Der Eier-Wahnsinn

 In FEATURED, Umwelt/Natur

“Dioxin-verseuchtes Murmeltierfleisch in deutschen Supermärkten – 100.000 Tiere gekeult.” “Verbraucherverbände entrüstet: In Murmeltier-Lasagne fanden sich Spuren von Eselfleisch…” Sie essen kein Murmeltierfleisch? Sie mögen die Tiere sogar und wollen nicht, dass jemand ihnen etwas zuleide tut? Gut so, dann können Sie sich bei solchen Schreckensnachrichten ja beruhigt zurücklehnen. Und, Sie werden lachen, es gibt Menschen, die keine Eier essen und zumindest persönlich vom aktuellen Fipronil-Eier-Skandal nicht betroffen sind. In der Lebensmittelwirtschaft kalkuliert man ökonomisch – Überraschung! Nur der Profit zählt hier, nicht das Leben und Wohlergehen von Tieren. V.C. Herz erklärt, warum Eier (auch unverseuchte) keine tierfreundliche Alternative zu Fleisch dastellen und was wir alle tun können, um das Kükenschreddern zu verhindern. (V.C. Herz, Erstveröffentlichung dieses Artikels hier: https://vegane-lebensweise.org/

Beim Frühstücks-Ei denken die meisten Menschen an ein paar Hühner, die vor einem romantischen Bauernhof auf einer Wiese friedlich nach Körnern picken. Die Eier, welche die Hühner nachts im warmen Stall ganz nebenbei legen, sammelt ein netter Landwirt am Morgen gut gelaunt in einem Weidenkorb ein, von wo aus die Eier direkt in den Supermarkt des Vertrauens gelangen.

Soviel zum Marketing der Eierindustrie und der Wunschwelt vieler Verbraucher*innen – Die Realität sieht hingegen ganz anders aus:

Der Großteil der in Deutschland konsumierten Eier stammt nämlich aus der Bodenhaltung. Bei verarbeiteten Produkten, beispielsweise bei Mayonnaise, gibt es keinerlei Kennzeichnungspflichten. Hier kommen oft noch immer Eier aus Käfighaltung aus dem Ausland zum Einsatz, welche in Deutschland nach langem Protest endlich verboten wurde. Da es kein Importverbot von Käfigeiern gibt, landen diese aber nach wie vor auf den Tellern der deutschen Verbraucher*innen.

In Deutschland werden Legehennen in der Regel in Gruppen mit mehreren tausend Tieren je Stall gehalten. Das Tierschutzgesetz hat für die Bodenhaltung klare Vorschriften: Maximal 9 Tiere dürfen pro Quadratmeter gehalten werden. Um es anders auszudrücken: Auf der Fläche eines Ehebetts darf man ganz legal 36 Legehennen halten – nicht nur zum Schlafen, nein, sie verbringen ihr komplettes Leben auf dieser doch sehr überschaubaren Fläche.

Wie alle Vögel legen Hühner Eier eigentlich nur zum einen Zweck: um sich fortzupflanzen, ebenso wie Papageie, Pinguine oder Schildkröten Eier zur Fortpflanzung legen. Die ursprüngliche Hühnerrasse legte lediglich 10 bis 40 Eier pro Jahr. Durch gezielte Zucht hat der Mensch die Legehenne mittlerweile in eine Art Produktionsmaschine verwandelt: Ganze 300 Eier legt eine Hochleistungshenne heutzutage jedes Jahr. Das stellt für den kompletten Organismus des Huhns eine unvorstellbare Belastung dar.

Wenn ein Huhn diese körperliche Belastung nicht mehr standhält oder die Legeleistung nachlässt, geht es für das Tier ins Schlachthaus. Während ein Huhn eine natürliche Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren hat, landen Legehennen in Deutschland im Schnitt bereits nach 18 Monaten im Schlachthaus.

Die Zucht auf eine hohe Legeleistung bringt noch weitere Nachteile mit sich – für die männlichen Küken der Eier-Rasse gibt es nämlich keinerlei Verwendung. Während Legehennen durch gezielte Züchtung darauf ausgelegt wurden, möglichst viele Eier zu legen, wurden Masthähnchen auf eine möglichst schnelle Gewichtszunahme, vorwiegend im Brustbereich, gezüchtet. Die männlichen Küken aus der Eierindustrie sind nicht darauf gezüchtet Fleisch anzusetzen, können naturgemäß aber auch keine Eier legen. Die Aufzucht solcher Küken zur Fleischgewinnung würde lange dauern und mehr Futter benötigen. Nach Angaben des ZDF in der Dokumentation „unser täglich Tier“  würden sich die Zusatzkosten für die Aufzucht der männlichen Küken aus der Eierindustrie auf umgerechnet 4 Cent je Ei belaufen.

Da diese Zusatzkosten anscheinend unverhältnismäßig hoch sind, werden die frisch geschlüpften Küken bereits wenige Stunden nach ihrer Geburt lebendig und bei vollem Bewusstsein entweder geschreddert oder vergast. Diese Praxis ist in Deutschland legal und gehört zur Tagesordnung: bis zu 60 Millionen männlicher Küken werden jedes Jahr alleine in Deutschland vergast oder geschreddert. Den weiblichen Küken hingegen wird, bevor es in den Stall geht, in der Regel ohne Betäubung der empfindliche Schnabel gekürzt – damit sich die Hühner in ihren engen Ställen nicht gegenseitig verletzen können

Obgleich Eier als tierfreundliche, vegetarische Alternative zu Fleisch gelten, verbirgt sich hinter jedem Ei also eine ganze Menge Tierleid. Pro Kilogramm Eier müssen 14-mal so viele Tiere getötet werden wie für ein Kilogramm Schweinefleisch. Ein Schwein wiegt bei der Schlachtung nämlich gute 100 kg. Um 100 kg Eier zu erhalten, braucht man 2.000 Eier. Eine Legehenne legt, bevor es zur Schlachtung kommt, im Schnitt 300 Eier – für 2.000 Eier braucht man entsprechend knapp 7 Legehennen. Hinzu kommt für jede Legehenne ein geschreddertes männliches Küken, ergibt in Summe 14 Tiere für 100 kg Eier.

