Donald Trump – Hoffnungen und Chaos (3/4)

 In Allgemein, FEATURED, Politik (Ausland)

Autor Wolfgang Bittner

3. Teil unserer Serie mit Auszügen aus Wolfgang Bittners Buch „Die Eroberung Europas durch Amerika“. Donalds Trump hat – bereits im Wahlkampf – viel Porzellan zerschlagen. Auf ihn richteten sich dennoch auch einige Hoffnungen auf einen Neuanfang. Würde der Neue im Weißen Haus entspannter mit Russland umgehen? Und würde er, der mit dem „Establishment“ der USA oft im Clinch liegt, die Interventionspolitik der USA beenden? Vieles bleibt zum heutigen Zeitpunkt ungewiss. Wolfgang Bittner, Experte für transatlantische und Ost-West-Beziehungen, analysiert den Stand der Dinge scharfsinnig und gibt Anregungen, was zu tun ist. (Wolfgang Bittner)

Erwartungen und offene Fragen

Die Situation ist hoch gefährlich. Nach wie vor ist fraglich, welche von seinen friedens- und sozialpolitischen Versprechungen US-Präsident Donald Trump verwirklicht beziehungsweise verwirklichen kann. Aus europäischer Sicht ist vor allem zu wünschen, dass es ihm gelingt, nach der Eiszeit des erneuten Kalten Krieges den Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes und der NATO einzudämmen und der seit über drei Jahren permanent existierenden Gefahr eines kriegerischen Konflikts mit Russland ein Ende zu setzen.

Das dürfte nicht einfach sein und eine geraume Zeit beanspruchen, falls es tatsächlich beabsichtigt wird und durchgesetzt werden kann. Anfang Februar 2017 erklärte die Regierung Trump, nach wochenlanger Unentschlossenheit zur Enttäuschung vieler Menschen, dass es vorerst keine Rücknahme der Sanktionen gegen Russland geben werde.[1]

Unter Verkehrung der Tatsachen, sagte die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, das aggressive Verhalten Russlands in der Ostukraine müsse verurteilt werden und die Sanktionen seien aufrechtzuerhalten. Sie sprach von „Strafmaßnahmen“, die bestehen blieben, „bis Russland die Kontrolle über die Halbinsel an die Ukraine zurückgegeben hat“. Damit hatte sich der Kriegsherr Poroschenko erneut durchgesetzt, und die neue US-Regierung näherte sich in einem weiteren prekären Punkt der Politik der vorigen Regierung an.[2]

Zugleich verhängten die USA als Reaktion auf einen Raketentest neue Sanktionen gegen den Iran. Trump twitterte: „Iran ist offiziell verwarnt worden.“ Das Land sollte angesichts des internationalen Atomabkommens Dankbarkeit zeigen, anstatt weiter destabilisierend im Nahen Osten zu wirken. Die Obama-Hybris einer absoluten Machtpolitik findet also unter Trump ihre Fortsetzung. Ein Regierungssprecher sagte: „Dass der Iran immer wieder Terrorismus und die Entwicklung von ballistischen Raketenprogrammen unterstützt, gefährdet die Region, unsere Partner weltweit sowie die Vereinigten Staaten selbst.“ Außer dem Raketentest wird dem Iran die Unterstützung der „schiitischen Huthi-Milizen“ im Jemen vorgeworfen, gegen die Saudi-Arabien mit Unterstützung der USA Krieg führen.[3]

Zu der exzessiven Siedlungspolitik der Israelis im Westjordanland hatte sich Trump zunächst positiv geäußert, und er war für Jerusalem als ungeteilter Hauptstadt Israels eingetreten. Doch wenig später distanzierte sich die US-Regierung von dieser Aussage und Trumps Sprecher Sean Spicer erklärte, es sei für den Friedensprozess  „nicht hilfreich“, wenn im Westjordanland neue Siedlungen gebaut oder bestehende erweitert würden. Die Hannoversche Allgemeine fasste diese Entwicklung unter Trump in einer Titelzeile zusammen: „Die US-Regierung geht auf Kurs. Washington kritisiert Russland und Israel – und verhängt Sanktionen gegen den Iran.“[4]

Spätestens im März 2017 zeigte sich, dass die von Donald Trump ausgehenden Signale widersprüchlich, regellos, teilweise wirr und chaotisch sind. Hinzu kommt, dass es in seinem Stab unter den zum Teil konservativ-reaktionären Ministern und Beratern starke Kräfte gibt, die an der NATO-Politik Obamas und seiner Vorgänger festhalten wollen. Dagegen wird Trump – so war von Anfang an zu befürchten – wenig ausrichten können, zumal er selber die weltpolitische Situation offensichtlich nicht einzuschätzen vermag. Sein russlandfreundlicher Sicherheitsberater, Michael Flynn, musste schon nach drei Wochen sein Amt aufgeben, weil er in Telefongesprächen mit dem russischen Botschafter zu verstehen gab, dass er für die Rücknahme der Sanktionen sei. Das machte die CIA, die Flynn abgehört hatte, öffentlich und mischte sich damit nicht zum ersten Mal in unzulässiger Weise parteiisch in die Politik ein.

