Was ist Spiritualität (und was hat sie hier zu suchen)?

 In Roland Rottenfußer, Spiritualität
Hans-Peter Dürr: ein spiritueller Mensch "obwohl" Wissenschaftler

Hans-Peter Dürr: ein spiritueller Mensch “obwohl” Wissenschaftler

Spiritualität in einem politischen Webmagazin – es ist noch immer irritierend für viele, ein Ärgernis für einige. Manche Widerstände dagegen werden sich nicht vollständig ausräumen lassen – den Differenzen liegen schlicht unterschiedliche Überzeugungen und biografische Prägungen zugrunde. Einige Vorbehalte beruhen aber m.E. auf Missverständnissen, auf der Vermischung der Begriffe Spiritualität, Esoterik und Religion und auf einer vermeidbar rigiden „Entweder-Oder“-Haltung. Aufklärung kann vielleicht einiges zur Entschärfung des Konflikts beitrage – oder wenigstens zum Verständnis der „gegnerischen“ Weise zu denken und zu fühlen. (Roland Rottenfußer)

„Es löst bei mir inzwischen Widerwillen aus“, schreibt der Theologe Fulbert Steffensky in „Publik Forum“. Gemeint ist das ominöse Wort „Spiritualität“. Warum? „Weil es ein Wort ist, von dem ich nicht weiß, was sich dahinter versteckt und welche Interessen damit verbunden sind.“ Auch der Liedermacher und Essayist Prinz Chaos II., der sich zuvor unzählige Male zur Spiritualität bekannt hat, gab vor ein paar Wochen auf „Hinter den Schlagzeilen“ zu Protokoll: „Langsam nervt mich der Begriff mit seinem Beigeschmack von Hausfrauenesoterik und meditierenden Zahnärzten. Der Begriff nervt mich aufgrund seiner Unschärfe; in der Beliebigkeit seiner Bedeutungen.“ Auch im Leserkreis gab und gibt es höchst unterschiedliche Auffassungen darüber, was unter „Spiritualität“ zu verstehen ist und ob sie überhaupt in ein politisches Magazin gehört.

Ein Teil der Vorbehalte dagegen hängt sicher mit negativen biografischen Erfahrungen zusammen, die Spiritualitäts-Kritiker mit den organisierten Religionen gesammelt haben. Konstantin Wecker gehört zu denen, die in ihrer Schulzeit die Atemnot verursachende Wirkung kirchlicher Pädagogik zu spüren bekommen hatte. Er trat später aus der Kirche aus: „Ein strafender, Dogmen spuckender Übervater, der, wenn’s sein muss, auch mal Waffen segnen lässt und mit der Vatikanbank krumme Geschäfte macht – das kann es doch nicht sein.“ Ich selbst bringe aus meiner biografischen Erfahrung mit der evangelisch-lutherischen Kirche keinerlei Traumatisierung mit, habe eher ein gutes Grundgefühl des Aufgehobenseins in Erinnerung. Das mag dazu beigetragen haben, dass ich mich auch anderen spirituellen Richtungen leicht und ohne Widerstand öffnen kann, etwa dem Sufismus oder Zen-Buddhismus. Dazu ist aber zu sagen: Spiritualität und Religion – oder gar Kirche – sind ganz und gar nicht dasselbe. Ich werde an anderer Stelle noch darauf zu sprechen kommen, ebenso wie auf die Unterscheidung „Esoterik – Spiritualität“, die ganz entscheidend für das Image der letzteren ist.

Spiritualität – historisch vorbelastet?

Vorab: „Hinter den Schlagzeilen“ hat nie für sich beansprucht, ein ausschließlich politisches Magazin zu sein – oder gar ein Sprachrohr linientreu linker Weltdeutung. Linke Positionen spielen bei der Einschätzung des aktuellen Weltgeschehens eine wichtige Rolle, wir lassen uns aber nicht auf sie „festnageln“ – speziell da unser Herausgeber sehr stark mit einen anarchischen Lebensgefühl liebäugelt. HdS sollte von Beginn an die vielleicht derzeit noch kleine Schnittmenge zwischen Politik, Kultur und Spiritualität „bespielen“. Es war sogar einmal im Gespräch, die drei Bereiche gleich zu gewichten. Dies erwies sich wegen fehlender akzeptabler Beiträge zu Spiritualität im Internet, die wir hätten verlinken können, jedoch als undurchführbar. So entstand vielleicht der Eindruck eines Webmagazins, das sich an Publikationen der Linken oder der noch ehrlichen Sozialdemokratie „anhängt“ – etwa „Neues Deutschland“, „Junge Welt“, „Nachdenkseiten“. Mit diesen verbindet uns gewisse einiges, aber auch nicht alles. Der besondere Fokus auf die Kultur (speziell: Liedermacherkultur), ein libertärer Individualismus, Unabhängigkeit von Parteistrukturen, aber vor allem auch das Thema „mystische, undogmatische Spiritualität“ unterscheidet uns von ansonsten vergleichbaren linken Publikationen.

Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch der Vorwurf geäußert, Spiritualität sei durch historische Gräuel negativ vorbelastet und insofern für anständige Menschen heute nicht mehr akzeptabel. Wer sich als spirituell outet, muss nach Meinung von Kritikern auch noch die Heilige Inquisition, den Ablasshandel, den islamischen Gottesstaat, Genitalverstümmelungen, die Thule-Gesellschaft und die rechte Esoterik eines Jan van Helsing auf sein Gewissen nehmen. Unfair ist dabei nicht nur, dass eine Teilmenge des Bereichs Spiritualität für das Ganze genommen wird; unfair ist es auch, wenn Kritiker – meist ja Sozialisten, gar Marxisten – implizit den Eindruck erwecken, ihre eigenen weltanschaulichen Grundlagen seien historisch unbelastet. Da es aber die Schattenseiten religiösen und spirituellen Empfindens (einige habe ich schon angedeutet) ohne Zweifel gibt, sind Wachsamkeit und Unterscheidungsvermögen angesagt. Selbst Wohlmeinende riskieren, sich in einem Dickicht aus Gedankenkonstruktionen und Glaubensvorstellungen zu verirren. Freilich gilt dies auch für das schlüpfrige Parkett der (linken) Politik, aber eben auch – und darum geht es in diesem Artikel – für die Spiritualität.

Spiritualität – ein paar Definitionsversuche

Die eingangs zitierten Statements von Fullbert Steffensky und Prinz Chaos II. zeigen eines ganz deutlich: Es besteht Bedarf, den Begriff „Spiritualität“ ordentlich zu definieren. Dabei stoße ich bereits im Vorfeld auf Grenzen, denn was immer ich, Konstantin Wecker oder Wikipedia zu diesem Thema zu sagen haben – es könnte sein, dass Ihnen der Aura-Soma-Fläschchen-Auspendler von nebenan schon morgen eine ganz andere Definition serviert.

Von der Wortbedeutung her ist die Sache relativ einfach: Lateinisch heißt „spiritus“ Geist oder Hauch. „Spiro“ heißt ich atme. Wikipedia ist schon insofern sehr nützlich, als das online-Lexikon sowohl den Begriffe „geistig“ als auch „geistlich“ auf Spiritualität bezieht. Dies unterscheidet von Anfang an zwei wichtige Zweige oder Bedeutungsschattierungen, analog zu der Unterscheidung zwischen den englischen Begriffen „mind“ (Verstand, Geist im weltlichen Sinn) und „spirit“ (der göttliche oder transzendente Geist). Ersterer ist individuell, letzterer ist kollektiv bzw. „transpersonal“. Der Spirit steht „hinter“ einer Person oder reicht über sie hinaus: der „göttliche“ Geist. Gegen Spiritualität als „Geistigkeit“ werden die Wenigsten etwas einzuwenden haben, gegen Spiritualität als „Göttlichkeit“ sehr wohl.

Ich befasse mich hier – obwohl oder gerade weil dies brisanter ist – nur mit der zweiten Deutung: „Geistlichkeit“ oder „göttlicher Geist“. Wikipedia definiert hierzu: „So umfasst Spiritualität auch eine besondere, nicht notwendig im konfessionellen Sinne verstandene religiöse Lebenseinstellung eines Menschen, die sich auf das transzendente oder immanente göttliche konzentriert bzw. auf das Prinzip der transzendenten, nicht-personalen letzten Wahrheit oder höchsten Wirklichkeit.“ Das klingt reichlich abgehoben. Grob gesagt bedeutet „transzendent“, dass sich Gott oder das Göttliche außerhalb der erfahrbaren Welt aufhalten. „Immanent“ meint, dass dieses Göttliche die erfahrbare Lebenswirklichkeit durchdringt, in ihr präsent ist. Ungefähr dasselbe also, was Rilke mit seinem schönen Vers sagt: „Durch alle Wesen reichte der eine Raum: Weltinnenraum.“ Das Wiki-Zitat deutet auch an, dass es eine Spiritualität ohne den Begriff eines persönlichen Gottes geben kann, welcher ja immer mit der Vorstellung naiver Gottesbilder oder gar eines „kosmischen Patriarchen“ verknüpft ist.

