Helfen wir den Menschen in Griechenland! – Fünfzehnter Bericht 2016

 In Holdger Platta, Politik (Ausland), Über diese Seite

GriechenlandhilfeLogo-300x194Sprache ist ja geschmeidig: “Kollateralschaden”, “friedensschaffende Maßnahme”, “Ministerium der Liebe”, “Säuberung”… Wolfgang Schäuble jedenfalls sprach unlängst von einem “Umbau des Rentensystems” in Griechenland. Dieses sei zugegebenermaßen ein “schwieriges Thema”. Klar, die “Reformanstrengungen” zum Zwecker der “Griechenlandrettung” stellen eine “Herausforderung” da, die mit ein bisschen gutem Willen doch bewältigbar wäre, wenn die Griechen nur endlich ihre “Hausaufgaben” machen würden. Tatsächliche würde besagte “Rentenreform” Existenzen in großer Zahl vernichten. Da erscheint der IWF geradezu ehrlich, wenn er von notwendigen “heroischen Opfern” spricht – wohl bemerkt, sollen diese Opfer natürlich andere Menschen, die Griechen, leisten, nicht diejenigen, die vom weichen Stuhl aus diese Opfer fordern. Holdger Platta ist zornig, und er ist es zu Recht. Neben einigen kurzen Anmerkungen zum Fortgang unserer Hilfsaktion, widmet er seinen heutigen Bericht vor allem der politischen Großwetterlage in Griechenland und der Arroganz von Politikern, die wohl das Gegenteil “heroischer Opfer” sind: feige Täter.

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

am heutigen Freitag – dem Tag, an dem Ihr diesen Bericht werdet lesen können – bricht Karl-Heinz Apel, unser Mitaktivist, gemeinsam mit seiner Frau wieder zu einer Fahrt nach Griechenland auf. „Im Gepäck“ erneut Hilfsgüter zur medizinischen Versorgung der von uns mitbetreuten Menschen dort, insbesondere für die Arztpraxis in Kyparissi/Südpeloponnes, „im Gepäck“ aber auch Geldmittel für zahlreiche verarmte Griechinnen und Griechen, denen wir seit Ende August des letzten Jahres Beistand leisten, um Alltagsprobleme wie Stromsperren bewältigen zu können. Es geht um einen Gesamtbetrag von rund 3.000,- Euro.

Außerdem haben wir, über unsere Grazer Mitakteure Evelin und Tassos Chatzatoglou, weitere 6.000,- Euro (aufgerundet) nach Griechenland weiterleiten können, für den Einkauf von Lebensmitteln dort. Was die AdressatInnen dieser Hilfsaktion betrifft, verweise ich auf meinen Bericht in der letzten Woche. Tassos hat dort die Notfälle im einzelnen aufgezählt. Ihr erinnert Euch vielleicht: in der Gestalt einer sehr, sehr langen Liste von Hilfsbedürftigen, denen unsere Unterstützung zugute kommt.

Abschließend erwähne ich noch, als aktuelle Hilfsaktion, daß wir Sylvia Landwehr aus Aachen, die ganz aus eigener Initiative heraus umfangreiche Materialien für notleidende Griechinnen und Griechen gesammelt hat – Kleidung vor allem – sowie auch medizinische Hilfsmittel für das ELPI, die Klinik in Athen, den Transport dieser Sachmittel zu finanzieren gedenken. Ich füge an dieser Stelle hinzu: Selbstverständlich betrachten wir solche Aktivitäten anderer Helferinnen und Helfer nicht als Konkurrenz – dasselbe gilt auch für die „Griechenlandhilfe“ oder für die „Kretahilfe“, auf die wir Anfang dieser Woche hingewiesen haben –, sondern als hochwillkommene und wichtige Initiativen auch anderer Menschen und Organisationen in der Bundesrepublik – und selbstverständlich nicht nur bei uns!

Was den Eingang weiterer Spenden betrifft, in der letzten Woche waren das sieben, ist ein bedeutender Wiederanstieg nicht zu registrieren gewesen. 320,- Euro gingen während der vergangenen sieben Tage bei uns ein. Leicht gesagt und leicht geschrieben, ich weiß, aber da sollten wir bald wieder auch steigerungsfähig sein.

Daß Griechenland nach wie vor ein Land voller Unruhen und Unruhe ist, diese Feststellung traf “natürlich” auch für die letzten Tage zu und wird sicherlich auch die kommenden Wochen bestimmen. Wenn man den diversen Berichten glauben darf, steht die griechische Regierung derzeit gleich einer Doppelfront gegenüber. Sie hat sich auf eine Streikwelle großen Ausmaßes einzustellen. Und in derselben Zeit geht ihr Kampf weiter an der “Außenfront”, ihre Auseinandersetzung mit den Eurostaaten einerseits und dem Internationalen Währungsfond IWF andererseits. Hier nur ein kurzer Überblick:

Die beiden Gewerkschaftsverbände GSEE und ADEDY streiken jetzt bereits, außerdem die Gewerkschaftsfront DAME, die zur Kommunistischen Partei Griechenlands zählt, zur KKE. Am Dienstag dieser Woche hatte die POETA, die Gewerkschaft der Gemeindeangestellten, für einen halben Tag die Arbeit niedergelegt. Am heutigen Donnerstag begann außerdem ein Streik der Journalisten in Griechenland, zunächst bis übermorgen, bis zum Samstag dieser Woche, wobei mit einem Dauerstreik gedroht worden ist. Das betrifft alle Zeitungen, Magazine, Nachrichtenseiten im Internet und die griechische Nachrichtenagentur APE-PME, ab heute, Freitag, bis einschließlich Samstag, auch sämtliche privaten und öffentlichen Funk- und Fernsehanstalten. Schließlich hat auch die Seemannsgewerkschaft PNO einen 48-stündigen Streik angedroht. Gegenstand aller Proteste: die geplanten Veränderungen im Bereich der Sozial- und Rentenversicherung, über die ich Euch bereits in der letzten Woche informiert hatte (= weitere Absenkung der Altersbezüge zum Beispiel auf 345 Euro für alle ArbeitnehmerInnen, die nur 15 Jahre lang in die Rentenkasse einzahlen konnten). Dieses also die eine, die landesinterne Front.

Und was die Euro-Staaten und den IWF betrifft, so scheinen auch dort in absehbarer Zeit keinerlei Lösungen in Sicht zu sein: Der IWF plädiert weiterhin für einen Schuldenschnitt, Schäuble ist nach wie vor dagegen. EU-Kommission, IWF und Europäische Zentralbank EZB bestehen weiterhin auf Kürzungen im Staatshaushalt der Griechen in der Höhe von rund 5,4 Milliarden Euro, mindestens aber in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro – die Verhandlungen dazu am Dienstag dieser Woche in Washington mit der Syriza-Regierung scheiterten zunächst –, doch die aufgezählten Gewerkschaften – siehe oben! – wehren sich gegen Zugeständnisse in diesem Bereich. Und Tsipras? Die Syriza-Regierung?

Sie äußert sich vielstimmig, scheint aber bereit zu sein, auf diese weiteren Austeritätsforderungen einzugehen. Tsipras teilte im Fernsehen mit, daß er diese Ziele für erreichbar halte. Regierungssprecherin Olga Gerovacili hingegen bezweifelte die Notwendigkeit erneuter Sparmaßnahmen und forderte, wie der IWF, einen Schuldenschnitt. Vizeministerpräsident Giannis Dragasakis, der Mentor von Tsipras, betonte, daß „jede Maßnahme über die bereits vereinbarten hinaus politische Probleme bereitet“. Wörtlich, auf einer Veranstaltung zum Thema „Gläubigermemorandum – Linke – fortschrittliche Regierungsführung“: „Es ist nur die halbe Wahrheit, dass die Krise bereits vor der Verabschiedung der aktuellen Forderungen der Geldgeber existiert habe . Die andere Hälfte ist, dass die Gläubigermemoranden die Krise vertieft haben. Sie waren eine Fehler.“

Interessant, beschämend und entlarvend ist dabei ein weiteres Mal, über alles Sachliche hinaus, mit welchem Beschönigungsgefasel Wolfgang Schäuble all diese verheerenden Probleme für Griechenland in Erträglichkeiten und Machbarkeiten umzulügen versucht: Zwar sei der „Umbau des Rentensystems“ ein „politisch schwieriges Thema“, so der bundesdeutsche Finanzminister zum Existenzvernichtungsprogramm per Rentenabbau – es sei also nur „Umbau“, was in Wahrheit „Abbau“ ist, nur „politisch schwierig“, was in Wahrheit die betroffenen Griechen verrecken ließe! –, aber diese „Reformanstrengungen“, so Schäuble, seien realisierbar: „Griechenland muß mehr tun und kann mehr tun.“ Man fasst es nicht: Ein weiteres Mal wird von diesem Politiker Problemlösung suggeriert, wo in Wahrheit Zerstörung durchgesetzt werden soll, wird Killerpolitik als „Reformanstrengung“ verkauft.

Da hört es sich fast schon wie ein Wahrheitseingeständnis an, wenn IWF-Vertreter kürzlich davon sprachen, daß die Ziele aus dem Juli des letzten Jahres nur unter „heroischen Opfern Griechenlands“ realisiert werden könnten. „Unter heroischen Opfern“? Da hört man wenigstens ein bißchen mit, daß es sich bei alledem eher um ein Schlachtfeld handelt als um Politik. „Heroismus“ und „Opfer“ seien erforderlich, wo eigentlich doch „Hilfs-“ und „Rettungspolitik“ betrieben werden soll? Nun, vielleicht hatten die IWF-Vertreter beim Ausplaudern dieser Wahrheit ja nur einen schlechten Tag, und sie hatten ihre Presseauskünfte nicht vorher zum Friseur geschickt oder in den Kosmetik-Salon! Jedenfalls verdient dieser Satz, festgehalten zu werden in der Geschichte des derzeitigen, derart kaputtverhandelten Griechenlands.

Womit ich auch, wieder einmal, bei unseren obligaten Schlußhinweisen bin:

Unser Konto, auf das Ihr unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ spenden könnt:

Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger

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