Immer noch «Erwartungsstarre» – und zwei weitere Protestaktionen

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72. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ “All we are saying is ‘Give Greace a Chance!'” Man sich diesen Appell sehr gut zur berühmten Melodie von John Lennon gesungen vorstellen. Monika Niesel hat auf www.openpetition.eu einen Aufruf in diesem Sinn verfasst. Wer möchte, kann ihn unterschreiben. Dies sollte aber nicht im Sinne der Manipulationsvokabel “Chancengerechtigkeit” verstanden werden. Meint: “Wir geben den Griechen jetzt mal eine Chance, und wenn die die nicht nutzen und weiter über ihre Verhältnisse leben, sind sie für ihren Absturz ins Elend selbst verantwortlich.” Mit solchen Deutungen entziehen sich die politischen Täter – allen voran der “Iron Gentleman” Wolfgang Schäuble – nur zu gern ihrer realen Verantwortung. Die HdS-Leserschaft hat zum Glück in der vergangenen Woche wieder mit reichlichen Spenden dagegengehalten.

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

Ihr erinnert Euch: in der letzten Woche sprach ich von der „Erwartungsstarre“, in der sich Griechenland befände. Grund: allerfrühestens am 15. Juni soll bei einem Treffen der griechischen Regierung mit der sogenannten „Euro-Gruppe“ entschieden werden, ob das Land zur Tilgung alter Schulden bis Mitte Juli des Jahres rund 7,5 Milliarden Euro an neuen Krediten von Seiten der Euro-Staaten bekommt. Und endgültig beschlossen darüber wird dann auf einem „EU-Gipfel“ – ebenfalls mit Griechenland – am 22. Juni in Brüssel. Staatsbankrott oder Bedienung von Altkrediten durch Neukredite? Niemand weiß bisher, was diesem gepeinigten Land in den nächsten Wochen blüht!

Alexis Tsipras fordert seit Wochen von den sogenannten „Geberländern“ Erleichterungen beim Schuldendienst: entweder partiellen Schuldenerlass oder zumindest Absenkung von Zins- und Tilgungsbeträgen durch Verlängern der Rückzahlungsfrist. Athen habe seinen Teil der Vereinbarungen erfüllt, so Tsipras, es müsse nun eine „saubere Lösung für die Schulden her“. Und mit Vertragserfüllung seitens Griechenlands meint der griechische Ministerpräsident jene Beschlüsse, die vom Athener Parlament am 28. Mai verabschiedet worden sind. Mehrfach berichtete ich über diesen Drangsalierungskatalog: weitere Steuererhöhungen und Absenkung des Steuerfreibetrages, weitere Rentenkürzungen und „Privatisierungen“ von Staatsbetrieben, weiterer Abbau von Arbeitnehmerrechten und Abgabenschutz für die Superreichen, für die Reeder, in diesem Land. Doch Wolfgang Schäuble „sträubt sich“ nach wie vor, so die „Griechenland-Zeitung“ vom gestrigen Tage. Und der IWF, unter seiner Chefin Christine Lagarde, will immer noch nicht mit „ins Boot“, um sich zu beteiligen an den Neukrediten für Griechenland.

Deswegen tröstet auch wenig, dass Hellas im ersten Quartal 2017 beim Bruttoinlandsprodukt, dem BIP, ein leichtes Plus von 0,4 Prozent erreichen konnte (die griechische Statistikbehörde ELSTAT hatte noch im Mai ein Minus von 0,5 Prozent vorausgesagt). Schließlich waren als Wachstumsziel fürs Gesamtjahr 2017 einmal 2,7 Prozent angegeben worden, was inzwischen kleinlaut zurückkorrigiert wurde auf maximal 1,8 Prozent. Und selbst an dieser Wachstumsziffer sind Zweifel erlaubt, und dessen Realisierung brächte keineswegs Erleichterungen mit sich für die verarmten und zu großen Teilen verelendeten Menschen in Griechenland. Zur Erinnerung: deren Zahl liegt bei mindestens 2,2 Millionen im gesamten Inselstaat, wahrscheinlicher jedoch bei 3,8 Millionen, so der griechische Professor Athanassios Iannis von der Universität Leipzig. Auch dieses wurde hier schon mehrfach mitgeteilt. So oder so: mehr als beredte Stagnation kennzeichnete auch in der vergangenen Woche die Lage in Griechenland nicht.

