Das Grinsen eines Monsters in einem Horrorfilm

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

94. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ “Das Gefühl, die menschliche Würde nicht zu verlieren, während in Mülltonnen nach Essbarem gesucht werden muss, ist wahrscheinlich das Schwierigste.” So schreibt unser “Außenhelfer” Tassos Chatzatoglou über ein Schicksal, von dem – mit Abstufungen – mittlerweile 25 Prozent der GriechInnen betroffen sind: existenzbedrohende Armut. Da verwundert es nicht, dass sich die Erfüllungsgehilfen einer derart rigiden und menschlichkeitsbereinigten Politik – die Ex-Idealisten von “Syriza” – derzeit in Wählergunst im freien Fall befinden. Tragisch nur: auf das Versagen dieser Kopien eines radikalen Neoliberalismus reagieren viele GriechInnen mit dem Ruf nach dem Original: der konservativen “Nea Demokratia”, die derzeit in Umfragen führt. Selbst eine Machtergreifung der faschistischen “Morgenröte”-Partei scheint nicht mehr undenkbar – nicht erfreulich, aber nachvollziehbar in einem Land, in dem viele das Gefühl haben, sie hätten nichts mehr zu verlieren… (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

natürlich: das enorme “Zwischenhoch” der Vorwoche beim Spendeneingang konnten wir nicht erneut während der letzten sieben Tage registrieren. 26 UnterstützerInnen hatten da 1.345,50 Euro an uns HelferInnen überwiesen. Doch auch das Ergebnis der letzten Woche lässt hoffen, dass wir aus einer gewissen Krisenzeit während des Hochsommers herausgekommen sind. Immerhin 505,- Euro an Hilfsgeldern gingen während der letzten Tage auf unserem Konto ein, überwiesen von 7 SpenderInnen an uns. Was übrigens auch ein weiteres Mal das große Vertrauen belegt, das Ihr unserer Spendenaktion entgegenbringt, denn immerhin entspricht das einem Durchschnittsbetrag von rund 72,- Euro pro Spender und Spenderin. Wobei – bitte, bitte! – an dieser Stelle kein Missverständnis entstehen soll: Nicht erst ab einem bestimmten Großbetrag beginnt Eure Hilfe für uns beachtlich zu sein, nicht erst ab einer bestimmten Größenordnung bei der Spendensumme kommt gar Dankbarkeit oder Wertschätzung für die finanziellen HelferInnen bei uns auf! Sehr genau wissen wir, dass große Opfer sich oft auch hinter sehr kleinen Zahlen verbergen, dass sogar – wieder und wieder – Hartz-IV-Betroffene unter unseren SpenderInnen sind.

Unser Dank gilt allen unter Euch Unterstützern und Unterstützerinnen, und er gilt selbstverständlich auch jenen, die sich auf andere Weise für unsere Spendenaktion engagieren: durch Weiterleitung unserer Hilfsaufrufe per Mail zum Beispiel oder – mehr noch – durch Verteilen von Flyern zu unserem Projekt, nicht selten auf eigene Kosten sogar! So mancher Besucher eines Wecker-Konzertes wird dies inzwischen mitbekommen haben. Also, von ganzem Herzen wieder einmal Dank, Dank, Dank an alle, die beitragen zu dieser Aktion „Empört Euch! Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Und wie erforderlich dies alles ist, mit welcher Dankbarkeit – nicht zuletzt in Griechenland selbst! – unser Engagement von den Betroffenen aufgenommen wird, das wird ein weiteres Mal eindrucksvoll deutlich an den Mitteilungen unseres Team-Mitglieds Tassos Chatzatoglou, der in einer Mail an uns alle schrieb (krankheitsbedingt etwas später als sonst):

