Tanz auf dem Vulkan
Taiwan befürchtet eine chinesische Invasion, obwohl umstritten ist, ob die Insel zur Volksrepublik gehört. Sowohl China als auch die USA gebärden sich übergriffig. „Die gefährlichste Region der Welt“ — so wird Taiwan bezeichnet. Seit 1949 befindet sich die Insel in einem labilen Schwebezustand zwischen staatlicher Unabhängigkeit und Zugehörigkeit zu China. Präsident Xi Jinping besteht auf einer Vereinigung der beiden „Chinas“; die jüngsten Parlamentswahlen in Taiwan deuten jedoch eher darauf hin, dass die Menschen dort den alten Status beibehalten wollen und die „Hochzeit“ mit dem übermächtigen Nachbarn scheuen. Ob beide Gebiete zusammengehören, ob es sich also wirklich um eine Wiedervereinigung nach dem Muster von BRD und DDR handeln würde, dafür finden sich in der Geschichte des Landes Argumente, aber auch Gegenargumente. Die Volksrepublik übt verstärkten Druck aus mit einer Doppelstrategie aus Lockrufen und unverhüllten Drohungen. Die Hand im Spiel haben aber auch die USA, die die Dominanz über den Pazifikraum für sich behalten wollen. Nach einem Besuch der einschlägig bekannten Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi fürchten viele, der Westen wolle eine Entwicklung analog zum Russland-Ukraine-Krieg riskieren und China sowie Taiwan in einen aufreibenden Stellvertreterkrieg treiben, der verheerende Folgen für die Weltwirtschaft hätte. Der Vergleich Taiwans mit der Ukraine hinkt jedoch in mehrfacher Hinsicht. Es stellt sich die Frage, warum die beiden um die Vorherrschaft ringenden pazifischen Platzhirsche die Entscheidung über ihre weitere Zukunft nicht einfach den Menschen in Taiwan überlassen können. Roland Rottenfußer