Um so wichtiger erscheint mir daher, auf zwei Aktionen hinzuweisen, die dem kaputtreglementierten Griechenland von außen her helfen sollen, auf zwei Aktionen, bei denen auch wir mitmachen können und die, einmal mehr, auch die politische Dimension unserer Hilfe in den Mittelpunkt rücken.

Aktion Nummer eins: nochmals erhielt ich die Bitte, hinzuweisen auf eine europaweite Aktion, die sich gegen die Privatisierung – sprich: profitorientierte Kommerzialisierung! – der Wasserversorgung in Griechenland wendet. Schon vor Wochen rief ich zur Teilnahme an dieser Protestaktion auf. Und erfolglos waren Appelle wie diese in der Bundesrepublik nicht. Rund 139.000 Unterschriften sind bislang zusammengekommen, aber bis zur Abgabe der Unterschriftenlisten in Brüssel am 21. Juni soll mindestens noch die Teilnehmerzahl von 150.000 überschritten werden. Ich schließe mich gerne dieser Forderung an, teile auch den Wunsch der OrganisatorInnen, dieser Protestaktion noch mehr Rückhalt zu verschaffen, und gebe hiermit nochmals beide Links bzw. Webadressen an, wo auch Ihr die Petitionen unterschreiben könnt:

https://you.wemove.eu/campaigns/stop-water-privatization,

campact.org/wasserprivatisierung_stoppen

Übrigens wird diese Aktion auch vom Bündnis der Griechenlandhelfer im deutschsprachigen Raum unterstützt, von der „Griechenlandsolidarität“, dessen Mitglied auch wir seit kurzem sind.

Was nun die zweite Aktion betrifft, auf die ich hinweisen will, sind vielleicht ein paar Vorbemerkungen erforderlich.

Über „www.openpetition.eu“ hat eine Monika Niesel gebeten, einen Brief von ihr an die Bundesregierung zu unterzeichnen, mit dem Titel „Give Greece A Chance – Before It’s Too Late!“ (= „Gib Griechenland eine Chance – bevor es zu spät ist!“). Ich zitiere im Folgenden vollständig das Schreiben der Initiatorin aus Münster, ich gebe auch anschließend den Link zur Website an, wo Ihr gegebenenfalls Eure Unterschrift leisten könnt. Ich sehe mich verpflichtet zu diesem Hinweis, schlicht aus Gründen der Solidarität, die nicht außerkraft gesetzt werden soll lediglich deshalb, weil ich nicht mit allem in diesem Offenen Brief einverstanden bin. Aber formulieren möchte ich meine Einwände gleichwohl. Und es mag dann jeder von Euch selber entscheiden, ob er diesem Aufruf zur Unterschrift folgen will oder nicht.

• Da ist, im dritten Absatz bereits, von irgendwelchen „Maßnahmen“ die Rede, die Alexis Tsipras und Euklidis Tsakalotos (der griechische Finanzminister) den europäischen Finanzministern „abgetrotzt“ hätten, von Maßnahmen, „die die schlimme Lage für viele wenigstens punktuell“ verbessert hätten. Tut mir leid, aber von solchen Teilsiegen der griechischen Verhandler gegenüber den Eurostaaten ist mir nichts bekannt.

• Da ist, des weiteren, im gleichen Absatz noch, von „Reformen“ die Rede, „die auf soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung“ abzielten. Auch bei dieser Aussage weiß ich nicht, wovon die Briefautorin spricht.

