Es gibt sie, es gibt sie nicht…

 In Roland Rottenfußer

DieÜbersinnlichen… Engel nämlich, Geister, Medialität, die menschliche Aura und so manche Phänomene, die in der modernen Esoterik-Szene zwar beliebt sind, jedoch in der Religionsgeschichte schon viel länger “herumspuken”. Thomas Schmelzer hat sich in seinem interessanten Dokumentarfilm “Die Übersinnlichen” der mysteriösen Welt der Medialität angenommen. Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der hier vermittelten Behauptungen lässt er in angenehmer Weise in der Schwebe. Wie in Goethes “Erlkönig” gibt es zu den Phänomenen mindestens zwei Betrachtungsweisen. (Roland Rottenfußer)

Thomas Schmelzer ist ein Multitalent: Herausgeber der Multimedia-Seite „Mystica TV“, Schriftsteller, Kongressveranstalter und Interviewer in fast allen Videobeiträgen auf seiner Seite. In einer Zeit, in der einige journalistische „Schlachtschiffe“ der spirituellen Szene gesunken, andere seicht, beliebig und „happy“ geworden sind, hat es Schmelzer geschafft ein wirkungsvolles Medienunternehmen mit modernem Gesicht und Tiefgang zu schaffen. Dabei blendet Schmelzer Themen wie Gesellschaft, Umwelt und Wissenschaft nicht aus und nimmt neben Neuentdeckungen auch „Altstars“ der Szene wie Wolf-Dieter Storl mit ins Boot.

Der Film „Die Übersinnlichen“ ist die Fortsetzung seines konsequenten Wegs mit den Mitteln des Films. Spirituelle Dokus haben in den letzten Jahren eher einen Aufschwung erlebt. Man denke etwa an „Das Wunder der Lebenskraft“ von Stephan Petrowitsch, in dem es um geistiges Heilen ging. Oder an „Awake – Das Leben des Yogananda“ von Paola di Florio und Lisa Leeman, beide in Programmkinos zu sehen. Ich war gespannt, wie Thomas Schmelzer sich im für ihn neuen Langfilmgenre in der Rolle des Regisseurs behaupten würde. Dass er vor der Kamera Interviews führen kann, stand ja außer Frage. Hier hat sich Schmelzer für seine Begabung quasi einen neuen Raum erschlossen und bleibt dabei durchweg als Mensch zu erkennen. Zwischen dem „Film-Thomas“ und dem Menschen, den man im persönlichen Gespräch kennenlernen kann, klafft kein Abgrund, was schon mal für Authentizität spricht. Der Regisseur und „Hauptdarsteller“ zeigt mehr von sich als bei derartigen Filmen üblich, deren Autoren sich meist überlegen-distanziert geben.

„Übersinnlich“ – das meint hier natürlich nicht „übermäßig sinnlich“, sondern tatsächlich mysteriös, medial, paranormal. Eine Reihe von bekannten Medien wird von Schmelzer interviewt: Sabrina Fox, Varda Hasselmann, Martin Zoller, Hartmut Lohmann, Jana Haas, Pascal Voggenhuber, James van Praagh, Paul Meek, Horst Krohne, Andy Schwab und andere. Dabei achtet der Regisseur sorgsam auf eine bunte Mischung. Der eine behauptet, unsere Aura sehen zu können, die andere nimmt Engel wahr, ein dritter kommuniziert angeblich mit Toten. Wir erfahren durch die engelsgleiche Jana Haas von einem apricotfarbenen Schutzengel, der den Interviewer – für ihn selbst unsichtbar – begleitet. Und durch den jugendlichen Pascal Voggenhuber von einer verstorbenen Tante, die Schmelzer auffordert, seinen wahren Weg erst noch zu finden. Ist es der Weg eines Mediums? Gerade der Voggenhuber-Abschnitt im Film wirft auch für mich interessante Fragen auf. Ich bin ja – neben anderem – spiritueller Journalist und muss man sich ja fragen, warum ich diesen Beruf gewählt habe: Vielleicht weil ich mich von diesen Themen einerseits angezogen fühle, es mir andererseits durch berichtende Distanz ein Stück weit vom Leib halten will. Der „Fachjournalist“ dieser Richtung taucht ja immer nur kurz in einen spirituellen oder heilerischen Bereich ein, bleibt in einer „überlegenen“ Beobachterposition und zappt dann quasi zum nächsten Thema weiter.