Die Nachricht wurde von Trumps Gegnern und den Medien als großer Erfolg gefeiert, ebenso die Ernennung des russlandkritischen Nachfolgers, des Dreisternegenerals Herbert McMasters, der schon in Afghanistan gekämpft hat. Der Spiegel zitierte aus die Zeitschrift The Atlantic Monthly: „Das ist eindeutig eine gute Nachricht. Die USA und die Welt sind sicherer durch seine Entscheidung.“ Und sogar Trump-Kritiker und Waffenlobbyist John McCain gratulierte: „Ich zolle Präsident Trump meine Anerkennung für diese Entscheidung.“[5]

Die Welt brachte es auf den Punkt: „Mit Flynns Abgang geht nun die Phase zu Ende, in der der Präsident glaubte, eingedenk seiner Machtfülle ohne Fesseln revolutionäre Politik durchsetzen zu können. Aber die Zweifel der Sicherheitsdienste plus öffentlicher und politischer Druck haben das unmöglich gemacht. Das FBI war der Meinung, dass Flynn erpressbar geworden war, weil er gelogen hatte über den Inhalt seiner Gespräche mit dem russischen Botschafter in den USA. Und der öffentliche Druck war am Wochenende weiter gestiegen, weil Flynns protokollwidrige Kontakte zu den Russen noch vor Trumps Amtsantritt die generelle Frage aufwarfen nach dem seltsamen Verhältnis Trumps und seiner Mitarbeiter zu Russland… Es ist gut für Amerika und für eine über den neuen Präsidenten beunruhigte Welt, wenn Trump nun Stück für Stück auf Normalmaß zurückgestutzt wird.“[6]

Mitte Februar 2017 tauchten dann plötzlich weitere der Regierung Trump abträgliche „Erkenntnisse“ der US-Geheimdienste über abgehörte Gespräche auf, wonach nicht nur der Sicherheitsberater Flynn, sondern außerdem weitere Mitarbeiter Trumps „enge Kontakte“ zu Vertretern des russischen Geheimdienstes hatten.[7] Offensichtlich sollte mit allen Mitteln eine Annäherung der US-Regierung an Russland verhindert werden, und das scheint gelungen zu sein. Denn nach einer Erklärung des Pressesprechers Sean Spicer erwartet Donald Trump jetzt von Russland, „in der Ukraine deeskalierend gegen die Gewalt einzuwirken und die Krim an die Ukraine zurückzugeben“.[8] Damit war zugleich die Ankündigung der UN-Botschafterin Nikki Haley bestätigt, dass die Sanktionen gegen Russland fortgesetzt werden. Ferner erklärte Verteidigungsminister James Mattis am 15. Februar 2017 beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel: „Die Allianz bleibt für die USA und die ganze transatlantische Gemeinschaft ein grundlegendes Fundament.“[9]

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen nahm das zum Anlass, in vorauseilendem Gehorsam der Forderung nach einer Erhöhung der deutschen „Verteidigungsausgaben“ zuzustimmen, da die NATO „schlagkräftiger“ werden müsse. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat die Ministerin nochmals die „faire Verteilung“ der Lasten unter den NATO-Partnern betont und mehr Ausgaben für die Sicherheit gefordert.[10] An der Konferenz nahm neben Bundeskanzlerin Merkel, dem US-Vizepräsidenten Mike Pence und US-Verteidigungsminister James Mattis der republikanische Hardliner John McCain teil, sozusagen als Vertreter der US-Nebenregierung.[11] Er versicherte den Europäern das, was er zuvor schon mehrmals der Kiewer Regierung zugesagt hat: die USA stünden gegen Russland fest an ihrer Seite. Das beteuerten auch Pence und Mattis.

Der ehemalige Ministerpräsident des Saarlandes und Kanzlerkandidat der SPD von 1990, Oskar Lafontaine, schreibt dazu: „Die USA unterhalten ‚zur Verteidigung der Freiheit‘ an die 1000 Militärstationen in aller Welt, führen völkerrechtswidrige verdeckte Kriege und den ebenfalls völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg und mussten zu ihrer ‚Verteidigung‘ nach dem Zweiten Weltkrieg zahllose Kriege führen, mit vielen Millionen Toten – die Zahlen schwanken zwischen sechs und 30 Millionen. Und jetzt müssen sie Russland und China einkreisen, damit sie bei der Eroberung von Rohstoffen und Absatzmärten nicht gestört werden.“ Ironisch-sarkastisch fügt Lafontaine hinzu: „Bei dieser ‚verantwortungsvollen‘ Außenpolitik können wir die Vereinigten Staaten nicht im Stich lassen.“[12]

