Am Literaturkamin (8)

 In Holdger Platta, Poesie

Bärtiges vom Zauberberg

Holdger Platta, in memoriam T. M.

(Anmerkung der Redaktion: Alle LeserInnen dürfen mitraten, welche AutorInnen, die Holdger Platta zu seinem Gedicht inspiriert haben, sich hinter diesen Initialen verbergen. Die Auflösung wird am kommenden Montag verraten)

Kann ein Schnurrbart gutmütig aussehen? Nun, der Schnurrbart des Herrn Wegefels tat dieses gewiß! Er war blond, dieser Schnurrbart, nicht ohne betontes, gleichwohl patrizisch-gedämmtes Deutschsein, er senkte sich auf der Oberlippe mit einer gewissen Beugsamkeit in Richtung der beiden Mundwinkel herab, um dann, dieser gutmütige Schnurrbart, links und rechts von ihnen, mit den allerletzten Haarspitzen fröhlich gen Himmel zu streben. Er war auch, der Schnurrbart, von einer gewissen leicht nachlässigen Gemütlichkeit, da er nicht ganz sorgfältig geschnitten erschien und hie und da, fast wie im Übermut, zausige Fransen zeigte, Unordentlichkeiten, die an einen Hausmantel denken ließen mit seiner vertrauten Abgeschabtheit, an Kaminfeuer und Pfeifengeruch. Und schließlich, dieses die unwichtigste Feststellung nicht, der Schnurrbart schien, zu beiden Enden hin, zwei Federbetten zu bilden, zwei behagliche Nester, zwei freundliche Lagerstätten für zwei freundliche Kugeln, die über der haarigen Basis mit der Turnkunst beschäftigt erschienen, mit Equilibristik und einem gemütvollen Akrobatentum. Natürlich ist an dieser Stelle meiner Betrachtung ganz ohne Zweifel und nunmehr von den Wangen des Herrn Wegefels die Rede, von zwei runden rosigen Hügeln links und rechts einer wirtshauserfahrenen Nase – einer Nase eher kurz denn lang, eher von einer gewissen Bauernbreite denn spitzfindig schmal nach Art eines Denkers, eines Humanisten oder dünnblütigen Anhängers der seit Jahresfrist existierenden Republik. Kurzum: Herr Wegefels besaß den Schnurrbart und die gewölbte Wangenlandschaft eines Weihnachtsmannes a. D., eines Weihnachtsmannes, der keine Parteien mehr kennt, aber ganz bestimmt gewürfelte Hosen ablehnt sowie den flink formulierenden Menschenfreund, der solch vollkommen undeutsche Beinkleider durch die alpenländischen Gefilde trägt, im Sommer und Winter, im Frühling und im Herbst. Kann ein Schnurrbart gutmütig aussehen? – Oh ja, trotz aller Fragwürdigkeiten, er kann!

(Auflösung des “Rätsels” aus dem Gedicht vom vorigen Montag: Mark Twain)

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