«Lieber Herr Draghi»

 In Monika Herz
Er war's diesmal nicht, Mario Draghi war's.

Er war’s diesmal nicht, Mario Draghi war’s.

“Super Mario” Draghi hat angekündigt, künftig 60 Milliarden Euro aus dem Nichts zu erschaffen. Bei so viel Macht ist er eine echte Konkurrenz für Gott den Vater, der ja auch das Universum aus dem Nichts geschaffen haben soll. In einer Welt, in der es hinten und vorn an Geld fehlt, ist das eine gute Nachricht, sollte man meinen. Aber wo geht das Geld hin – wirklich dorthin, wo es am nötigsten gebraucht wird? Monika Herz stellt ein paar verzwickte und nachdenkenswerte Fragen. Und sie hat auch einen Vorschlag, wem Draghi das Geld vererben könnte: ihr.

Lieber Herr Draghi,

mit großer Verwunderung habe ich gehört, dass Sie Ihren Zauberstab nutzen werden, um ab sofort jeden Monat 60 Milliarden Euro aus dem Hut zu zaubern. Was so eine Zentralbank nicht alles kann! Geld zaubern! Wow! 60 Milliarden! Monat für Monat! Das würde ich auch gerne können. Einfach so, zur Rettung des Abendlandes, jeden Monat 60 Milliarden aus der Quelle der Geldschöpfung heraussprudeln lassen. Und zwar einfach nur, weil ich Monika Herz heiße.

Leider funktioniert der Trick ja nur, wenn man Draghi heißt und direkt an der Quelle sitzt. Geldhahn auf – Geldhahn zu: Draghi kann das. Cool.

Irgendwie ist es ja schon komisch, dass Sie niemanden fragen müssen, ob Sie das eigentlich auch dürfen oder sollen. Sie stellen sich einfach hin, lächeln und verkünden: „Ab heute sind jeden Monat 60 Milliarden Euro mehr im Spiel!“

Also, ich finde das nicht nur komisch, sondern auch irgendwie befremdlich! Denn ich bin ja eine der Spielfiguren, mit denen dieses Spiel gespielt wird. Ich finde, Sie hätten mich schon vorher fragen können, ob mir das auch recht ist. Schließlich muss ich in dem Spiel weiterspielen, ob mir nun passt oder nicht, was Sie da herumzaubern.

60 Milliarden. Kommt das Geld eigentlich bei mir auch an? Oder wo fließt es denn hin? So weit ich verstanden habe, zaubern Sie das Geld aus dem Hut und gehen dann damit bei den Staaten einkaufen. Sie kaufen damit Schulden bei den Staaten.

Also meine Schulden. Denn ich bin ja der Staat. Oder wollen Sie das bestreiten? Wenn Sie schon so freundlich sind und mir meine Schulden abkaufen, mit Geld, das vorher nicht da war, bin ich dann eigentlich wenigstens meine Schulden los? Oder habe ich danach noch mehr Schulden als zuvor? So wie ich Sie kenne, ist meine Vermutung, dass ich danach noch mehr Schulden hab als zuvor, obwohl Sie mir doch meine Schulden abgekauft haben.

Würden Sie mir das bitte mal erklären? Warum es am Ende immer so ausgeht, dass ich, die Spielfigur in diesem Spiel, immer noch mehr Schulden hab? Nein, weil ich das eh nicht verstehen würde?

Also, bis dahin habe ich doch alles wunderbar verstanden: Sie zaubern Geld aus dem Hut und kaufen damit Staatsschulden. Schulden sind Geld, das man nicht hat. Wenn man als Staat also etwas verkauft, was man gar nicht hat, dann ist das so, als würde ich ein Auto verkaufen, das ich gar nicht habe. Wenn ich meinem Nachbarn ein Auto verkaufe, das ich gar nicht habe, und mein Nachbar gäbe mir dafür 1000 Euro, dann würde doch mein Nachbar mit Recht verlangen, dass ich ihm die 1000 Euro zurückgebe. Wenn ich aber das Geld inzwischen ausgegeben hab, weil ich ja eben kein Geld hab, sondern bloß Schulden, dann habe ich, nachdem Sie mich gerettet haben, noch mehr Schulden.

Nun erzählen Sie mir bitte bloß nicht, mit Geld wäre das anders als mit Autos. Wenn Sie mit Ihrem neuen Geld daherkommen und mir mein Geld damit abkaufen, das ich gar nicht habe, weil es ja eben Schulden sind, dann wollen Sie doch bestimmt ihr Geld wieder zurück, wenn Sie dann merken, dass ich Ihnen nichts weiter als heiße Luft verkauft hatte.

In Ihrem Spiel ist es ja gerade so, dass die Euros, die Sie mir da aufdrängen, damit ich Ihnen meine Schulden (also mein nicht vorhandenes Geld) dafür gebe, sofort wieder weiterreichen soll. Und zwar an „die Wirtschaft“. Wer ist denn nun das – „Die Wirtschaft“. Also das bin nicht ich. Sonst würde ich ja Ihr Geld in der Hand halten. „Die Wirtschaft“ – das sind nach meinen Recherchen ein paar Spielfiguren, die auch im Spiel sind. Komischerweise schaffen diese Figuren es immer, dass bei ihnen immer das ganze Geld landet. Besonders „die Finanzwirtschaft“. Diese Figuren, die nehmen dann das Geld, gehen damit in die Spielcasinos und dort, in den Casinos, wird dann so gespielt, dass das ganze viele schöne Geld letztlich bei etwa 100 Spielfiguren landet. Das ist jetzt weltweit gedacht. 100 von etwa 7 Milliarden Figuren! Also wenn Sie die nagelneuen Scheinchen direkt an die Weltbevölkerung überweisen wollten, dann würden leider nur noch 8,50 Euro pro Person und Monat dabei rauskommen. Aber so mancher würde sich darüber doch freuen.