• Da wird schließlich, dies als mein letzter Punkt, zwei Absätze später davon gesprochen, dass durch die erneuten Rentenkürzungen in Griechenland „Menschen an der Armutsgrenze“ lebten. Diese Aussage halte ich für vollkommen falsch. Millionen von Griechinnen und Griechen leben seit längerem schon – verursacht durch die bestialische Eurostaaten-Politik gegenüber Griechenland – zumindest in der Armut, nicht nur an irgendeiner „Grenze“ zu ihr, und viele von diesen Menschen leben sogar in einer viel schlimmeren Situation als nur in „Armut“, sie leben im Elend weit unterhalb dessen, was noch als „Armut“ bezeichnet werden könnte. Und „Armut“ stellte, in Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit der davon Betroffenen, nachgerade eine Beschönigung dar, einen Verniedlichungsbegriff! Nicht zuletzt jedoch und noch einmal betont: dieses ist schon seit Jahren der Skandal, nicht erst seit den „erneuten Rentenkürzungen“, wie Monika Niesel aus mir unbegreifbaren Gründen schreibt. Mir ist demzufolge unerfindlich, warum die Autorin glaubte, das furchtbare Elend in Griechenland derart furchtbar bagatellisieren zu müssen. Gleichwohl ist der Grundtenor ihres Schreibens richtig, und ich möchte mich keinesfalls, mit dieser meiner Beurteilung, zwischen Euch und diese Bittschrift stellen. Hier also der Link zu der Website, auf der Ihr diese Petition unterschreiben könnt:

https://www.openpetition.eu/petition/online/give-greece-a-chance-before-its-too-late

Und hier das Schreiben selbst (wie gesagt: in vollem Wortlaut):

