Pazifismus: das Loslassen von Feindbildern

 In Ellen Diederich, Friedenspolitik
Fasia Jansen, Liedermacherin und Friedensaktivistin

Fasia Jansen, Liedermacherin und Friedensaktivistin

Es war einmal – die Friedensbewegung. Liest man Ellen Diederichs Erfahrungsbericht, überwiegend aus den 80er-Jahren, so erscheint er einem wie aus einer anderen Zeit. Wie viel Herzblut war da, wie viele kreative Ideen, wie viel Mut und Hoffnung! Wenn uns die Herrschenden Feindbilder einreden wollen, so das Motto der Friedensaktivistinnen, ist es am besten, mit den “Feinden” persönlich zu reden. Dann zeigt sich schon bald, dass es Menschen sind wie wir, tun sich Wege der Verständigung auf. Mit dem Kosovo- und Afghanistan-Krieg schien sich ein Rollback des Bellizismus anzudeuten, gipfelnd im nunmehr losgetretenen “Kalten Krieg 2.0”. Waren alle Bemühungen der Friedensaktivistinnen umsonst? Es liegt an uns, ihre Arbeit und zu würdigen und von ihnen für die Gegenwart zu lernen.

In den letzten Wochen bin ich manchmal unsicher, was die Friedensaktionen, an denen wir in den letzten 50 Jahren beteiligt waren, bewirken konnten.

Wie viele Anstrengungen haben wir unternommen, um die Feindbilder während des Ost-West Konfliktes abzubauen! Bei den Weltfrauenkonferenzen haben wir Orte organisiert, wo Frauen aus so genannten Feindesländern in den Dialog kommen konnten. Frauen, deren Länder in heißen oder kalten Kriegen miteinander verstrickt waren und teilweise bis heute sind, wie Palästina-Israel, Iran-Irak, USA-Sowjetunion, Vertreterinnen des ANC und der südafrikanischen Regierung, über die Atombombenversuche Frankreichs und den USA auf Mururoa und dem Bikini Atoll im Südpazifik und andere. Die Atombomben wurden ja nicht in Washington, London, Paris, Moskau getestet, sondern immer auf dem Land von UreinwohnerInnen der Kontinente, deren Gebiete offensichtlich verseucht werden dürfen.

Während der Weltfrauenkonferenz in Nairobi bei all diesen Gesprächen stellten wir fest, dass viele Feindbilder daher kommen, dass wir uns zu wenig kennen. Also entschieden wir uns nach der Konferenz, dahin zu fahren, wo „die Feinde“ leben. Von uns aus waren es, im Kontext aller Propaganda, die Länder der Warschauer Vertragsstaaten. Wir bekamen einen Friedensbus durch Genevieve Vaughan von der Frauenfriedensstiftung „Foundation for a compassionate society“ aus Austin/Texas, USA, geschenkt und fuhren ab 1987 mit ihm und dem Schwesterbus in den USA insgesamt an die 250.000 km durch Europa und USA. Die Reise ging, auch vor dem Fall der Mauer, durch Ost und West. Der Bus in den USA war umgebaut zu einem „Museum, das Atomzeitalter zu beenden“. Unser Bus war von den Düsseldorfer Wandmalern wunderbar gestaltet. Wir wollten sehen, wie leben die Menschen in den Ländern, die man uns zum Feindesland erklärt hatte. Wir wurden von dort eingeladen, zu kommen und zu sehen.

Fasia Jansen und ich waren zwei der Koordinatorinnen des Friedenszeltes bei der UN Frauenkonferenz in Nairobi. So hatten wir die Gelegenheit, viele Frauen aus Ost und West kennen zu lernen. Frauen, die sich seit Jahrzehnten in ihren Ländern für Frieden einsetzten. Frauen wie Angela Davis aus den USA, Margharita Papandreou aus Griechenland, Dame Nita Barrow aus Barbados (die Präsidentin der Frauenkonferenz), Bella Abzug – New Yorks Bella! (Andy Warhol) – aus USA, Valentina Tereskowa, sie war die Leiterin der sowjetischen Delegation, die erste Frau im Weltraum. Sie war für die Länder des realen Sozialismus, („wo alles real ist, nur nicht der Sozialismus“ Rudi Dutschke) so etwas wie das große Vorbild für Frauen, dass wir als Frauen alles erreichen können. Valentina wurde spätestens seit der Weltfriedenskonferenz in Prag, an der wir uns unter der Bedingung beteiligt hatten, dass wir dort ein Frauenzentrum machen können, zu einem Fan unserer Friedensarbeit.

