im Jahre 2000 wurden etwa 2070 palästinensische Kinder vom israelischen Militär ermordet und mehr als 13,000 Kinder wurden verletzt. Über 12,000 Kinder wurden seit 2000 verhaftet und 480 von ihnen sind immer noch in israelischen Gefängnissen. 95% von ihnen sollen bei Verhören und Verhaftungen schwer gefoltert und geschlagen worden sein. In Ost-Jerusalem leben etwa 85% der palästinensischen Kinder und 79% der PalästinenserInnen unter der Armutsgrenze. Die PalästinenserInnen dort werden nicht nur durch den scharfen strukturellen Rassismus, ständiger Schikane an Checkpoints und durch Polizeibrutalität aus der israelischen Gesellschaft ausgeschlossen und unterdrückt, sondern ihnen werden auch die Grundrechte verwehrt.

Z.B. haben zwei Drittel der PalästinenserInnen in Ost-Jerusalem keinen Zugang zu fließendem Wasser, die medizinische Infrastruktur und das Tranportwesen sind desolat, weil es im Verhältnis zu anderen Stadtteilen kaum Investitionen gibt. 2014 wurden 98 palästinensische Häuser in Ost-Jerusalem demoliert und über 200 verloren ihr Zuhause. Seit 1967 haben mehr als 14,300 PalästinenserInnen ihren Aufenthaltsstatus verloren, obwohl sie aus Ost-Jerusalem kommen. PalästinenserInnen, die in dem von Israel besetzten Ost-Jerusalem leben, sind keine israelischen StaatsbürgerInnen, sondern werden von Israel als „ständige Bewohner“ bezeichnet (siehe „Blaue Ausweise“). Die Rechte der PalästinenserInnen und kritischer Israelis werden immer drastischer eingeschränkt und die Meinungsfreiheit immer weiter abgebaut. Facebook-Einträge führten in einer Reihe von Fällen zu Gefängnisstrafen. Z.B. hat das die palästinensische Poetin Dareen Tatour zu spüren bekommen, die aufgrund eines Gedichts und Facebook-Posts für drei Monate ins Gefängnis gesperrt wurde. Das ist alles kein Wunder bei einem Ministerpräsidenten, der ganz Israel mit einem Zaun umgeben will, um sich vor den palästinensischen ”Raubtieren” zu “verteidigen”. Auch andere israelische Minister wie Ajelet Schaked, Moshe Jaalon, Eli Ben-Dahan und Naftali Bennett haben PalästinenserInnen mit Tieren verglichen und deren Tötung entweder gerechtfertigt oder gar befürwortet.

Dennoch bekam die israelische Regierung bereits das sechste versprochenene U-Boot aus Deutschland, welche mit Atomwaffen bestückt werden können und zu einem Drittel mit Steuergeldern finanziert werden. Angesichts der uneingeschränkten Solidarität Deutschlands mit Israel und der ihm überwiegend wohlgesinnten bürgerlichen Medienlandschaft, grenzt es an Verschwörungswahn, dass der deutschen Presse in dem Film pro-palästinensische Berichterstattung vorgeworfen wird.

Die Filmemacher erhielten für die Doku viel Lob von wichtigen Teilen der liberalen und konservativen Eliten. Darunter Israels Botschafter, Politiker von Union und FDP, Akademiker wie Götz Aly und Matthias Küntzel, Schriftsteller wie Leon de Winter und natürlich Henryk M. Broder. Prof. Dr. Michael Wolffsohn schreibt sogar folgende Lobhymne: „Glückwunsch! Das ist die mit Abstand beste und klügste und historisch tiefste, zugleich leider hochaktuelle und wahre Doku zu diesem Thema.“ Und der sogenannte Nahost-Experte und Publizist Ahmad Mansour, der am Anfang Koautor sein sollte, letztendlich aber “nur” als Berater fungierte, schreibt: „Inhaltlich ist der Film großartig und überfällig … Ich finde es merkwürdig, dass ausgerechnet ein renommierter öffentlich-rechtlicher Sender wie ARTE Probleme mit der Realität hat.“ Der Arte-Programmdirektor Diberder entgegnet den Vorwürfen: „Die gelieferte Sendung konzentriert sich (…) hauptsächlich auf den Nahen Osten. Damit entsprach sie nicht dem von der Programmkonferenz formulierten Auftrag, sodass sie nicht akzeptiert werden konnte. Dieser Standpunkt enthält keine Wertung über die Qualität des Films oder über die darin vertretenen Thesen.“ Zudem mangele es an „Ausgewogenheit“.

Dabei hätte ihm und seinen KollegInnen auch vorher schon klar sein müssen, dass es sich bei dem Projekt um einen pro-zionistischen Propagandafilm handeln sollte. Ahmad Mansour ist bekannt für seine islamophoben Thesen und Produzent Schröder macht in einem Interview im Deutschlandfunk (13.6.17) deutlich, dass er von vornherein nicht zwischen Antizionismus und Antisemitismus unterschied: “Wir haben schon (…) in dem Exposé, was abgesegnet wurde, geschrieben, dass wir uns im Wesentlichen auf Antizionismus, auf die moderne Form des Antisemitismus, der sich heute antizionistisch ausdrückt, kaprizieren und dass wir den untersuchen.“ Aber scheinbar war die rechte Propaganda ARTE zu viel und der Programmdirektor konnte die Ausstrahlung nicht verantworten. Das ist ungefähr so wie wenn ein Film zum Verhältnis zwischen TürkInnen und KurdInnen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Auftrag gegeben, aber letztendlich ein Loblied auf Erdogan und die AKP eingereicht werden würde. Damit wurden insgesamt 165.000 Euro Steuer- und Gebührengelder für einen Propagandafilm ausgegeben, der unter anderem dafür missbraucht wird Rufmord gegenüber AktivistInnen, die der israelischen Regierung kritisch gegenüberstehen, zu begehen. Nicht zuletzt aus diesem Grund handelt es sich hier um eine gerechtfertigte Handlung und Positionierung seitens der öffentlich-rechtlichen Sender ARTE und WDR. Zweifellos, stünde eine Zensur dieser Doku jeglichen Grundlagen der Meinungs-und Pressefreiheit entgegen. Daher spreche ich mich gleichzeitig für die Abrufbarkeit dieses Werks im Internet aus.