Spiritualität ohne Bart

Spiritualität ohne Bart kann sich auf ein überpersönliches „Göttliches“, auf eine „letzte Wahrheit oder höchste Wirklichkeit“ beziehen. Wobei die „letzte Wahrheit“ bei den durch Fundamentalismen Traumatisierten bereits eine berechtigte Abwehrreaktion hervorrufen wird. Die „letzte Wirklichkeit“ – buddhistisch auch „letztliche Wirklichkeit“, islamisch „Haqq“ – ruft vielleicht weniger Widerstände, dafür jedoch umso mehr Ratlosigkeit hervor. Gemeint ist ein schöpferischer Raum “hinter” jener vordergründigen Realität, die wir wahrnehmen. Ein Raum, aus dem alles, was ist, hervorgeht und in den alles zurückfließt. Was „das Göttliche“ betrifft, so muss man sich zu Recht fragen, ob es dieses ohne einen wie immer gearteten Gott geben kann. Das wäre wie Rauch ohne Feuer. Wir kommen hier aber schon einer schönen Definition nahe, die Konstantin Wecker in seinem Buch „Mönch und Krieger“ verwendet hat. Statt des „Göttlichen“ benutzt Wecker hier den Begriff des „Ewigen“. „Spirituell zu sein, bedeutet, eine Ahnung von etwas Ewigem zu spüren, das in einem wohnt – ungeachtet der Person, die man gern sein möchte und die die Gesellschaft aus einem zu machen versucht. Dieses Ewige, die Suche danach und die Fähigkeit, sich ihm manchmal hinzugeben, das ist für mich Spiritualität.“ Diese Aussage ist hilfreich, denn ich kann an dieser Stelle ohnehin nicht Spiritualität für alle verbindlich definieren. Lediglich so, wie wir sie auf „Hinter den Schlagzeilen“ verstehen.

Weitere Missverständnisse entspringen der Unklarheit über die Frage, ob Spiritualität ein Fachgebiet, eine menschliche Eigenschaft oder eine spezifische, von anderen unterschiedene Weltanschauung ist.

„Three shades of spirituality“

– Spiritualität als „Fachgebiet“ oder „Wissensgebiet“ – analog etwa zur Psychologie. Man könnte sagen, ein Magazin bearbeite die Gebiete Gesundheit, Lebenshilfe und Spiritualität. Es gibt zu diesen Themen Experten, die man befragen kann. Das Fachgebiet Spiritualität kann z.B. östliche Religionen wie Buddhismus und Hinduismus, geistiges und energetisches Heilen, Ayurveda und Tantra umfassen.

– Spiritualität als menschliche Eigenschaft. „Die Spiritualität“ eines Menschen“, das ist eine Ebene seiner Menschlichkeit. Analog kann man von der Sexualität eines Menschen sprechen. Es ist etwas, das jedem Menschen – ob er es will oder nicht – zukommt. Über die klassische Dreiteilung von Körper, Seele und Geist hinaus, markiert die Spiritualität eines Menschen seine Verbundenheit mit „Allem“ bzw. dem „Göttlichen“. Es ist der Bereich an ihm, der kollektiv, „transpersonal“ ist. Manche würden die Existenz einer solchen Ebene leugnen. Spirituelle Menschen argumentieren dagegen oft: „Wir sind spirituelle Wesen, die menschliche Erfahrungen machen“. Sie leugnen, dass Spiritualität überhaupt vom Menschen „abtrennbar“ sein könnte, weil diese ja sein innerstes So-Sein ausmacht, seinen Ursprung und seine Bestimmung. Diese Überzeugung ist problematisch, sobald man sie Andersgläubigen als verpflichtend aufoktroyieren möchte.