Wir waren unkonventionell, spontan, wussten über Vieles Bescheid und hatten hier unendlich viele Friedensaktionen gemacht.
„Sie haben Solidarität nie mit Abstand geübt. Sie haben die Nähe der Betroffenen gesucht. Ob das nun die Stahlarbeiter in Rheinhausen und ihre Frauen waren, die Mütter der Verschwundenen in El Salvador oder Betroffene in Atomtestgebieten in Nevada. (…) Auf diesem Weg haben sie sich keinen Konventionen unterworfen und sich in keine Hierarchie eingefügt. Sie haben Grenzen überschritten und durchbrochen und dabei – auch gegen den Willen der Herrschenden – immer wieder den praktischen Dialog zwischen Menschen gefördert. Sie haben das Treffen von Frauen aus ‘Feindesländern’ initiiert, um gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und eine Basis für Frieden zu schaffen.“ (OB Drescher bei der Verleihung einer Auszeichnung)

Bei einem Empfang in der sowjetischen Botschaft während der Frauenkonferenz in Nairobi, waren wir eingeladen. Valentina Tereskowa als Delegationsleiterin der sowjetischen Delegation, vergaß das Protokoll, als sie uns sah, lief runter vom Roten Teppich, begrüßte uns freudig und stürmisch. Ihre Mitarbeiterin bat gleichzeitig: „Bitte heute keine Aktionen!“ Die Delegationsleiterin der US Delegation nach Nairobi war Maureen Reagan, die Tochter von Ronald Reagan. Sie war auch zu dem Empfang eingeladen. So ganz konnten wir uns nicht an Valentinas Bitte halten. Seit Jahrzehnten mit Krieg und Frieden befasst, war uns die Rolle der USA in all diesen Zusammenhängen mehr als deutlich. Sei es die Entwicklung von ABC Waffen, seien es Unterstützungen von Militärdiktaturen.

Während des Krieges war ich in El Salvador, nahm unzählige Berichte von Folteropfern auf. Die USA unterstützten diesen grauenvollen Krieg täglich mit mehr als 1 Million Dollar Waffenhilfe. In der „School of the Americas“ (heute heißt sie „Western Hemisphere Institute for Security Cooperation“), einer Einrichtung der US Armee in Fort Benning, Georgia, wurden etwa sechzigtausend Männer aus Lateinamerika, teilweise für die Contras gegen die Befreiungsbewegungen in Mittel- und Südamerika, zum Töten und Foltern ausgebildet. (Siehe den Film: „Die Mörderschule“, ausgestrahlt vom WDR.) Folterpraktiken in und aus den USA sind nicht erst seit Abu Ghraib offizielle Praxis.

Aus diesen Erfahrungen heraus war es uns immer wichtig, auch in den USA Friedensarbeit zu machen. Es gibt so viele US-AmerikanerInnen, mit denen wir uns in den Bemühungen für Frieden einig sind. Die Informationspolitik in den USA allerdings ist lange Jahre katastrophal gewesen. Durch die Möglichkeiten des Internets hat sich zum Glück einiges verändert.

Unsere zentralen Themen bei den Weltfrauenkonferenzen waren der Hunger, Frieden, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte als Frauenrechte, Umweltprobleme und die Anstrengungen, Feindbilder abzubauen. Hierzu waren genaue Analysen der Hintergründe immer wieder aufflammender Konflikte und Kriegshandlungen notwendig.

Wir arbeiteten intensiv mit dem Komitee der „Mütter der Verschwundenen, Oscar Romero“ aus El Salvador zusammen. Die Mütter wählten wie die in Argentinien von der Plaza del Mayo, den Satz: „Lebendig habt ihr sie genommen, lebendig wollen wir sie zurück“ als Leitmotiv für ihre Arbeit. Sie fragten nach den Verschwundenen, Entführten, waren mutig, gingen trotz aller Repression auf die Straße, um ihre Forderungen öffentlich zu machen. (Einige von ihnen wurden ermordet).

Das Komitee erhielt für seine Arbeit den Menschenrechtspreis der Robert Kennedy Stiftung. Die Reagan Regierung verweigerte dreien der Mütter, die den Preis in Empfang nehmen wollten, das Einreisevisum in die USA. Ich arbeitete zu der Zeit im Friedenszentrum in Washington D.C. Wir bereiteten Aktionen gegen die Wiederwahl von Ronald Reagan vor. Zusammen mit 2 Frauen vom Institute for Policy Studies, (IPS), Sissy Farenthold (ehemaligen Kandidatin für den Posten der Vizepräsidentin der USA für die Demokraten, heute entschiedene Kritikerin der US Politik) und Isabel Letellier (Witwe von Orlanda Letellier, Außenminister unter Allende in Chile, ermordet in Washington D.C. durch den chilenischen Geheimdienst mit Hilfe der CIA). Weiter war Genevieve Vaughan von der „Foundation for a compassionate society“ beteiligt. Wir beschlossen, die Salvadorianerinnen nach Europa zu bringen. Wir wollten hier über die Lage in El Salvador die Öffentlichkeit informieren, um so u.a. die Informationen auch zurück in die USA zu bringen.