Schmelzers Stärke ist die wägende Selbstreflexion – wichtig bei diesem heiklen Thema, das mit viel „Verschwommenem“ und Unbeweisbarem umzugehen hat. Der Regisseur und Interviewer hält genügend Distanz, indem er die Frage stellt, ob die Behauptungen seiner medialen „Stars“ auch stimmen und ob die Begegnungen mit ihnen ihn weitergebracht haben. Keine blinde Verehrung wird da vorgeführt, aber auch durchweg das Schmelzersche freundliche, respektvolle Einfühlungsvermögen. Dazu kommt der experimentelle Ansatz („Probieren wir’s doch einfach gleich mal bei mir aus“). Damit wird dem Zuschauer nichts aufgeschwatzt, er kann selbst mit entscheiden, ob er den Heiler, das Medium für glaubwürdig hält. Abgesehen von einigen verblüffenden „Treffern“ – wenn Pascal Voggenhuber etwa über Schmelzer Informationen liefert, von denen er eigentlich nichts wissen kann – bleibt der Wahrheitsgehalt des Gesagten ohnehin im Unklaren. Jeder kann behaupten, neben dem Körper eines Menschen gelbe Wölkchen oder einen Engel gesehen zu haben. Diese Unklarheit liegt aber in der Natur der Sache.

Rationale Naturen mögen ihr Urteil schon längst vor der Sichtung des Films gefällt haben: Dergleichen kann es nicht geben. Alles muss also Scharlatanerie sein. Andererseits gibt es gerade auf dem Gebiet des geistigen Heilens so viele erstaunliche Berichte, dass man an seinen eigenen Zweifeln zu zweifeln beginnt. Die Behauptung, dass Engel über uns wachen, ist richtig oder falsch; sie ist jedoch nicht rechts oder links, gut oder böse. Mysteriöse Phänomene sind keine Erfindungen modischer „Esoterik-Wellen“, sondern eigentlich anthropologische Konstanten, schwer erklärbare Phänomene, die sich in vielen Epochen und Weltregionen unabhängig voneinander zeigen: Geistererscheinungen etwa, Kommunikation mit Toten. Thomas Schmelzer löst das Mystery-Zwielicht nicht vorschnell auf, indem er sich auf eine der beiden Seiten (Gläubige oder Skeptiker) schlägt. Er beweist somit Mut zur Unklarheit.

Seine Schlussbotschaft lautet denn auch eher: „Folge dir, gehe deinen eigenen Herzensweg“, nicht „Folge den Meistern und hebe sie auf ein Podest“. Rein methodisch ist es gut und ehrlich, dass der Filmemacher nicht mit einer „Ich weiß Bescheid“-Haltung rangeht, sondern sich als einen Suchenden, Fragenden inszeniert. Das Filmgeschehen wird so zu einer Bildungsreisen mit Zügen der Heldenreise, indem sich der Protagonist jeweils einem teilweise unkontrollierbaren Geschehen ausliefert, daraus ungeschoren hervorgeht und für uns, die Zuschauer von der sanften „Front“ übersinnlicher Phänomene berichtet.

Weitere Infos zum Film:
http://filme.mystica.tv/die-uebersinnlichen/

Das neue Buch von Thomas Schmelzer:
http://www.mystica.tv/die-stille-in-mir-erste-buchveroeffentlichung-von-thomas-schmelzer/

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen