Die Schweinepest und ihre wunderbaren Folgen

 In FEATURED, Monika Herz, Umwelt/Natur

Kranke Schweine müssen unverzüglich getötet werden. Gesunde auch, schon weil sie so gut schmecken. Gesund Schweine müssen manchmal auch getötet werden, weil sie sich bei kranken anstecken könnten. “Fällt uns denn außer Töten schon nichts mehr ein?”, sang Konstantin Wecker. Im Umgang mit Tieren jedenfalls kaum. Nach der legendären “Schweinegrippe” bedroht nun also die gleichnamige “Pest” von Afrika herkommend (von dort kommen ja viele Bedrohungen) unser Abendland und mit ihm die leitkulturell unverzichtbare Leberkässemmel. Vorschlag an die Politik: Investiert Milliarden für im Vorrat gehaltene Anti-Schweinepest-Medikamente eines Not leidenden Pharma-Herstellers. (Monika Herz)

Gestern hörte ich erstmals im Radio etwas von der afrikanischen Schweinepest. Geradezu hysterisch lamentierten diverse Experten über ihre Vorschläge, wie man dieser Schweinepest Herr werden könne.

Dazu erstmal ein paar Fakten.

Die Schweinepest breitet sich über ein Virus aus. Ursprünglich ist eine afrikanische Zecke der Überträger, später dann wird die Krankheit über den lebendigen Kontakt der Schweine untereinander verbreitet. Momentan ist in Ost-Europa ein Anstieg der Seuche zu verzeichnen. In roher Wurst, etwa in einem Salamibrot kann sich der Erreger bis zu 6 Monate halten. Die Krankheit endet für die Tiere tödlich. In Deutschland wurde noch kein einziger Fall eines infizierten Wildschweines gemeldet. Ein infiziertes Wildschwein könnte theoretisch auch Hausschweine infizieren. Für Menschen besteht keinerlei gesundheitliche Gefahr.

Kurz gesagt: Bei dem ganzen Hype, der sich im Moment um die Schweinepest dreht, geht es um die panische Angst der Menschen, dass ihnen das tägliche Wurstbrot, die Leberkäs-Semmel oder gar die Schweinshaxe abhanden kommen könnte. Weil doch ein infiziertes Wildschwein ein Hausschwein infizieren könnte. Wenn der Bauer zum Beispiel mit seinem Schwein im Wald spazieren geht und das Hausschwein sich mit einem Wildschwein anfreundet. So ein Fall ist ja schließlich nicht völlig auszuschließen. Dann könnte sich das Hausschwein infizieren, das Schwein würde erkranken und sterben und der Bauer könnte das Schwein nicht mehr schlachten, das Fleisch nicht verkaufen oder selber essen.

Diese Schlussfolgerung, dass es eigentlich um die Wurst geht, war allerdings im Radio keineswegs zu hören. Im Gegenteil: Als Zuhörerin hatte ich zunehmend das Gefühl, die Schweinepest wäre eine entsetzliche Krankheit, die meine Familie und mich bedrohen könnte. Man müsse dringend vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Die Prävention könne leider, leider nur im möglichst vollständigen Abschuss aller wildlebenden Schweine erfolgen. Die Expertenrunde im Radio unterhielt sich nämlich nicht darüber, ob Wildschweine überhaupt getötet werden sollen, sondern auf welche Art und in welchem Ausmaß das Töten geschehen solle. Ob die bisherige Tierschutzverordnung, welche trächtige Sauen schützt, nicht besser aufgehoben werden solle. Ob man nicht doch die eigentlich verbotenen Fallen aufstellen solle, wo dann die Tiere massenhaft – und in Panik – auf ihren Abschuss warten. Ob man nicht jetzt, wo doch die Schweinepest unsere Leberkäs-Semmeln so massiv bedrohe, doch auch die Tierbabies, die Frischlinge abschießen soll, obwohl es auch hier gesetzliche Regelungen gebe. Der Bauernverband jedenfalls fordert den sofortigen Abschuss von 70% aller Wildschweine und die Aufhebung des gesetzlichen Schutzes für schwangere Schweine und Schweine-Babies. Oh – es muss natürlich heißen: für trächtige Sauen und Frischlinge.