Ich organisierte die Fahrt. Mit drei Frauen aus dem Komitee fuhren wir durch 9 westeuropäische Länder, trafen Mme. Mitterand in Paris, Frau Papandreou in Athen, Dolores Ibarruri, die Pasionaria, in Madrid, Coretta Scott King war gerade in Stockholm, wir konnten sie dort treffen. ParlamentarierInnen in nationalen Parlamenten und dem Europaparlament empfingen uns, Bischöfe, Willy Brandt. In Rom schliefen wir im Gästehaus der Kommunistischen Partei, in Paris in einem Kloster. Die Frauen sprachen vor der Menschenrechtskommission der UNO in Genf. Wir besuchten unendlich viele Solidaritätsgruppen.

Es war uns klar, dass die Frauen hoch gefährdet waren, wenn sie nach El Salvador zurückgingen. So schickten wir eine hochrangige Delegation aus ParlamentarierInnen, Gewerkschaftsvorsitzenden, KirchenvertreterInnen mit ihnen zurück. Dennoch wurden sie bestraft. Annas vierjährige Tochter wurde mit Absicht von einem Militär-LKW angefahren. Laura wurde von den Todesschwadronen geholt, gefoltert, vergewaltigt, danach ins Gefängnis gebracht. Wir organisierten Protestnoten aus vielen Ländern. Laura kam frei und floh mit zweien ihrer Kinder über Mexiko in die USA, wo sie als Illegale unter großen Schwierigkeiten weiter versuchte, über El Salvador zu informieren.

“Von West über Ost nach West, die Frauen Europas wollen Frieden!”, war der Titel, den wir der Tour mit dem Friedensbus gaben. Die Busfahrt durch Europa, um Feindbilder abzubauen, begann in Greenham Common, der britischen Basis südwestlich von London, wo Cruise Missiles stationiert waren. Hier leisteten Frauen bereits seit 6 Jahren Widerstand gegen die Stationierung. Wir fuhren auf der Route des 2. Weltkrieges, sahen das Anne Frank Haus in Amsterdam, besuchten ehemalige Konzentrationslager, Ravensbrück, Theresienstadt, Auschwitz, trafen die letzten Überlebenden des Dorfes Lidice, wo die Nazis alle Männer über 14 Jahren ermorden ließen, die Kinder und Frauen nach Ravensbrück deportieren. Wir sahen Chattyn, das Symbol für hunderte durch die Nazis zerstörte Dörfer in der Sowjetunion, sprachen mit ehemaligen Widerstandskämpferinnen, Partisaninnen und Frauen von heute, die wie wir gegen die Atomgefahr in Ost und West kämpften. Wir trafen uns mit Friedensgruppen, offiziellen VertreterInnen von Städten und Ländern, Wissenschaftlerinnen aus der Atomindustrie und hatten heftige Auseinandersetzungen. Je weiter wir nach Osten kamen, umso deprimierender waren die Spuren der Vernichtung durch die Deutschen.

Und dennoch: Wir erfuhren Freundlichkeit, Interesse und viele bewegende Begegnungen. Auf dem langen Weg durch die Ukraine ging ein Reifen des Busses kaputt. Weit und breit keine Reparaturwerkstatt. Ein Trupp Straßenbauarbeiter kam, zu zehnt wuchteten sie den Bus seitwärts hoch, und der Reifen konnte gewechselt werden. Bei einer Werkstatt in Kiew wurde der kaputte Reifen repariert. Als wir bezahlen wollten, sagten uns die Arbeiter: „Nein, keine Bezahlung. Ihr seid für Frieden unterwegs!“ Wir hörten und sahen, wie tief die Erfahrungen des 2. Weltkrieges im Bewusstsein der Menschen in diesen Ländern bis heute vorhanden sind. Wir sahen Schulen, Arbeitsplätze, Wohnungen, unser Bild vom Alltagsleben der „normalen Menschen“, ihren Hoffnungen und Wünschen, ließen die Feindbilder sich sehr schnell auflösen.

In Deutschland und anderen europäischen Ländern gingen in den achtziger Jahren Millionen Menschen gegen die Stationierung von US-amerikanischen und sowjetischen Atomraketen auf die Straße. Wie froh waren wir, als die ersten vorsichtigen Verhandlungen zwischen Ost und West begannen. Menschen wie Willy Brandt, Günther Gaus, Egon Bahr waren, gegen den massiven Widerstand konservativer Kräfte aus der Bundesrepublik, federführend beteiligt. Parallel dazu gab es Friedensinitiativen auf beiden Seiten. Eine permanente Initiative von Frauen aus allen Nato- und Ländern des Warschauer Paktes traf sich zu Friedensgesprächen in Prag, in Bulgarien, in dem damaligen Leningrad.

Gorbatschow und die Internationale Demokratische Frauenföderation (der Zusammenschluss von Frauen aus den Warschauer Pakt Staaten, den Befreiungsbewegungen und linken Gruppen aus dem Westen) luden etwa 3.000 Frauen aus der ganzen Welt zu Friedensgesprächen in den Kreml ein. Zum ersten Mal in der langen Geschichte des Kremls waren so viele Frauen dort. Groß war die Hoffnung auch auf die Gipfeltreffen zwischen den USA und der Sowjetunion über Abrüstung von Atomwaffen und anderen Grausamkeiten. Endlich wollte man anfangen, miteinander zu sprechen.

Zu den Gipfeltreffen bildete sich eine weltweite Fraueninitiative: „Women for a meaningful summit.“ Es waren Parlamentarierinnen, Friedensaktivistinnen, einig in ihrem Zorn darüber, dass bei diesen Friedensverhandlungen kein Mensch mit dunkler Hautfarbe, keine Frauen, also mehr als 3/4 der Menschheit nicht beteiligt war. Wir fuhren zu all diesen Gipfeltreffen nach Genf, nach Reykjavik, nach Malta, nach Washington, um die Friedensvorschläge der Frauen in die Verhandlungen einzubringen. Gorbatschow und Schewardnadse empfingen die Frauen, Reagan und Bush schickten bestenfalls Unterstaatssekretäre. Wenn man sich die Vorschläge der Frauen heute betrachtet, so waren sie wesentlich weit reichender als alles das, was dort verhandelt wurde.

Etwa 3.000 km sind wir zu Fuß gelaufen von Kopenhagen nach Paris, von Berlin nach Wien, von Dortmund nach Brüssel. Die Initiatorinnen dieser Frauenfriedensmärsche (von Frauen initiiert, Männer und Kinder waren eingeladen, mitzumachen) kamen aus Skandinavien. Wenn wir hier demonstrierten, wurde uns oft gesagt: „Geht doch nach drüben und demonstriert da!“ Also gingen die Skandinavierinnen auch von Stockholm über Moskau nach Minsk, im Jahr drauf von New York nach Washington, um gegen den Irrsinn der atomaren Rüstung zu protestieren. Mit jedem Stadtparlament entlang der Routen haben wir gesprochen und gefordert: Macht eure Stadt zur atomfreien Zone.

Unendlich viele Blockadeaktionen vor Stationierungsorten, vor Atomtestgebieten, vor Kasernen, vor dem Hauptquartier der Nato in Brüssel, vor der Hardthöhe in Bonn und an vielen anderen Orten haben wir gemacht. Der Hardthöhe übergaben wir kleine Säcke mit Sand gefüllt. „Das ist der Sand, den Ihr uns jahrelang in die Augen gestreut habt! Wir bringen ihn zurück!“ sagten wir. Die Säckchen wurden dort erst mal labortechnisch untersucht, ob sie auch frei von Strahlung wären.

In Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit waren wir weiter als heute. Hatten wir eine große Demonstration, dann konnten am Abend Petra Kelly, Heinrich Böll und andere in der Tagesschau sprechen, Udo Lindenberg, Harry Belafonte, Fasia, die Bots und andere SängerInnen singen und unsere Ziele deutlich machen. Die Feindbilder kamen nach und nach ins Wanken. Die Öffnung der Mauer in Berlin war ein folgerichtiges Ergebnis.

Zwischendurch engagierten wir uns gegen die „Troubles“ in Nordirland. Das war ein widerlicher Krieg, der das längst notwendige Ende der Kolonialkriege immer noch hinausschob. Die Straßen von Derry sind eng. Saßen wir im Frauenzentrum, kurvten die Panzer immer wieder herum, so nah, daß wir fürchteten, sie würden die Fensterscheiben zerbrechen. Und dennoch: Selten habe ich so viel gelacht wie in Belfast und Derry. Ein spezieller Humor zeichnet die Iren dort aus. Hinzu kommen die wunderschönen Landschaften, die den Irrsinn des Krieges umso skurriler erscheinen lassen. Die großen Balladen beschreiben mit viel Gefühl und Herzblut die Geschichte und die Lage der einfachen Leute und ihren Widerstand.