„Die Aktion mit den Schulranzen auf Andros war ein voller Erfolg. Die Reaktion der Bürger von Korydallos auf die in einem früheren Bericht erwähnte Initiative der griechischen Buchhändler sowie die finanzielle Unterstützung verschiedener Institutionen, darunter auch der IHW, machten dies möglich. Wie schon so oft, konnten wir damit auch diesmal wieder Kindern, die zu Opfern der Krise geworden sind, ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Die staatlichen Rundfunksender rufen täglich zu Spenden für die verarmte griechische Bevölkerung auf. Somit kann niemand in Griechenland – und da spreche ich nun die (noch) reiche Oberschicht an – die Krise negieren. Für 25 Prozent der Griechen ist der Dauerkampf ums nackte Überleben bereits Gewohnheit geworden. Ich übertreibe nicht mit meiner Aussage. Das Gefühl, die menschliche Würde nicht zu verlieren, während in Mülltonnen nach Essbarem gesucht werden muss, ist wahrscheinlich das Schwierigste. Viele Mitmenschen helfen, manche aus politisch-ideologischen Gründen, manche aus reiner Nächstenliebe. Häufig bekommt man zu hören, dass man morgen vielleicht der Nächste sein könnte.

Frau Alexaki, die Sozialarbeiterin auf der Insel Andros, konnte, dank unserer Hilfe, die beiden AirCASTs anschaffen und berichtete mir auch, dass einige ältere Inselbewohner mit Lebensmitteln, die wir mit Hilfe unserer Spenderinnen und Spender mitfinanzieren konnten, versorgt wurden. Der Verein Apikion hatte dazu zusätzlich einen finanziellen Spendenschub aus der griechischen Bevölkerung erhalten.

Der Familie in Megara geht es gut. Durch die berufliche Tätigkeit zweier Töchter ist auch in diesem Fall ein wenig Entspannung eingetreten.

Für Alexanders Wohnung in Athen gab es eine Interessentin aus Deutschland. Leider ist ihr die Wohnung jedoch zu groß. Somit muss Alexander weiter nach einer Lösung suchen, seine große Wohnung gegen eine kleinere zu tauschen, um auch für den Staat als mittellos zu gelten und endlich an seine Pension zu kommen.

Von Stamatia haben wir nichts Neues gehört. Sie scheint dank unseres Engagements nun endlich durch die Sozialfürsorge ausreichend versorgt zu sein.

Der Winter steht vor der Tür, und bis Weihnachten dauert es nicht mehr lange. Vielleicht können wir auch diesesmal helfen, Kindern und ihren verzweifelten Familien eine Art Normalität in ihre aussichtslose Lage zu bringen:

Der kleine Dionysis, Spiros, die Familie in Megara sowie die zahlreichen älteren Menschen auf Andros bedürfen nach wie vor unserer Hilfe. Es würde mich persönlich sehr freuen, wenn ein Betrag gesammelt werden könnte, der es uns ermöglicht, diesen noch anstehenden Fällen sowie der Schule für Autisten in Athen, die um Heizöl gebeten hat, helfen zu können.“

Zur Beruhigung von Euch, zur Beruhigung nicht zuletzt unseres “Außenteamers” Tassos Chatzatoglou: bei einer Gesamtsumme von über 6.000,- Euro an Spendengeldern wird uns auch in den abschließend von Tassos angesprochenen Hilfsfällen Rundum-Unterstützung möglich sein! Und da Tassos auch einiges zur Stimmungslage in Griechenland mitgeteilt hat, sozusagen „von ganz unten her“, möchte ich Euch zum Abschluss auch die folgenden Auskünfte nicht vorenthalten:

Einer Umfrage der Universität Makedonien zufolge rangiert auch weiterhin die konservative Nea Demokratia (ND) weit vor der SYRIZA: derzeit würde die griechische Schwesterpartei der CDU/CSU wohl 31 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen in Griechenland bekommen, die SYRIZA hingegen nur 18 Prozent. ND-Chef Kyriakos Mitsotakis liegt mit 37 Prozent weit vor dem amtierenden Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit nur 22 Prozent (37 Prozent aller Befragten lehnen freilich beide Politiker eindeutig ab!). Und beunruhigend, in jedweder Hinsicht, sind auch die folgenden Umfrageergebnisse noch: Die faschistische „Chryssi Avgi“, die sogenannte „goldene Morgenröte“, liegt mittlerweile auf dem dritten Platz bei der Wählergunst – mit 7 Prozent –, und der Koalitionspartner der SYRIZA, die rechtspopulistische ANEL, würde es nicht einmal mehr schaffen ins neue griechische Parlament, sie bliebe unterhalb der dafür erforderlichen 3 Prozent. So oder so mithin: In mittelfristig-parteipolitischer Perspektive stehen Griechenland noch schwierigere Zeiten ins Haus!