Schweine und Menschen sprachlich auf eine Ebene zu heben, gilt nämlich als Beleidigung für den Menschen. Weil Menschen und Schweine nämlich nichts gemeinsam haben. Schweine essen schließlich keine Menschen-Haxen, sie essen auch nicht, sondern sie fressen. Schweine schießen auch nicht auf Menschen und halten auch keine Menschen für den späteren Verzehr in Gefangenschaft. Schweine würden einfach in Frieden ihr Schweineleben leben. Wenn man sie denn in Ruhe lassen würde. Menschen dagegen können einfach nicht in Frieden leben. Ständig müssen sie streiten. Wie jetzt gerade, wo darüber gestritten wird, ob man nicht vorsorglich alle Wildschweine abknallen soll. Damit die „Fleischproduktion“ nicht gefährdet wird. Und der Profit.

Die Landwirtschafts-Minister der Bundesländer und natürlich auch unser aller Liebling, der Bundes-Landwirtschafts-Minister Schmidt haben bereits ihre Bereitschaft zur Zustimmung zur Aufhebung des Tierschutz-Gesetzes signalisiert. Wenn es um die Wurst geht, was schert uns da das Gesetz? Nichts. Genau.

Einer der zugeschalteten Anrufer im Radio gestern, offenbar ein Jäger, sprach sich in äußerster Erregung dafür aus, die Schweine in eine möglichst große Falle zu locken. Die Panik der Tiere ließe sich auf ein Minimum reduzieren, da der Jäger ja „aus dem Hinterhalt“ den Tieren einen Kopfschuss verpasse. „Aus dem Hinterhalt” – dieses Wort hat mich dann den ganzen Tag verfolgt. Hinterhältigkeit – ist das die Charakter-Eigenschaft, die einen Jäger auszeichnet? Dagegen sprach ein anderer Experte von einer Jagd-Ethik – nun ja. Ich will mich nicht aufregen. Die Ethik des Tötens – hab gar nicht gewusst, dass es das gibt. Übrigens: Humor ist, wenn man trotzdem jagt.

Heute hab ich ein bisschen recherchiert, und herausgefunden, dass in ganz Osteuropa im gesamten Jahr 2017 tatsächlich 248 Hausschweine infiziert wurden. 248 Schweine! Ein kleiner Vergleich: In einem Jahr werden allein in Deutschland 58.300.000 Schweine geschlachtet. 111 Schweine jede Minute. Tag und Nacht. Ohne Pause. Wenn die Seuche auch nach Deutschland herüberschwappte und das selbe schreckliche Ausmaß annähme wie in Osteuropa, dann würde in Deutschland für 2,2 Minuten während des gesamten Produktionsjahres der Profit entfallen. Dann würden womöglich auch 248 Schweine an einer Krankheit sterben und nicht von Menschenhand. Das geht gar nicht. Es wäre wirklich unverzeihlich, hier keine vorbeugenden Maßnahmen zu ergreifen.

Und die Wildschweine? Auch sie müssten womöglich tatsächlich an einer Krankheit sterben und nicht aus dem Hinterhalt erschossen werden. Allerdings würde das Fleisch dann kein Mensch essen wollen. Das geht einfach nicht. Die Schweinepest würde Millionen-Verluste bedeuten. Genauer gesagt: Im Jahr 2007 wurden in Deutschland 477.500 Wildschweine erlegt und die hatten einen Wert von 54,7 Millionen Euro. Da kann man die Tiere doch nicht einfach so sterben lassen. 54,7 Millionen Euro! Ob in dem Betrag die Mehrwertsteuer schon drin ist? Vater Staat will schließlich auch was verdienen.

Jetzt aber wird der Markt sicher schon bald mit Wildschwein-Leckerbissen übersät werden. Jetzt dürfen auch bald Schwangere und Babies geschossen werden. Dank Schweinepest! Bestimmt wird die Zahl der geschossenen Schweine im Jahr 2018 die Zahl von 2007 bei weitem übertreffen. Toll! Wachstum ist schließlich das Gebot unserer Zeit. Mahlzeit.

 

Quellen:

https://www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/afrikanische-schweinepest/

https://de.wikipedia.org/wiki/Jagdstrecke#Jagdjahr

http://www.jagd-bayern.de/bjv-jagdstrecken.html

Quelle für einige Informationen in diesem Artikel sind Kurzgeschichten und Artikel von V.C. Herz, zu finden in seinen bisher drei Büchern. Ihr findet alle Angaben dazu (und weitere Leseproben) auf dieser Seite:

http://pflanzliche-kurzgeschichten.de/autor.php

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