Helfen wir den Menschen in Griechenland! – Achter Bericht 2016

 In Roland Rottenfußer, Über diese Seite

GriechenlandhilfeLogo-300x194In Vertretung von Holdger Platta berichtet Roland Rottenfußer an dieser Stelle Erfreuliches über die Spendenbereitschaft unserer Leserinnen und Lesern, aber – man ahnt es fast schon – Unerfreuliches über die politische Gesamtlage in Griechenland. Flüchtlingskrise und Griechenlandkrise bildeten in den vergangenen Wochen eine „Schnittmenge“, aus der sich eine höchst gefährliche Gemengelage ergeben könnte. Europa lässt sein ärmstes Mitgliedland wieder mal im Stich. Die meisten Griechen aber – und das ist bewundernswert – widerstehen der Versuchung, aus erlebter Not Zuflucht in der Unmenschlichkeit zu suchen. Auch der bewährte, sehr aufrechte Tassos Chatzatoglou kommt hier wieder mit einem ausführlichen Vor-Ort-Bericht zu Wort. (Roland Rottenfußer)

Neben seiner Funktion als Prügelknabe und Armenhaus Europas hat Griechenland jetzt noch eine weitere undankbare Aufgabe übernommen. Das Land ist zum Großauffanglager für viele Flüchtlinge geworden, die andere europäische Länder nicht „haben“ wollen. Die griechisch-mazedonische Grenze ist jetzt „zu“. Die mazedonische Regierung hat mit dem Einsatz von Wasserwerfern die Blaupause für das geliefert, was künftig von den Staaten des christlichen Abendlands zu erwarten sein dürfte. Für die europäischen Granden hat die Auslagerung der Flüchtlingskrise nach Griechenland offenbar mehrfachen Nutzen: Das ohnehin geschundenen Land rutscht noch tiefer ab – vielleicht eine Strafe für versuchten Ungehorsam durch die Tsipras-Regierung. Die rechten Bewegungen daheim können mit der Versicherung beruhigt werden, dass der Flüchtlingsstrom abebbt. Und auch Kosten können gespart werden, die für Wichtigeres, z.B. für Rüstung, zur Verfügung stehen. Mehr als 10.000 Flüchtlinge sind derzeit in Griechenland gefangen (siehe Bericht weiter unten). „Die Flüchtlinge müssten sich nun in Griechenland eine Bleibe suchen, erklärte die Kanzlerin.“ (Quelle: Telepolis)

Das Land sitzt nun in der Falle, denn nach Norden geht nichts mehr raus, was einen „Rückstau“ von Flüchtlingen ergibt (wie es in unmenschlich-sachlicher Sprache oft in den Nachrichten heißt). Was aber heißt „Rückstau“ an den griechischen Südgrenzen? Ein Blick auf die Karte zeigt: dort ist das Mittelmeer. Was dies konkret bedeutet, haben hunderte ertrunkene Menschen in der Ägäis gezeigt. Das erstaunlichste an der aktuellen Lage ist aber: Das „Ausländer raus”-Gebrüll in Griechenland hält sich in Grenzen. Jedenfalls gemessen an der sozialen Situation der Mehrheit. In Deutschland wird es Besorgtbürgern aus weit harmloseren Gründen schnell zu viel mit all den dunkelhaar- und -häutigen Gestalten, so dass die Dämme christlich-demokratischer Gesittung mit einem lauten Krachen brechen. Viele Griechinnen und Griechen aber helfen und teilen, wie der Bericht von Tassos Chatzatoglou zeigt, noch ihr kärgliches Brot mit den Ankömmlingen. Ein Vorbild, wie ich meine – und vielleicht die Keimzelle eines anderen Europa, wie es inmitten dieses Wahnsinns im wahrsten Sinne des Wortes notwendig ist.

An dieser Stelle noch zur Beruhigung: Holdger Platta gibt es noch. Er wird diese Zwischenberichte in den allermeisten Fällen in bewährter Weise selbst schreiben. Eine Virusinfektion hindert ihn in dieser Woche, zur Feder – oder besser: zu Maus und Tastatur – zu greifen. Wenn solche gesundheitlichen Belastungen in jüngster Zeit mehrfach auftraten, so hat dies auch damit zu tun, wie wenig sich Holdger bei seinen vielfältigen sozialen Aufgaben schont.

Zum Glück hat uns Tassos Chatzatoglou auch in dieser Woche einen sehr eindrucksvollen Bericht direkt aus Griechenland zukommen lassen. Er ist sowohl analytisch, was die verheerende politische Großwetterlage betrifft, als auch sehr detailliert, was die beschriebenen Notfälle angeht.

Hier noch die Spendenzahlen für diese Woche: 29 neue Spender (insgesamt jetzt 737), Gesamtspendensumme für diese Woche: 1017,50 €, Gesamt-Spendenvolumen unserer Griechenland-Hilfsaktion seit Start: 82.472,16. Das ist höchst erfreulich, wie ich meine. Auch von meiner Seite also ein herzliches Dankeschöne an alle Helfer und Spender!

