Wächst Widerstand in Griechenland?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Yannis Varoufakis

103. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Anarchisten stürmen das griechische Finanzministerium. Bauern bereiten aus Protest gegen Zwangsversteigerungen Straßenblockaden vor. Und Ex-Finanzminister Varoufakis gründet eine neue, nun endlich vielleicht wirklich linke Partei. Endlich auch ein paar gute Nachrichten aus dem gebeutelten Hellas. Ob es nur Tropfen auf einen heißen Stein sind oder Zündfunken für etwas Größeres, wird sich zeigen. Unsere Hilfsaktion jedenfalls geht im Februar in eine neue Runde. (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
die gute Nachricht vorweg: wenn unser “Außenteamer” Karl-Heinz Apel mit seiner Ehefrau Ursula demnächst, im Monat Februar noch, erneut zu einer Hilfsfahrt nach Griechenland aufbrechen wird, dann werden ihm genügend Gelder für die von ihm betreuten Menschen und Institutionen zur Verfügung stehen. Nicht zu vergessen dabei: auch dieses Mal wieder wird Karl-Heinz Apel mit eigenen, mit zusätzlichen Hilfsmitteln die Reise nach Griechenland antreten können. Als Apotheker akquiriert er immer wieder auch auf eigene Faust Hilfsmaterialien für Ärzte und Krankenhäuser auf dem Peloponnes: Verbandsstoffe etwa, sogenannte „Operations-Sets“ und anderes mehr. Die Stationen, die er unter anderem ansteuern wird: Katherina K. in Piräus, die immer noch auf ihre zweite Transplantation warten muss – ich berichtete mehrfach darüber -, das Krankenhaus in Neapolis, die Arztpraxis schließlich in Kyparissi sowie den Pfarrer dort, der in unserem Namen Hilfsgelder an die Armen in seiner Gemeinde verteilt. Insgesamt über 5.000,- Euro stehen uns für alle diese Zwecke zur Verfügung, dank Eurer beharrlichen Hilfe. Und trotz der Tatsache, dass während der letzten sieben Tage “nur” 179,31 Euro, überwiesen von 4 SpenderInnen an uns, auf unserem Konto eingegangen sind – in der Vorwoche waren es 270,- Euro gewesen (von lediglich 2 UnterstützerInnen) –, unsere Hilfsaktion zeigt auch weiterhin eine bemerkenswerte Stetigkeit! Erneut danke ich deshalb allen SpenderInnen sehr. Und bin sicher, dass in der kommenden Woche – typisch für den Monatsbeginn, zu dem jedesmal zahlreiche Dauerspenden an uns überwiesen werden – erneut eine erheblich höhere Geldsumme bei uns eingehen wird.

Kaum Gutes hingegen ist aus Griechenland selber zu berichten bzw. über die sogenannte „große“ Politik, die Griechenland seit vielen Jahren klein hält. Zwar holte sich der griechische Finanzminister Evklidis Tsakalotos am vergangenen Montag, am 22. Januar, sehr viel Begeisterung und Lob beim derzeitigen Chef der sogenannten „Euro-Gruppe“ in Brüssel ab, beim Portugiesen Mario Centeno. „Die Nachrichten aus Griechenland sind gut“, hieß es da, und – man höre und staune! – Griechenland habe „die Gerechtigkeit und Effizienz der Sozialsysteme verbessert“ – blanker Zynismus angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Sozialsysteme in Griechenland! Aber Centeno fügte gleichzeitig warnend hinzu, dass es mit der Überwachung des Finanzwesens in Griechenland durch die Euro-Staaten kein Ende haben werde, wenn das augenblickliche „Hilfsprogramm“ Westeuropas ausgelaufen sein wird. Die gerademal 6,7 Milliarden Euro, die derzeit kurz vor der Auszahlung stehen – Neukredite, die kaum einem anderen Zweck dienen werden, als Altschulden der Griechen an europäische Banken zurückzahlen zu können, bei hohem Zinssatz “natürlich” –, diese Gnadenvergabe darf unter anderem als Lohn betrachtet werden dafür, dass die griechische Politik beflissen weitermacht mit den „Privatisierungen“. Centeno hat diesen allmählich immer weiter voranschreitenden Kolonialisierungsprozess Griechenlands so ausgedrückt, am Beispiel des Verscherbelns des griechischen Energieversorgers DEI, bis dato in Staatsbesitz: „… mit der Öffnung des Energiemarktes werde das geschäftliche Umfeld noch günstiger“ (Griechenland-Zeitung GZ vom 24. Januar dieses Jahres). Tja, günstiger für wen? Und was bitte heißt hier: „geschäftliches Umfeld“? Und nicht zuletzt, denn auch dieses schrieb der Vorsitzende der „Eurogruppe“ dem griechischen Finanzminister Tsakalotos ins Stammbuch: dass Hellas weiterhin verpflichtet sei, pro Jahr einen Überschuss von 3,5 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu erwirtschaften – ein Ziel, das selbst die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, stets für weit überzogen gehalten hat, nein, mehr noch: für unrealisierbar!

