Der Unpolitische Frieden

 In FEATURED, Politik, Umwelt/Natur

Bürger, Revolutionäre, Philosophen, Journalisten – sie alle haben Jahrhunderte lang nach Konzepten für eine Politik gesucht, die befreit; es käme aber vielmehr darauf an, sich von der Politik zu befreien. Diese kühne These kleidet Autor Eulenfeder in ein fiktives Gespräch mit einem Politiker. Was bleibt übrig, wenn man die Politik weglässt?, fragt er – das pure Leben! Peinlich für unsere Seite “Hinter den Schlagzeilen”: Alles, was wir bisher getan und geschrieben haben, war demnach total überflüssig.

Die Vergewaltigung des Geistes durch Politisches Denken, der Gefühle sogar ist derart umfassend, dass man vom Aufstehen bis zum Schlafengehen und dann im Traum sogar noch von der Politik verfolgt wird. Warum nur tut man sich das an? Warum befreit man sich nicht davon? Nicht nur verfolgt, auch gelenkt, ferngesteuert quasi wird man durch politisches Denken.

Ja ja – “Alles ist Politik ” sagen Intellektuelle und deshalb muss es so sein! (?) Wer ein wirkliches Interesse am ‘Weltgeschehen’ hätte und an notwendigen Veränderungen, sollte ‘politisch interessiert’ sein zumindest – wenn nicht, wäre er ein Gleichgültiger, ein ‘Desinteressierter’ sogar was Mitmenschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit betrifft – ein Egoist, der lediglich an sich selbst denkt. Und wer nicht politisches Engagement zeigte, der wäre sogar ein Feind der Demokratie!

Mit Grauen wendet man sich ab von jeweiliger Politik, die einem nicht entspricht und betreibt oder unterstützt eine andere. Wohlgemerkt unterstützt man nicht die Ziele, die eine Politik erreichen soll – also ohne diesen Umweg –, sondern eine Politik, die das ermöglichen soll. Ihr wird es überlassen, Veränderungen zu bewirken, nicht selbst versucht man es. “Aber die Politik ist eben das Mittel, das einzige Mittel das wir haben , ohne sie könnten wir rein gar nichts erreichen!!” – ist das wirklich so? “Was hat die Menschheit denn erreicht mit politischem Denken und Handeln?”, frage ich zurück. Kopfschütteln und ein letztes Abwinken – “dem ist nicht zu helfen, der kapiert nichts!”

Dann doch noch ein letzter Versuch von ihm: “Verstehen  Sie das nicht? Politik regelt alles, sogar unser gesellschaftliches Zusammenleben, unsere Freiheit sogar. Ohne Politik würde die Welt im Chaos versinken. Wahrscheinlich hätten wir uns nie so weit entwickeln können. Alle Errungenschaften des Menschen wären ohne Politik nicht möglich. Unsere Zivilisation, der Mensch wäre eine rein kriegerische Spezies (!) geblieben.  Gerechtigkeit auch, die Freiheit des Denkens und Glaubens, Naturschutz, der Erhalt dieses Planeten für uns – das alles wäre ohne politisches Handeln nie möglich gewesen! Und ich betone es gerne immer wieder: die größte Errungenschaft ist die Demokratie – eine Errungenschaft der Politik!” Derart labert er mich voll, wie ein Politiker eben. Aha, denke ich mir nur noch:  Wie die Welt nun ist, haben wir der Politik zu verdanken – weiß ich längst.

Ich wollte dieses Gespräch ja eigentlich überhaupt nicht, er hat sich einfach zu mir gesetzt, dieser ‘Politiker’ und irgendwie dieses  Thema angestoßen, mir aufgedrängt – zu mir auf die Bank unweit der Ammer, an einer Stelle wo ein mächtiger gefallener Baum quer zur Strömung seine hoffentlich letzte Ruhestelle gefunden hatte. An ebenso beeindruckend großen Kieselsteinen ist er hängengeblieben und hat dem Flüsschen an dieser Stelle ein neues Gesicht gegeben. Auch neue, höchst interessante Töne in der Wassermusik sind zu vernehmen: mal ein Crescendo, optisch untermalt mit schäumender Gischt, wenn die Strömung sich am Stamm bricht, mit einem Allegro ihn gläsern umfliesst, um dann in einem Arioso in unablässigen Arpeggios hinter dem Stamm wieder zur Ruhe zu kommen… In einem Andante also findet die eigentlich eher moderat fließenden Ammer wieder zu sich – das tonal farbenprächtige ‘Glucksen’ ebbt nach dieser Anstrengung wieder ab, bis es nur noch flüstert – fast al niente…

Am gegenüberliegenden Ufer steigt eine sand- und lehmfarbene Böschung in den Abendhorizont, gerade so weit, dass die schon rötliche Abendsonne noch zu sehen ist. Bewegt sie sich in diesen Momenten des Abschieds schneller? Oder vergeht die Zeit zügiger bei ihrem Abgang? Darüber muss ich  ein andermal genauer nachdenken.” Faszinierender ist in diesem Moment immer die Veränderung des Lichtes. Büsche, Felder, entferntere Waldränder, vorbeiziehende Wolkengemälde, die Atmosphäre insgesamt verliert sich langsam in einem immer schwächer werdenden Farbenspiel, bis alles in einer stetig wachsenden Dämmerung nur scheinbar versinkt.

Ein anderer Dirigent steht nun am Pult – die Wasserspiele bekommen ein anderen Klang. Darüber malt er ein allgemein eher gedämpftes Klangbild. Das Orchester hat eine andere Besetzung, der Taktstock wird ruhiger, befiehlt eher ein fortwährendes Adagio… Der Kuckuck fällt nur scheinbar aus der Reihe und bereichert die Abendstimmung aus der Ferne…

Der Auftakt für den Biber! Mit keinem Laut allerdings schiebt er eine Bugwelle vor seiner Nase her, begibt sich lautlos in seine aktive Zeit – die Nacht.

Von all dem Wunderbaren hat der ‘Politiker’ nichts mitbekommen. Zu sehr vertieft und verloren ist er in seiner Welt abstrakter und destruktiver politischer Gesetzmäßigkeiten, seinem Bemühen um Missionierung auch – die Welt solle an seiner Politik genesen . “Sie wäre ganz o.k. ohne Politik”, denke ich mir beim Nachhauseweg, angefüllt mit einem völlig unpolitischen Frieden, der für jeden zu begreifen, ja zu hören auch wäre – wenn man die Natur mit ihrem ureigenen Geist dirigieren ließe. Pauken und Trompeten – das kann sie auch, jedoch völlig unpolitisch.

Und sie lügt auch nicht.

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