„Sehr verehrte Damen und Herren,
als die griechische SYRIZA 2015 die Regierungsgeschäfte übernahm, übernahm sie ein marodes, von Korruption und Steuerflucht zerfressenes Land in einem Zustand, zu dem die Vorgängerregierungen ihren erheblichen Beitrag geleistet hatten.
Die anhaltende griechische Tragödie begann damit, dass deutsche und französische Banken und ihre reichen KundInnen gerettet wurden – auf Kosten der griechischen Bevölkerung. Vor allem die Bundesregierung erzwingt soziale Brutalitäten und den Abfluss von Ressourcen aus Griechenland.
Nun ist es an der Zeit, dass die deutsche Regierung und das deutsche Finanzministerium JETZT anerkennen, dass Alexis Tsipras, Efklidis Tsakalotos u. a. den EU-Finanzministern Maßnahmen abgetrotzt haben, die die schlimme Lage für viele wenigstens punktuell verbessern; die die Reichen und Steuerflüchtigen zur Verantwortung ziehen; die Reformen einleiten, die auf soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung abzielen.
Anstatt die Linke Regierung in Griechenland zu untergraben, sollte sie in diesem Bemühen unterstützt werden. Am 25. Mai 2017 versicherte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Rom dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, dass die Sozialcharta der EU auch für Griechenland gelte. Das Benehmen Deutschlands gegenüber unserem Nachbarland lässt jedoch andere Schlüsse zu.
Durch erneute Rentenkürzungen leben Menschen an der Armutsgrenze. Durch wiederholte Skandale, in die auch deutsche Firmen (siehe u.a. Novartis) verwickelt sind, liegt das griechische Gesundheitswesen am Boden. Die staatliche Betreibergesellschaft Fraport hat die 14 besten griechischen Flughäfen privatisiert, anstatt den sanierungsbedürftigen aufzuhelfen. Der Wiedereinführung von Tarifverhandlungen werden Steine in den Weg gelegt.
Es ist höchste Zeit, dass das reichste Land der Europäischen Union seiner besonderen Fürsorgepflicht gegenüber Griechenland nachkommt. Hierzu sehen wir Deutschland auch vor dem geschichtlichen Hintergrund (Nazi-Gräueltaten in Griechenland zwischen 1941 und 1944; Londoner Schuldenkonferenz von 1952) in der Pflicht.
• Wir fordern in der Eurogruppen-Sitzung vom 15. Juni 2017 einen verbindlichen Beschluss über Schuldenerleichterungen für Griechenland – unter realistischen Annahmen über die weitere Wirtschaftsentwicklung und nicht erst nach der Bundestagswahl.
• Wir fordern Sie auf, die Unionsfraktion und den Deutschen Bundestag auf diese Schuldenerleichterungen vorzubereiten.
• Wir sprechen uns gegen jegliche Vorschläge aus, die eine endgültige Entscheidung in dieser Hinsicht hinauszögern.
• Wir fordern Sie auf, die internationale Öffentlichkeit zu respektieren, die weiß, dass Griechenland seine Pflichten und sogar auch die Forderungen des IWF erfüllt hat.
• Wir fordern Sie, Herr Schäuble, namentlich auf, von einer Wahlkampagne auf Kosten Griechenlands und von nicht haltbaren Vorwürfen, Premierminister Alexis Tsipras setze die Reformen auf dem Rücken der Ärmsten und Schwächsten der griechischen Gesellschaft um, abzusehen.
• Wir fordern Sie auf, davon abzusehen, Stimmung gegen neue Griechenland-Hilfen zu machen, mit denen das Land doch nur seine alten Schulden abzahlen muss und die es nicht für den Aufbau eines Sozialstaates und für dringend notwendige Investitionen zur Verfügung hat. Wir beziehen uns hier im Besonderen auf ein Papier des BFM, in dem die Kosten von Schuldenerleichterungen durchgespielt werden und die sich auf bis zu 123 Mrd. Euro belaufen sollen, was einem neuen Hilfskredit gleichkäme.
• Außerdem fordern wir namentlich Sie, Herr Dr. Matthias Döpfner, als Vorsitzenden des Axel-Springer-Verlages, auf, die Pressehetze gegen Griechenland, derer sich vor allem die BILD-Zeitung in einer beispiellosen Dreistigkeit bedient, zu unterlassen. In der im März 2016 von der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Studie wird deutlich, dass u.a. Ihr Verlag daran beteiligt ist, die objektive Berichterstattung über die schwierige Krisensituation in Griechenland durch Meinungsmache in Höhe von mindestens 60% zu ersetzen.
• Schließlich bitten wir Sie, Herr Theodoros Daskarolis, sich von Berlin aus für die Interessen Ihres Landes im oben genannten Sinne mit Nachdruck einzusetzen und die Geschehnisse rund um die kommende Eurogruppensitzung aufmerksam zu beobachten.
Mit freundlichen Grüßen der Unterzeichnenden.
Begründung:
Das Handeln der deutschen Bundesregierung, vor allem des deutschen Finanzministers, verstößt gegen die Menschlichkeit. Die Situation in Griechenland ist für die Menschen kaum noch zu ertragen. Ich und meine vielen griechischen und deutschen Freunde können das nicht mehr mit ansehen!
Es geht nicht um Banken und Profit, es geht um die Menschen!
Im Namen aller Unterzeichner/innen.
Münster, 05.06.2017 (aktiv bis 11.06.2017)“

Mir verbleibt heute nur noch die Aufgabe, Euch auf die Spendenresultate der letzten Woche hinzuweisen. Nun, ich denke, wir alle können wieder einmal sehr dankbar sein!
In der Woche davor – Ihr erinnert Euch vielleicht – gingen, überwiesen von 5 SpenderInnen, 155,- Euro auf unserem Hilfskonto ein. Während der vergangenen sieben Tage schnellte der Spendenbetrag auf 1.590,- Euro empor, und diesesmal waren 20 UnterstützerInnen an diesem Ergebnis beteiligt. Ich danke allen Spendern und Spenderinnen sehr, wobei ich Herrn J. S., der immerhin 250,- Euro an uns überwies, vor allem danken möchte für die Begründung seiner Spende: Anlass für ihn war Konstantin Weckers Geburtstag am 1. Juni gewesen. Was mich zu der Anregung veranlasst: könnte Konstantin Wecker nicht öfters seinen 70. Geburtstag feiern? – Ich hätte, wahrlich, nichts dagegen. 😉

Und damit zu meinen obligaten Schlusshinweisen:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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