Der heilige Stolperer

 In FEATURED, Ludwig Schumann

Zunge trifft Decolleté: Die Stones mit Neumitglied Lisa Fischer

Was haben Donald Trump, der Papst, die Rolling Stones und die Soulsängerin Lisa Fischer gemeinsam? Antwort: Alle kommen sie in einem neuen Text von Schumann vor: Ludwig Schumann. Ein launiger, fast surrealer Kurztext von anarchischer Kraft. Nur eine harmlose Träumerei Schumanns? Oder doch ein Werk, das eine ernst zu nehmend Kritik birgt? “Mit allem kann er umgehen, Franziskus, mit den Vögeln, mit der Schöpfung, mit den Armen und manchen anderen auch”, schreibt der Autor. “Aber er ist machtlos gegenüber der Dummheit.” (Ludwig Schumann)

Lisa Fischer bewegt sich in ihrer unnachahmlich Laszivität auf Jagger zu. Wann detoniert die Bühne dieser fleischgewordnenen Lüsternheit wegen? Gib mir Schutz, gib mir Schutz. Oh, ein Sturm bedroht mein Leben. Krieg, es ist nur einen Schuss entfernt. Krieg. Der amerikanische Präsident stolpert aus einer selbst gestellten Falle in die nächste. Gib mir Schutz, wo immer Du
bist, Herr. Der amerikanische Präsident weiß nicht, was er tut. Er weiß nicht, was er tut. Er verkauft das Beste, was die Amerikaner herstellen, an jeden, der es haben will. Waffen nach Saudi-Arabien, Waffen nach Katar. Waffen an die Kurden. Waffen an die Türken. Was macht es, solange Geld und Jobs ins Land kommen. Er weiß nicht, was er tut. Oder weiß er es nur zu gut?
Er stolpert von einer selbst gelegten Falle in die nächste. Aber vielleicht scheint es auch nur so. Schaut ihn an auf dem Bild mit dem Papst. Er lachend neben seinen als Witwen verkleideten Frauen, der Papst eher zu Tode betrübt. Mit allem kann er umgehen, Franziskus, mit den Vögeln, mit der Schöpfung, mit den Armen und manchen anderen auch. Aber er ist machtlos gegenüber der Dummheit. An der Dummheit scheitert die Unfehlbarkeit des Papstes vor aller Augen. Der amerikanische Präsident hat ihn entzaubert. Seine Dummheit ist es, die Franziskus an diesem Präsidenten scheitern lässt. Gott sei Dank fliegt er zurück über das weite Meer, das freilich nicht weit genug ist, dass es nicht doch das Unheil überbrückt. Gib mir Schutz, mit Inbrunst schreit es Lisa Fischer, als wüsste sie, welche Pfeile ihr Präsident noch in seinem Köcher hat. Gib mir Schutz. Der Krieg, er ist nur einen Schuss entfernt. Nie lagen die Stones näher an der Wirklichkeit. Der Riffmeister mit den arthritischen Fingern bringt es auf den Punkt, wie er immer minimalistischer spielt, als hätte er ihn bald herausgespielt, den einen Ton, nach dem Eric Clapton schon ein Musikerleben sucht. Keef forever.

Charlie treibt die alten Männer voran. Immer wieder muss er sich sagen, dass er noch nicht zu alt ist für den Job. Wer solls machen, wenn nicht er. Immer einen halben Schlag hinterher, gibt er ihnen diesen unvergleichlichen Drive, der sie aus allen als die Größten herausstechen lässt. Gib mir Schutz. Der alte Papst, wie bräuchte er ihn in dieser Sekunde, als der Fotograf ihn mit
den schwarzen Witwen und ihrem Zirkusdirektor aufs Bild bannt. Ich schlief und träumte, als der Tumbe mit seinem verschleierten Harem die Szene verlassen wollte, überkam es Franziskus jäh und er schob unmerklich sein rechtes Bein vor, während der Tumbe davongehen wollte. Er sah das Bein des Franziskus nicht, stolperte und schlug lang hin. Alle Kameras dieser Welt hielten auf den gefallenen Präsidenten, während Franziskus unschuldig seinen Blick gen Himmel hob. Hättest Du mir Schutz gegeben, sagte er, hätte ich stehen bleiben können. Jetzt haben die Zeitungen ihre Bilder und ich bin nicht darauf. Was für eine glückliche Idee gabst Du mir da zur rechten Zeit ein, mein lieber Herr, murmelte Franziskus, während sich der Präsident vor ihm auf dem Boden wälzte. Einige Fotografen waren schnell genug, dass sie im Bild festhielten, wie Melania nachtrat. Ja, sagte der Papst, es tut mir leid. Das aber sagte er nur seinem Herrn. Ich hätte noch nachtreten sollen. Aber ich glaube, da war ich weiser als Du, Herr. Hätte ich das getan, hätten sie das Dir, nicht mir angelastet. Und das wollten wir doch beide nicht? Der Herr streichelte seinem Franziskus über den Kopf und sagte: Du, Franziskus, bist wahrhaft ein heilige Mann. Ich bin stolz auf dich. Lisa Fischer
streicht Jagger über den Kopf. Auf der Bühne funkelt der Sex in seinen schönsten Farben. Aber gegenüber dem Vollweib sitzt Jagger das bucklige Alter auf den Schultern und grinst über den, der es tragen muss. Ja, sagt das Alter, ich zähme sie alle. Lisa muss den Stonessänger auffangen, als dieser bei seinen weitausgreifenden Schritten plötzlich ins Rutschen kommt. Ihr Busen verhindert seinen Sturz. Nein, sagt das Alter, so einfach lasse ich mich nicht abschütteln.

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen