Ausflüge in die Poesie (33)

 In Holdger Platta, Poesie

Nachtkonzert (Holdger Platta)

In dieser Nacht das Dunkel über dem Dorf
schneller als jemals zuvor.
Die Katze auf ihren Streifzügen
hinterläßt blitzende Augen neben dem Brunnen,
der Hund jagt seinem Zwingertraum nach
von Ecke zu Ecke, und die Tauben verbreiten
gefiederte Geschichten unter dem Dach.

Der Alte geht, ein Schießverein, durch das Dorf.
Er geht durchs Dorf und schleppt sich
an seinem unsichtbaren
schweren Schatten entlang.
An der Linde bleibt er stehen,
mit blitzendem Oberhemd,
pißt in den Bach,
der trägt die Sterne durchs Dorf,
an Wurmfarn und Hühnerscheiße vorbei, aah,
tut das gut, und das Tuscheln der Weiber
hinter dem Stall ist kaum noch zu hören.

Dann aber wieder
der Schrei durch die Dorfstille,
hellgelb, rot dann, lila zuletzt. Das Blut
auf der Treppe, Koppelschloß, Stimme, Notizbuch,
der Staat als klirrende Mehrheit. Blasse
Gesichter im Beifall, irgendwo Beethoven,
irgendein Spinner, Radio mit Furtwängler
in dieser Nacht. Und dann endlich
unsäglich freundlicher Regen.
Regen, der über das Dorf herab,
Regen herab durch die Luft auf den Leichnam,
Regen, der sich rot
mit dem Schaum eines gewesenen Menschen….
Der Alte geht nachts durch das Dorf,
das Rollen der Nacht über sich,
schleppt sich schwer
am eigenen unsichtbaren Schatten entlang,
lallt, lutscht, geifert und schiebt die Zähne
im Mund hin und her, als wären es Lügen,

onaniert am Holunderbusch,
sagt „Ah“ und sagt „Oh“,
und jedes Gedächtnis ist wie im Schießsportverein
weiß, und als Oberhemd kehrt der Alte in dieser
Nacht zu seiner Alten, dem Bügeleisen, zurück,
eine Katze wie eine Nachricht im Schlepptau,
und die Worte schneller als jemals zuvor.

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