Kaum verwunderlich deshalb, dass der Syriza-Regierung gleich von mehreren Seiten aus der Wind ins Gesicht bläst, und zwar in Griechenland selbst:
• So plant der Vorgänger von Eklidis Tsakalotos im Amt des Finanzministers, Yanis Varoufakis, die Gründung einer neuen Partei in Griechenland – und zwar genau dieser verheerenden Finanzpolitik wegen. Tsakalotos (den Varoufakis einstmals sehr schätzte) sei zum reinen „Yes-Man“, zum bloßen „Jasager“ mutiert, so Varoufakis in einem aktuellen Interview. Und zum Thema „3,5 Prozent Primärüberschuss“ steuert Varoufakis gleich die entsprechende Anekdote aus dem Jahre 2015 bei. Als Tsipras, in der denkwürdigen Brüsseler Nacht vom 12. auf den 13. Juli 2015, dieser Forderung der Euro-Staaten zugestimmt habe, soll sich unmittelbar danach der folgende Wortwechsel abgespielt haben zwischen Regierungschef und seinem Finanzminister. Varoufakis zu Tsipras: „Ja, bist Du denn ein völliger Idiot? – Was hast Du denn als Gegenleistung bekommen?“. Darauf Tsipras: „Ach, dann habe ich also eine Dummheit begangen? Ok, dann nehmen wir das zurück.“ – Nun: „zurückgenommen“ wurde gar nichts, stattdessen „zurückgetreten“! Konkret: Yanis Varoufakis verlor sein Amt als Finanzminister bzw. gab, voller Verzweiflung, sein Amt auf. Und vielleicht ist es die schlechteste Neuigkeit nicht, dass Varoufakis, nach Gründung des europaweiten Bündnisses DiEM25 (= für die Demokratisierung Europas; die Abkürzung DiEM25 steht für „Democracy in Europe Movement 2025“), nunmehr auch in Griechenland selber wieder antreten will gegen diese Politik der Zerstörung Griechenlands.

• Des weiteren, so die Ankündigungen, stehen Straßenblockaden und Protestaktionen der griechischen Bauern bevor. Sie wollen sich wehren gegen den Anstieg der Versicherungsbeträge und gegen die Zwangsversteigerungen von Grundbesitz (auch darüber berichtete ich bereits mehrfach in den vorangegangenen Artikeln zu unserer Hilfsaktion). Alle Immobilien, so die Forderung der Bauern, deren Wert unter der Grenze von 300.000,- Euro läge, sollten geschützt werden vor diesem Zwangsenteignungsprozess. Außerdem sollten alle Einkommen unter 12.000,- Euro pro Jahr befreit bleiben von der Steuerpflicht. Motto: keine staatlich betriebene Zusatzverarmung jener, die eh schon als arm zu bezeichnen sind. Man darf gespannt sein, ob die ehemals oder angeblich sozialistische Regierung der Syriza erneut zum Knüppel greifen wird, um ihre Bürger Mores zu lehren.

• Und schließlich auch diese Unruhenachricht noch aus dem unruhigen Griechenland: Anarchisten stürmten am vorigen Mittwoch, am 17. Januar, das Finanzministerium in Athen, um Protest einzulegen gegen die am Montag davor beschlossenen „Multi-Gesetze“ zum weiteren Niedergang des Sozialstaates Griechenland. Die Gruppe „Rouvikonas“ (= „Rubikon“), bestehend aus 30 Personen, wandte sich dabei, in einer öffentlichen Erklärung, vor allem dagegen, dass sich die beschlossenen Maßnahmen „gegen die ärmsten gesellschaftlichen Schichten“ richten würden – ein wahrlich berechtigter Vorwurf (auch darüber habe ich bereits mehrfach berichtet). Die Aktivisten verteilten Flugblätter im Haus und verließen das Gebäude anschließend wieder, genauso friedlich, wie sie in das Ministeriums „eingedrungen“ waren. Doch der Oppositionsführer der Konservativen im Parlament, Herr Kyriakos Mitsoutakis, entblödete sich anschließend nicht, flugs einen Zusammenhang herzustellen mit der Entstehung einer „neuen Generation von Terroristen“ (GZ vom 24. Januar 2018).

Merke: wer sich auflehnt gegen die totale Zerstörung eines Sozialstaates schlechthin, wer aufbegehrt gegen eine immer brutaler sich durchsetzende Vernichtung von Humanität und Demokratie schlechthin, wer das alles tut, lediglich mit ein paar Flugblättern in der Hand, in einem öffentlichen Gebäude, von dem man meinen sollte, dass es irgendwie doch auch ein Platz der Öffentlichkeit ist, ein Platz für alle BürgerInnen mithin, der avanciert in der Logik dieses Herrn Mitsoutakis zum Angehörigen einer neuen Terroristengeneration, potentiell jedenfalls. Ich frage mich: hat der Herr noch alle Tassen im Schrank oder einen Sprung in der Schüssel? Tatsache jedenfalls ist: im Gebäude des Finanzministeriums ging nix zu Bruch, keine Schüssel, kein Tässchen, nichtmal irgendeine Glastür oder irgendein Fenster. Lediglich eines geschah (nach bundesdeutschem Recht jedenfalls): es wurde „Hausfriedensbruch“ begangen in einem Haus, das den Armen im Land den Krieg erklärt hat! Wir Achtundsechziger hatten ein passenderes Wort dafür: „Go-in“! Da kann ich nur sagen: „Bitte näherzutreten, die Herrschaften! Denn in einer Demokratie geht die Herrschaft immer noch vom Volke aus.“ Vielleicht sollte Herrn Mitsoutakis mal ein Angehöriger der CDU, der bundesdeutschen Schwesterpartei der griechischen Nea Dimokratia, deren Vorsitzender Herr Mitsoutakis ist, den betreffenden Abschnitt unseres Grundgesetzes, Artikel 20, zitieren: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“! „Rouvikovas“ jedenfalls überschritt mit dieser Aktion nicht den Rubikon, der die Demokratie vom Terrorismus trennt, ganz im Gegenteil: mit dieser friedlichen Protestdemonstration realisierten diese Anarchisten Demokratie – deutlichst im Unterschied zu dem, was mittlerweile die griechische Regierung so treibt!

Und damit, wie immer, zu meinen sonstigen Schlusshinweisen:
Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

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