Es ist kaum verwunderlich, dass ausgerechnet BILD in die Bresche gesprungen ist und den Film bereitwillig auf Bild.de präsentierte und sich dafür auch noch selbst applaudiert. Denn Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, sagt über sich selbst er sei ein “nichtjüdischer Zionist” und befürwortet sogar bedingungslose Waffenverkäufe an Israel. Dies wirkt sich natürlich auch auf die einseitige pro-israelische Berichterstattung von BILD aus. Der Chefredakteur dieses rechtskonservativen Schmierblatts Julian Reichelt schreibt konsequenterweise: “Der Verdacht liegt bitter nah, dass diese Dokumentation nicht gezeigt wird, weil sie politisch nicht genehm ist, weil sie ein antisemitisches Weltbild in weiten Teilen der Gesellschaft belegt, das erschütternd ist”. Dabei kommt ihm nicht in den Sinn, dass es nicht um die tatsächlich richtige Feststellung geht, dass weite Teile der deutschen Gesellschaft antisemitisch sind, sondern darum, dass der Film die Ursachen des von ihm behandelten Antisemitismus oftmals verdreht und an vielen Stellen bewusst auf Falschdarstellungen zurückgreift um seine Argumentation zu stützen.

Abschließend kann man also feststellen, dass der Film keinen Beitrag dazu leistet Antisemitismus kritisch zu thematisieren und Aufklärungsarbeit zu leisten. Ganz im Gegenteil: durch die einseitige Aufarbeitung und scheinbar bewusst gewählten Falschaussagen werden Gräueltaten gegenüber den PalästinenserInnen gerechtfertigt und das israelische Regime verteidigt, welches aufgrund der rechtsradikalen Politik der derzeitigen Regierung den Antisemitismus auf der ganzen Welt weiter anheizt. Es ist traurig, dass ein so wichtiges Thema wie Antisemitismus durch äußerst mangelhafte wissenschaftliche und journalistische Sorgfalt in ein schlechtes Licht gerät. Und es ist ein Skandal, dass ein Film über Antisemitismus so dermaßen undifferenziert daherkommt und sogar gezielt Fakten verdreht, um Menschen in den Dreck zu ziehen, die den Antisemitismus nicht nur theoretisch, sondern auch aktiv und praktisch bekämpfen.
Quelle: https://www.facebook.com/kavehtracks/

(Anmerkung der Redaktion: Der Begriff “Zionismus” bzw. “Antizionismus” wird in so verschiedener Weise gebraucht, dass er zu Missverständnissen führen kann. Das Recht von Juden, sich im historischen “Heiligen Land” anzusiedeln und einen Staat zu gründen, wird jedenfalls in diesem Magazin nicht in Frage gestellt. Wohl aber bedarf die Art und Weise, wie diese Staatsgründung zustande kam und wie sich der Staat Israel heute speziell im Konflikt mit den Palästinensern verhält, der kritischen Aufarbeitung. Das hat der Autor Kaveh hier getan.

Holdger Platta nimmt in seinem Artikel “Israelkritik gleich Antisemitismus?” den ursprünglichen Zionimus davor in Schutz, mit der Brutalität der derzeitigen rechten Regierung Israels identifiziert zu werden. Holdge Platta: “Aber der Zionismus wollte niemals eine solche Politik, und er benötigt sie auch heute nicht. Der originale Zionismus hat niemals in seiner Geschichte einen solchen Freibrief für Menschenrechtsverletzungen jedweder Art ausgestellt, und auch der heutige Zionismus ist nicht angewiesen auf einen solchen Freibrief. Der originale Zionismus bezog sich vor allem auf das Buch Jesaja im Alten Testament (Kapitel 2, Verse 3ff.), in dem Doppeltes verhießen wurde: Heimstatt für die Juden in Palästina und Frieden zwischen den Völkern dort; die berühmte Wendung ‘Schwerter zu Pflugscharen’ findet sich hier. Der Rabbiner Jehuda Alkalay (1798 – 1878) verband in seiner Schrift ‘Höre Israel’ (1843) bereits vor Theodor Herzl seine zionistische Sehnsucht mit Ideen einer modernen demokratischen Politik. Und Herzl selbst, der eigentliche Begründer des Zionismus, wollte stets nur jüdische Ansiedlungen in Kongruenz mit dem Völkerrecht und träumte Zeit seines Lebens davon, dass auch die Araber einen neuen friedlich Staat Israel begrüßen würden, so unter anderem in seinem Roman ‘Altneuland’ (1902).”

Kritik an der aggressiven und expansiven Politik nicht nur der aktuellen israelischen Regierung wäre insofern nicht im ursprünglichen Sinn “Antizionismus”. Eine solche kritische Haltung mit Antisemitismus in einen Topf zu werfen, stellt heute leider eine beliebte Verteidigungs- und Selbstrechtfertigungsstrategie der Täter dar.

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