Hier also der Bericht von Tassos:

„Nach dem letzten Gespräch mit Holdger haben sich die Ereignisse in Griechenland überschlagen. Auf der einen Seite stand das Bemühen der Tsipras-Regierung, die Balance zwischen Quartett und eigenständiger Politik zu halten, auf der anderen Seite die Eskalation der Situation mit den Flüchtlingen. Das Schließen der nördlichen Grenzen Griechenlands für die Flüchtlinge brachte diese in einen Zustand unvorstellbaren Elends. Zugleich aber bewirkte dies, dass das griechische Volk seinen wahren Charakter zeigte. Eine Welle der Solidarität hat die Griechen erfasst, eine beispielhafte Haltung gegenüber unseren Mitmenschen, die sich auf der Flucht befinden.

Brote, Essen im Tupper-Behälter mit viel Gemüse und Reis, Wasser, Obst, das alles wird eingepackt. Die griechischen Familien treffen sich mitsamt ihren Kindern bei den Flüchtlingen, als ob dies ein Ausflug wäre. Die streikenden Bauern helfen den Flüchtlingen ebenfalls mit Essen, lassen trotz Blockaden die in Not geratenen Mitmenschen weiter ziehen. Da und dort werden eine Mutter mit Kind(ern) oder ältere Menschen mit dem Traktor weiter transportiert. Manch einer behauptet, angesichts des Elends setzten die Bauern ihre Proteste aus. Es gibt ja andere, denen es noch schlechter geht als den Bauern in Griechenland.

Die Solidarität mit Notleidenden setzt in Griechenland eine Tradition fort. Während der Besatzung nahmen die deutschen Truppen nach der Kapitulation von General Badoglio am 8. September 1943 die Italiener gefangenen. Lange Kolonnen mit Gefangenen zogen durch die Straßen Athens. Die Athener Bevölkerung solidarisierte sich mit diesen und warf ihnen etwas von dem Wenigen, was sie zum Essen besaßen, zu. Das Groteske: ein paar Tage zuvor waren die Italienern selbst Besatzer gewesen. Trotzdem halfen die Griechen so gut sie konnten.

Natürlich gibt es heute auch Worte und Taten, für die man sich schämen muss. Viele machen Tsipras für die Flüchtlinge verantwortlich. Nicht der Krieg ist schuld, nein, die Tsipras-Regierung. Das ist die Meinung der Nea Dimokratia, der konservativen Partei Griechenlands, die laut Umfragen die Syriza bereits an Popularität überholt hat .

Nun zu unserer Hilfsaktion:

Meine Frau und ich sind auch der Meinung, dass unsere Hilfe mehr notleidende Menschen erreichen kann, wenn wir sozialen Trägern helfen. Es gibt aber Griechinnen und Griechen, für die nicht immer die medizinische Versorgung vordergründig ist, sondern die entstandene Notlage durch ein fehlendes Einkommen. Wir sollten zumindest in den uns bekannten und überprüften Fällen weiter helfen.

In Nordgriechenland habe ich vier neue Fälle. Einer wurde bereits von mir persönlich sowie von mehreren Leuten überprüft. Es handelt sich um eine geschiedene Frau, Chrisoula Salamanika, geboren am 25.12.1961. Mit 1.1.2009 wurde sie arbeitslos. Dann kam die Krise. Nach einem Jahr fiel sie aus der Statistik und ist somit nicht mehr versichert. Sie hat seit damals kein Einkommen mehr und ist nachweislich als “mittellos” registriert. Die Wohnung, in der sie wohnt, gehört zur Hälfte ihrem Bruder. Eine Kopie der Sozialkarte, der Bestätigung des Finanzamtes über das Null-Einkommen, die Arbeitsamt-Karte, sowie eine Bestätigung der Gemeinde Thessaloniki für den kostenlosen Zugang zur medizinischen Betreuung liegt mir vor. Chrisoula hat Stromschulden. Wenn sie nicht zumindest einen Teil der Stromrechnung bis zum 6. März zahlt, wird der Strom abgeschaltet. Wir möchten Chrisoula mit 670 € helfen. Für die anderen drei Fälle aus Kilkis erwarte ich die Zustimmung der sozialen Träger bzw. der zuständigen Sozialarbeiter.“

So weit der Bericht von Tassos. Berührend daran ist hier vor allem auch die Großzügigkeit vieler Griechinnen und Griechen. Viele andere hätten, angesichts der eigenen Notlage, ihr Herz bereits verhärtet. „Schlecht geht es uns selber. Wir können nicht auch noch ganz Afrika durchfüttern“. Derartige Abschottungsimpulse von „unten“, geboren aus Angst, sind eine Ursache des Rechtsrucks in Deutschland. Respekt vor denen, die die Nagelprobe ihrer humanen Gesinnung unter oft noch schwierigeren Umständen so grandios bestanden haben.

Hier, wie immer, die Kontodaten für unsere Spendenaktion:

Unser Konto, auf das Ihr unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ spenden könnt und – es sei daran erinnert! – unter dem Kennwort „Katerina K“ auch für die schwersterkrankte junge Patientin aus Piräus, die eine neue Niere benötigt, ist unter den folgenden Angaben für Eure Spenden erreichbar:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

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