Ausnahmepolitiker beim Raketenpoker

 In FEATURED, Politik

Jede atomare Waffe ist eine furchtbare Bedrohung. Allerdings steht es nicht gerade den USA zu, hier den Weltenrichter zu markieren. Schon vergessen: die Heimat des greatmauligen Präsidenten hat es als einzige in der Geschichte nicht bei Drohungen belassen und Hiroshima und Nagasaki in Schutt und Asche gebombt. So abstoßend sich Kin Jong Un auch gebärdet – wieder zeigt sich, wie schon im Fall von Russland, das Scheitern und die Gefährlichkeit US-amerikanischer Dicke-Hose-Politik. Autor Egon W. Kreutzer fühlt sich durch die aktuellen Vorgänge an die Kuba-Krise 1962 erinnert. Und er hofft, dass es noch mal glimpflich ausgeht. (Egon W. Kreutzer, http://www.egon-w-kreutzer.de)

Kim Jong Un und Donald Trump als Ausnahmepolitiker zu bezeichnen ist schon alleine dadurch gerechtfertigt, dass sie von weiten Teilen der westlichen Qualitätsmedien gleichermaßen als “verrückt” hingestellt werden.

Staatsmänner, die ihre Ziele und Absichten klar benennen, die ihre Staaten groß machen wollen, die sich nicht von anderen ins Bockshorn jagen lassen, die sich von Feinden umzingelt sehen und sich mit allen Mitteln gegen die Opposition, auch in den eigenen Reihen zur Wehr setzen, Männer, die offenbar überzeugt sind “von Gottes Gnaden” eingesetzt zu sein und als Werkzeug eines höheren Willens nichts falsch machen zu können, allenfalls fürchten, bei der Ausführung ihres Auftrags behindert zu werden, hat die Welt seit Nikita Chruschtschow und John F. Kennedy nicht mehr auf offener Weltbühne miteinander ringen gesehen.

Die Situation gleicht der aus dem Herbst 1962, nur wird sie von der Öffentlichkeit weit weniger ernst genommen.

Nachdem Fidel Castro 1959 die Macht übernommen hatte und Kuba damit dem amerikanischen Einfluss entglitten war, unterstützten die USA jede Form von Opposition und die CIA versuchte mit allen Mitteln Fidel Castro zu liquidieren. Castro wandte sich hilfesuchend an Chruschtschow, was von den USA mit einem immer enger geschnürten Wirtschaftsembargo quittiert wurde. Im April 1961 starteten die USA den Invasionsversuch in der Schweinebucht, der zu einem katastrophalen Fehlschlag geriet. Danach wurde die Operation Moongoose ins Leben gerufen, mit der Kuba erneut mit Hilfe von Exil-Kubanern unter der Anleitung von über 400 CIA-Agenten “zurückerobert” werden sollte.

Castros Dienste entdeckten die Vorbereitungen in Miami. Die um Unterstützung gebetene Sowjet-Union reagierte mit der Stationierung von atomar bestückten Mittelstreckenraketen auf Kuba.

Dies entspricht von der erreichten Eskalationsstufe her der heutigen Situation. Korea, 1910 von den Japanern annektiert, nach dem zweiten Weltkrieg in eine amerikanische und eine sowjetische Besatzungszonen aufgeteilt, entwickelte sich zu zwei selbstständigen Staaten. Nordkoreas Bestrebungen zur Wiedervereinigung wurden von den Südkoreanern nicht geteilt. Als Nordkorea daher versuchte, den Anschluss Südkoreas mit Hilfe Chinas auf militärischem Wege zu erzwingen, griffen die USA im Verbund mit UN-Truppen ein. Nach einem lange währenden Gemetzel stabilisierte sich die Front auf Höhe des 38. Breitengrades.

Seitdem wird Nordkorea von den USA “bestraft”. Zum Teil auch dadurch, dass man die UN Sanktionen verhängen lässt, um Nordkorea die Entwicklung eigener Atomwaffen und Trägersysteme zu verwehren.

Dass die Isolation und Sanktionierung Nordkoreas nicht zur Stabilisierung der Weltlage beigetragen hat und das Entstehen der aktuellen Krise nicht verhindern konnte, ist nun offenbar und sollte den Strategen dieser Form der Diplomatie durch Unterdrückung zu denken geben. Zumal das gleiche Spiel auf der Weltbühne derzeit auch gegenüber dem Iran und Russland gerade wieder neu inszeniert wird.

Nun ist es Kim Jong Un gelungen, Nordkorea zur Atommacht zu machen. Dies ist, bedenkt man die Umstände, unter denen das gelungen ist, eine nahezu unglaubliche und bewundernswerte Leistung, zu der ein tatsächlich “Verrückter” wohl nicht in der Lage gewesen wäre. Mit dem Eintritt in den Club der Atommächte ist der Status Nordkoreas als souveräner Staat um einiges sicherer geworden. Das Prinzip der gegenseitigen Abschreckung, das den ganzen langen Kalten Krieg dominierte und ihn auch kalt bleiben ließ, gilt schließlich noch immer.

Die U2-Aufklärungsfotos von den in Bau befindlichen Raketenanlagen auf Kuba müssen damals ungefähr die gleiche Wirkung auf die USA gehabt haben, wie die jüngsten Raketentests Nordkoreas, mit denen die letzten Zweifel daran beseitigt wurden, dass Nordkorea in der Lage ist, US-Territorium mit Atomwaffen zu erreichen. In einem Nervenkrieg sondersgleichen schien die Situation damals immer weiter zu eskalieren, bis schließlich auf dem Verhandlungswege der Abzug der Atomraketen von Kuba gegen den Abzug der US-Jupiter-Raketen aus der Türkei, verbunden mit einer Nichtangriffszusage der USA in Bezug auf Kuba, vereinbart werden konnte.

Die jetzige verbale Eskalation zwischen Trump und Kim sieht der heißen Phase der Kuba-Krise nicht unähnlich. Trump droht dem Nordkoreaner mit einem Angriff mit “Feuer und Wut”, sollten er seinen “Kurs” fortsetzen, Kim lässt verlauten, sein Militär warte nur auf seinen Befehl, die US-Luftwaffenbasis Anderson auf der Insel Guam in Schutt und Asche zu legen, würden die von dort ausgehenden Provokationen nicht eingestellt.

Beide pokern verdammt hoch. So hoch, dass sogar China und Russland der letzten Resolution des Weltsicherheitsrats gegen Nordkorea (Verschärfung der Sanktionen) zugestimmt haben, aber auch so hoch, dass sich sowohl bei den Demokraten (Charles Schumer) als auch bei den Republikanern (McCain) in den USA gewichtige Stimmen laut erheben, welche die Kriegsrhetorik des Präsidenten scharf kritisieren.

Man muss in Erwägung ziehen, für wen es worum geht. Kim Jong Un rechnet mit weiteren, qualvollen Schikanen und im Ernstfall mit dem Untergang seines Staates, die USA fürchten geringfügige Abstriche an ihrer Dominanz in der Welt und, dass im Ernstfall erstmals in ihrer Geschichte tatsächlich schwere Verwüstungen im eigenen Land durch den Einsatz gegnerischer Waffen angerichtet werden.

Die Lösung wird wohl wieder eine diplomatische sein. Ich könnte mir vorstellen, dass Russland und China Nordkorea dazu bewegen, die eigenen Atomwaffen zu vernichten (nach dem Vorbild syrischer Chemiewaffen), wenn die USA im Gegenzug im Sicherheitsrat der Aufhebung der Sanktionen zustimmen und akzeptieren, dass Nordkorea im Falle eines Angriffs von Russland und China militärisch unterstützt werden wird. Das wäre zugleich die Gründung einer neuen russich-asiatischen Verteidigungsallianz, mit der auch offiziell ein seit dem Zerfall der UdSSR fehlendes, militärisches Gegenstück zur NATO entstünde.

 

 

 

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