Also soll aufgerüstet werden, und Bundeskanzlerin Merkel wie auch Verteidigungsministerin von der Leyen folgen gewissenhaft den Vorgaben aus Washington. Lafontaine stellt die Frage, die führende Politiker und Journalisten meiden wie der Teufel das Weihwasser: „Weshalb sollten eigentlich die Europäer weiter aufrüsten, wenn der Russe vor unserer Tür 66,4 Milliarden in die Rüstung steckt und die bis an die Zähne bewaffneten Chinesen 215 Milliarden? Allein der enge Freund und Verbündete der USA, Saudi-Arabien (Rüstungsausgaben: 87,2 Milliarden) – Moslems aus dem friedliebenden Saudi-Arabien, das im Jemen im Auftrag der USA ‚die Freiheit verteidigt‘, dürfen weiter in die USA einreisen – gibt mehr aus als der ‚böse Russe‘“. Regierung und Medien bleiben die Antwort auf fast alle wesentlichen Fragen schuldig.

„Wir sind wieder mitten im Kalten Krieg“, schreibt Lafontaine, „und die Rüstungshetzer kriechen aus allen Löchern. ‚Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen‘, sagt das bekannte Zitat von Peter Ustinov. Ja, höhere Rüstungsausgaben führen zu weiterem Terrorismus. Terrorismus ist nach einem in der Öffentlichkeit vergessenen deutschen Gesetz die rechtswidrige Anwendung von ‚Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange‘. Aber wen kümmern schon die deutschen Gesetze, wenn der ‚große Bruder‘ Gehorsam wie beim völkerrechtswidrigen Krieg in Syrien verlangt? Und während die ‚westliche Wertegemeinschaft‘ die Kriegsausgaben erhöht, sterben Millionen an Hunger und Krankheit.“[13]

Die weitere Richtung scheint vorgegeben zu sein: Im Verhältnis zu Russland hat sich durch den Regierungswechsel von Obama zu Trump zunächst nichts zum Positiven geändert, im Gegenteil, die NATO wird noch mehr aufgerüstet. Und im Hinblick auf den Iran und China hat sich die Lage verschlechtert.

[1] ZDF-heute, USA: Russland-Sanktionen bleiben – Distanz zu Israel, 3.2.2017, http://www.heute.de/usa-russland-sanktionen-bleiben-weisses-haus-auf-distanz-zu-neuen-juedischen-siedlungen-israels-46470262.html, 4.2.2017.

[2] Spiegel Online/ pad/AFP/Reuters, USA verurteilen aggressives Vorgehen Russlands, 3.2.2017, http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-us-regierung-verurteilt-aggressives-russisches-vorgehen-in-ostukraine-a-1132965.html, 4.2.2017.

[3] Süddeutsche Zeitung, USA verhängen Sanktionen gegen Iran, 3.2.2017, http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-raketenstarts-usa-verhaengen-sanktionen-gegen-iran-1.3363579, 4.2.2017.

[4] Stefan Koch und Michael Fischer, Hannoversche Allgemeine v. 4.2.2017, S. 4.

[5] Britta Kollenbroich, Trump entscheidet sich – und erntet Lob, Spiegel Online, 21.2.2017, http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-und-sein-neuer-sicherheitsberater-h-r-mcmaster-es-gibt-lob-a-1135527.html, 21.2.2017.

[6] Clemens Wergin, Darum ist Flynns Abgang eine gute Nachricht, Welt, N24, 14.2.2017, https://www.welt.de/debatte/kommentare/article162062876/Darum-ist-Flynns-Abgang-eine-gute-Nachricht.html, 15.2.2017.

[7] ARD-Tagesschau, Heißer Draht nach Moskau?, 15.2.2017, https://www.tagesschau.de/ausland/trump-russland-103.html, 17.2.2017.

[8] Spiegel Online, Trump fordert Rückgabe der Krim an die Ukraine, 14.2.2017, http://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-politik-donald-trump-fordert-rueckgabe-der-krim-an-die-ukraine-a-1134627.html, 15.2.2017.

[9] Daniel Brössler, Amerika droht NATO-Partnern, Süddeutsche Zeitung, 15.2.2017, http://www.sueddeutsche.de/politik/transatlantisches-verteidigungsbuendnis-amerika-droht-nato-partnern-1.3380772, 15.2.2017.

[10] Focus Online, Bundesregierung wird gegenüber Trump deutlich wie nie zuvor und verlangt Bekenntnis, 17.2.2017, http://www.focus.de/politik/deutschland/muenchner-sicherheitskonferenz-bundesregierung-wird-gegenueber-trump-deutlich-wie-nie-und-verlangt-bekenntnis_id_6665153.html, 18.2.2017.

[11] Vgl. Jürgen Roth, Der tiefe Staat. Die Unterwanderung der Demokratie durch Geheimdienste, politische Komplizen und rechten Mob. Heyne, München 2016.

[12] Oskar Lafontaine, Wir müssen aufrüsten!, via Facebook, 17.2.2017, zit. n.: NachDenkSeiten, http://www.nachdenkseiten.de/?p=37058#h02, 18.2.2017.

[13] Oskar Lafontaine, a.a.O.

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