Sie aber, lieber Herr Draghi, Sie spielen das Spiel lieber mehr indirekt und zwar so, dass dann am Ende die 100 Leute das wunderschöne neue Geld in der Hand halten. Das wären dann doch stolze 600 Millionen jeden Monat. 60 Milliarden geteilt durch 100 Personen ergibt 600 Millionen. Jeden Monat. Größere Summen machen einfach mehr Spaß! Also denen, die solche Sümmchen haben. Natürlich kriegen die 100 Spielfiguren das viele neue Geld nicht sofort, sondern über ein paar Umwege und ein bisschen später. Nach zwei Jahren kann man dann im Reichtumsbericht von oxfam nachlesen, dass die Reichen noch reicher geworden sind. Und die Allerreichsten sind immer am allerreichsten geworden. Kein Wunder, dass die Champagnerkorken nur so knallten, als Sie da in Davos Ihren Auftritt hatten und so hübsch dabei lächelten. Bezahlen die Sie eigentlich dafür? Entschuldigung, die Frage hat sich jetzt einfach so aufgedrängt. Natürlich will ich Sie nicht der Bestechung zeihen. Als ehemaliger Goldmann-Sachs-Mann sind Sie natürlich über jeden Zweifel erhaben. Aber fragen darf man ja, oder?

Also mir wollten Sie die 60 Milliarden nicht zufällig überweisen? Jeden Monat bitte, als Dauerauftrag! Da wäre ich durchaus einverstanden.

Wissen Sie, was ich dann machen würde? Ich würde das Geld schön verteilen. Auf diese Spielfiguren, die sonst immer nut die A.-Karte kriegen. Das sind in unserem Fall 338,6 Millionen Menschen, die den Euro als Zahlungsmittel akzeptieren. 60 Milliarden geteilt durch 338,6 Millionen ergibt – Moment bitte – 177,20 Euro pro Nase. Für jedes Kind, für jeden Arbeitslosen, für jeden Studenten, Rentnerin, egal was jemand ist oder macht: 177,20 Euro extra obendrauf. Jeden Monat. Kleines Grundeinkommen. Wer es nicht haben will, soll es in einen Sozialfonds geben, da findet sich immer jemand, der es dann schon brauchen kann.

Das wäre doch mal was! Damit wäre mal ausnahmsweise nicht „der Wirtschaft“ oder gar „der Finanz-Wirtschaft“ geholfen, sondern den Menschen. Und indirekt wäre auch der Wirtschaft geholfen, und zwar der sog. „Real-Wirtschaft“, zum Beispiel meinem Naturkosthändler.

Wissen Sie, „die Wirtschaft“, die ist mir echt nicht mehr ganz geheuer. Die kassiert z.B. in Deutschland 81 Milliarden an Subventionen, also geschenktes Geld, damit sie weiterhin funktionieren kann und damit dann auch wieder Steuergelder in die Staatskasse zurückfließen. Wenn ich aber genauer hinschaue, dann sehe ich, dass „die Wirtschaft“ alles zusammengerechnet gerade mal eben so viel Steuern zahlt, wie sie vorher geschenkt bekommen hat. „Die Wirtschaft“ zahlt also gar keine Steuern. Und das ist auch noch ganz legal so. Komisch, dass mein Naturkosthändler von den Subventionen so gar nichts sieht! Und komisch, dass die Massentierhalter so viel von den Subventionen nachgeworfen kriegen, dass es sich betriebswirtschaftlich rechnet, so ein armes Schwein zuerst zu quälen, dann zu töten und schließlich in der Müllverbrennungsanlage zu entsorgen. Weil das nämlich immer noch Gewinn bringt. Wegen der Subventionen. Aber das ist jetzt wieder ein anderes Thema.

Jedenfalls: Ich und mein Naturkosthändler, wir werden nicht subventioniert und es kauft uns auch niemand unsere Schulden ab. Bloß Steuern, die zahlen wir immer. Jedes Jahr. Ganz brav. Also langsam geht mir das echt auf den Keks.

Deshalb finde ich, sollten Sie auf meinen guten Rat hören: Überweisen Sie mir die 60 Milliarden jeden Monat auf mein Konto und glauben Sie mir, dass ich dann schon das Richtige mache. Ich soll Ihnen ja schließlich auch glauben, dass Sie das Richtige machen. Vertrauen gegen Vertrauen! Ich versichere Ihnen, dass ich dafür sorge, dass das Geld dann dort ankommt, wo es hingehört. Und wo ist das? Nein, leider falsch, nicht bei „der Finanz-Wirtschaft“. Sondern? Richtig! Bei den Menschen.

Mit freundlichen Grüßen

Quellen:

http://www.oxfam.de/presse/140120-globale-ungleichheit-untergraebt-demokratie

http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/bilder/subvent.png

http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2013/07/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-2-steuereinnahmen-von-bund-laendern-gemeinden-haushaltsjahr-2012.html#doc300880bodyText2

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