Dann kam der Bosnien-Krieg. Die ersten vier Wochen rotierten wir wie die Wahnsinnigen ohne Pause mit dem Gefühl: Das müssen wir stoppen. Wir konnten nicht glauben, dass in den neunziger Jahren des 20sten Jahrhunderts ein solcher Krieg in Europa wieder möglich wurde. Wir sind während des Krieges hin und her gefahren, um Hilfsaktionen, vor allem auch für die vergewaltigten und traumatisierten Frauen, zu organisieren.

Zur nächsten Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 fuhren u.a. 240 Frauen aus 40 Ländern drei Wochen lang von Helsinki bis Peking. Wir trafen uns in 9 Ländern entlang der Route, um uns ein Bild von der Lebenswirklichkeit von Frauen zu machen. Die Reise begann am 6. August, dem Jahrestag von Hiroshima. Explizit wandten wir uns gegen alle Atombombenversuche überall auf der Welt. In allen Ländern, durch die wir fuhren, Finnland, Russland, Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Kasachstan, wurde der Zug mit Begeisterung empfangen. Nur in China nicht. China zündete in diesen Tagen einen neuen Versuch im chinesischen Atomtestgebiet in Lop Nor. Die Chinesen befürchteten offensichtlich, dass wir in China öffentlich gegen die Atomtests protestieren könnten. Ab chinesischer Grenze war der Zug streng bewacht und abgeschirmt.

Die beste Tradition für mich, die Deutschland je hatte, war die nach dem Zweiten Weltkrieg: Die überwiegende Mehrheit der Menschen hatte das „Nie wieder Krieg“ tief verinnerlicht. Seit die Schröder/Fischer Regierung ja zu neuen Kriegseinsätzen gesagt hat, weicht etwas auf. Menschen standen und stehen an der Spitze des Verteidigungsministeriums, die keine Kriegserfahrungen mehr haben und offensichtlich keine Phantasie, sich vorzustellen, was Krieg bedeutet. Seit 1945 gab es nicht so viel dummes Geplapper über Kriegseinsätze wie in den letzten Jahren.

Sei es Herr Gauck mit seiner Belobigung der Bundeswehr, er nennt die Bundeswehrsoldaten: „Mutbürger in Uniform“. „Gewalt, auch militärische Gewalt wird immer ein Übel bleiben, aber sie kann notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden“, sagte er in einer Rede vor der Bundeswehr in Hamburg. Frau von der Leyen, möchte die Bundeswehr familienfreundlicher haben. „Es sollen bessere Lösungen für Soldaten mit Familie und Kindern gefunden und mehr Respekt vor dem SoldatInnenberuf in der Öffentlichkeit hergestellt werden“, sagte sie in einer ihrer ersten Statements.

Beim EU-Ratsgipfel im Dezember 2013 wurde von Baroness Catherine Ashton, Beauftragte der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, folgendes vorgeschlagen: “Es ist wichtig, der Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass Fragen der Sicherheit und Verteidigung heute von Bedeutung sind und sie für ihren künftigen Wohlstand wichtig sein werden, auch wenn unsere Bürger nicht notwendigerweise immer eine unmittelbare äußere Gefahr sehen müssen. Die Staats- und Regierungschefs sind genau die richtigen, um diese Botschaft einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln und wir sollten diese Gelegenheit nicht verpassen.” (S. 13) In dieses Bild passt Frau von der Leyen hervorragend.

Im Konflikt um die Ukraine werden alte Feindbilder wieder aktiviert, das „Reich des Bösen“, das wir überwunden glaubten, entsteht in den Kommentaren wieder auf. Dieses Mal ist es hoch gefährlich und die Berichterstattung noch widerlicher als zu Beginn des Irak Krieges, als die Medien fast alle nachplapperten, Hussein habe ein Arsenal der schrecklichsten Massenvernichtungswaffen angehäuft. Manchmal überkommt es mich zurzeit, das Radio aus dem Fenster zu werfen! Fernsehnachrichten kann ich außer ab und zu auf Arte nicht mehr sehen.

Objektive Berichterstattung? Wohl kaum.

Wie hat Fasia immer gesagt? „Arbeiten, kämpfen, berichten und singen, alles müssen wir selber machen!“

Liebe und Frieden
Ellen Diederich

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