Beunruhigend sind aber auch die folgenden Fakten noch:

Inzwischen stecken etwa 4,26 Millionen GriechInnen auch als Steuerzahler in der Schuldenfalle, heißt: nahezu jeder zweite Steuerzahler in Griechenland ist außerstande, seiner „Abgabenpflicht“ nachzukommen. 1,72 Millionen von ihnen sind bedroht von Zwangsvollstreckungen bei ihren Konten, Gehältern oder Renten (gegenüber 990.000 „Steuerschuldnern“ wurden solche Maßnahmen bereits eingeleitet!). Besonders dramatisch dabei: allein im vergangenen Monat nahm die Anzahl der „insolventen“ Steuerpflichtigen um rund 410.000 Betroffene zu! Da tröstet auch wenig, dass im laufenden Haushaltsjahr 2017 der sogenannte „Primärüberschuss“ (= Einnahmenplus des Staates gegenüber seinem Ausgabenetat – ohne(!) Anrechnung des Schuldendienstes) wohl bei 2,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) landen wird, entgegen der Prognose 1,75 Prozent, und die staatlichen Planer für 2018 sogar einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent prophezeien. Dieser Trost gilt um so weniger, als das BIP selber während der letzten beiden Jahre permanent Einbußen hinzunehmen hatte: im Jahr 2015 um 0,3 Prozent, im Jahr 2016 um 0,2 Prozent. Wirtschaftsaufschwung sieht anders aus – und Beseitigung der Not für die Menschen in Griechenland eh!

Was, nicht zuletzt, auch die folgende Meldung aus der „Griechenland Zeitung“ (GZ) belegt: 2,4 Milliarden Euro an Stromrechnungen konnten bislang von den GriechInnen nicht beglichen werden, abzuführen an den staatlichen Elektrizitätskonzern DIE. Und die Antwort der Regierung darauf? Nicht etwa Stundung dieser „Schuldbeträge“, sondern – wir berichteten bereits vielfach darüber – Stromsperren und nunmehr auch noch Strafzinsen in der Höhe von 7,5 Prozent für bislang nicht bezahlte Rechnungen für den elektrischen Strom. Ganz nach der Devise: wer bereits am Boden liegt, den kann man gerne auch noch tiefer hineintreten ins geduldige Erdreich! Sieht so Rettung aus, Hilfe, soziale – oder gar: sozialistische – Politik?

Tut mir leid, aber mich verwundern angesichts solcher Fakten die miserablen Umfrageergebnisse für Tsipras und SYRIZA nicht, und selbst das Aufrücken der faschistischen „Morgenröte“ zur drittstärksten Partei kann vor diesem furchtbaren Hintergrund kaum überraschen. Wahrlich, mit irgendeiner Sympathie für diese Variante von „Sonnenaufgang“ schreibe ich das nicht, ganz im Gegenteil! Aber: Bestrafungszinsen für Zahlungsunfähigkeit, hier bei der Grundversorgung der notleidenden griechischen Menschen mit Strom – das ist wohl ebenfalls das Gegenteil von sozialer, von humaner Politik. Sie macht, im Gegenteil, aus unverschuldeter Existenznot einen finanziellen Straftatbestand, ein Delikt, an dem angeblich das Opfer Schuld ist, nicht der Urheber der Not: die fatale Aktionsgemeinschaft der Euro-Staaten mit der Regierung in Griechenland! Politik gegenüber Griechenland, Politik in Griechenland, gleicht mehr und mehr dem höhnischen Grinsen eines Monsters in einem Horrorfilm. Und droht, einer Faschisierung dieses gepeinigten Landes Vorschub zu leisten!

Damit, wie immer, zu meinen sonstigen Schlusshinweisen:
Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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