Ein Schwein wird circa ein halbes Jahr gehalten, bis es sein Schlachtgewicht erreicht. Auf ein Kilogramm Fleisch entfällt somit eine Leidenszeit von 1,8 Tagen. Eine Legehenne legt in 1,5 Jahren 300 Eier – auf ein Ei entfallen entsprechend ebenfalls 1,8 Tage. Allerdings wiegt ein Ei nur 50 Gramm, für ein Kilogramm Eier muss eine Legehenne entsprechend 36 Tage, oder 20-mal so lange Leiden wie ein Schwein. Entsprechend handelt es sich bei Eiern keinesfalls um eine tierfreundliche Alternative zum Fleisch.

Eier aus Freiland- oder Biohaltung sehen viele Verbraucher als verantwortungsvolle Alternative zum Ei aus Bodenhaltung an. Diese Haltungsformen ermöglichen den Tieren etwas mehr Platz, bei der Biohaltung gibt es zusätzlich strengere Vorschriften für Medikamente und Futtermittel. Aber auch in diesen Haltungsformen werden Schnäbel gekürzt, männliche Küken geschreddert, überzüchtete Legerassen eingesetzt, Lebensmittel und Wasser verschwendet sowie das Klima belastet. Außerdem haben die Tiere zwar mehr Platz, viel Platz ist es dennoch nicht.

Auch für die Umwelt stellen Eier eine nicht unerhebliche Belastung dar. Während knapp eine Milliarde Menschen auf unserem Planeten hungern, muss man für jede gewonnene Ei-Kalorie vier pflanzliche Kalorien verfüttern. Für die Herstellung eines einzigen Eies werden zusätzlich ganze 3.300 Liter Wasser benötigt. Das Weltklima wird durch den Konsum von Eiern ebenfalls negativ beeinflusst – 1.931 g CO2/kg Getreide kommt hingegen nur auf 400 g CO2/kg.

Auch für den Menschen sind Eier nicht unbedenklich. Multiresistente Keime bedrohen immer mehr die moderne Medizin – laut einer Studie könnten solche Keime schon bald zu mehr Todesopfern führen als Krebs. Durch die extremen Haltungsbedingungen werden die Tiere krank, was zu einem regelmäßigen Einsatz von Antibiotika führt – Tierställe gelten als der Hauptgrund für die Entstehung von multiresistenten Keimen.

Eine weitere Gefahr, die von Eiern ausgeht, sind Salmonellen. Die Salmonellose ist die zweithäufigste Lebensmittelinfektion in Deutschland. Auch das hochgiftige Dioxin in Futtermitteln führt immer wieder zu Skandalen. Im Jahr 2010 wurde Dioxin sogar in Bio-Eiern nachgewiesen, nachdem verseuchter „Bio-Mais“ als Futter verwendet wurde. „Alle Jahre wieder“ werden zudem zehntausende Hühner getötet, weil sich bei ihnen die – zum Teil auch für den Menschen sehr gefährliche – Vogelgrippeviren ausbreiten.

Hühnerei enthält – anders als der Name es suggeriert – gar nicht so besonders viel Eiweiß (Protein). Nüsse und Samen enthalten sogar mehr davon. Sie enthalten darüber hinaus viele weitere Nährstoffe und sind aufgrund ihres Geschmacks aus der veganen Küche nicht mehr wegzudenken.  Da sie jedoch eine sehr hohe Energiedichte aufweisen, bieten sich eher Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte für die primäre Deckung des Proteinbedarfs an.

In der Küche lassen sich Eier übrigens häufig ganz leicht ersetzen, anstelle eines Eies kann man beim auch einfach eine halbe pürierte Banane, 60ml Apfelmus, 60 ml Sojajoghurt oder ½ TL Backpulver mit 60 ml Mineralwasser verwenden. Alternativ können auch Sojamehl, Kichererbsenmehl oder gemahlene Leinsamen verwendet werden (jeweils 1 EL auf 3 EL Wasser). Im Handel gibt es mittlerweile auch spezielle Ei-Ersatzprodukte zum schnellen Anrühren.

Probieren Sie die Alternativen einfach mal aus. Es ist ganz einfach, die Produktion von Eiern künftig nicht mehr zu finanzieren, und somit einen wichtigen Beitrag gegen Tierleid, Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung zu leisten!

Erklärung zum Plakat

Die Entfernung von Deutschland bis zur Ostküste der USA beträgt gute 6.000 km. In Deutschland werden jedes Jahr bis zu 60 Millionen männliche Küken geschreddert oder vergast. Würde man all diese Küken aneinanderreihen (bei ca. 10 cm je Küken), würde die „Kükenkette“ bis nach New York reichen.
Das Plakat hing vom 18.4.2017 an für 10 Tage am Augsburger Bahnhof und sollte die Menschen auf die grausame Praxis des Schredderns von männlichen Küken bei der Eierproduktion aufmerksam machen.

Jüngster Satirenband von V.C. Herz: „Das Leben ist kein Ponyhof“. Es ist schon das dritte Buch des Autors dieser Art. Näheres (und weitere Geschichten) auf www.pflanzliche-kurzgeschichten.de

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