– Spiritualität als ein bestimmtes Weltbild, das den Vorrang des Geistigen vor dem Materiellen beinhaltet. Das Gegenteil wäre „Materialität“. Da dieses Wort nicht gebräuchlich ist, also „Materialismus“. Zugrunde liegt dem Konflikt natürlich die alte Geschichte, Marx habe Hegel „vom Kopf auf die Füße gestellt“. G.W.F. Hegel nahm einen „Weltgeist“ an, der sich dialektisch in Form von These und Antithese entfaltet. Dieser Geist hat bei ihm Vorrang vor allem Materiellem, liegt diesem zugrunde. Das Bewusstsein bestimmt das Sein. Marx machte daraus in der Umkehrung: „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Der Zusatz „gesellschaftlich“ ist dabei sehr entscheidend. Alle Kulturschöpfung (etwa Religion, Literatur und Presse) ist demnach eine sekundäre Erscheinung, ist „Überbau“ der herrschenden Produktionsverhältnisse (Beispiel: betont „arbeitgeberfreundliche“ Zeitungsartikel).

Sein oder Bewusstsein – das ist hier die Frage

Aus dieser interessanten Theorie, die ja den Blick für manchen tatsächlichen Missstand im Kulturbetrieb schärft, wurde jedoch das m.E. eher schädliche linke Klischee, ein „anständiger“ Sozialist müsse den Bereichen des Geistes, des Mystischen und Spirituellen gegenüber feindlich gesonnen sein, ja er habe seine gesamte „Innenwelt“ und die Verbundenheit mit dem Ganzen strikt zu leugnen. Dazu schreibt Friedrich Engels: “Der reale Humanismus hat in Deutschland keinen gefährlicheren Feind als den Spiritualismus oder den spekulativen Idealismus, der an die Stelle des wirklichen individuellen Menschen ‘das Selbstbewusstsein’ oder den ‘Geist’ setzt und mit dem Evangelisten lehrt: ‘Der Geist ist es, der da lebendig macht, das Fleisch ist kein Nütze.’ Es versteht sich, dass dieser fleischlose Geist nur in seiner Einbildung Geist hat.”

Zunächst ist es für mich als „Nachgeborenen“ verwunderlich, wie sich an und für sich richtige Beobachtungen zu solch dogmatischer Einseitigkeit versteigen konnten. Beeinflusst das Bewusstsein die materiellen Gegebenheiten, oder ist es eher umgekehrt? Der gesunde Menschenverstand sagt uns natürlich: sowohl als auch. Es besteht eine dynamische Wechselwirkung. Zudem beziehen sich die beiden „feindlichen“ Thesen auf zwei verschiedene Betrachtungsebenen. Die richtige Beobachtung, dass die ökonomischen und politischen Machtverhältnisse auch den „Geist“ einer Epoche prägen (heute z.B. in Form neoliberaler Kulturdominanz), bezieht sich auf unsere Alltagsrealität. Die Aussage, das Bewusstsein bestimme das Sein, meint viel umfassendere „kosmische“ Realitäten: die Weltschöpfung aus dem Geist. So erscheint es spirituellen Menschen nicht plausibel, dass Phänomene wie die Seele, das Gewissen, die Liebe, ja die gesamte Morphogenese (Formenentstehung) von Kristallen, Pflanzen, Tieren, Menschen einfach zufälligen Molekül-Kombinationen geschuldet sein könne. Der Plan des Architekten geht dem Hausbau voraus. Ebenso ist es logisch, dass allem, was materiell entsteht, ein geistiger Entwurf vorausgegangen sein könnte.

Freilich wurde diese Art von „Spiritualismus“ auch missbraucht: von Kreationisten etwa, die jede wissenschaftliche Evidenz mit Blick auf biblische Autorität vom Tisch wischen wollen. Oder von modernen Positivdenkern, die sich recht schamlos zum „Überbau“ zum Neoliberalismus gesellen, indem sie Verantwortung für materielle Not allein dem „Armutsbewusstsein“ des Notleidenden zuschreiben. Dies aber ist (hier) nicht mein Hauptthema.

Ein Versöhnungsversuch von H.-P. Dürr

Das Verhältnis zwischen Spiritualität und Naturwissenschaft ist zweifellos ein „gespanntes“. Im Hintergrund mahnt der Mythos von Galileo Galilei, der im Konflikt mit kirchlichem Dogmatismus für nicht Geringeres eintreten musste als die schlichte Anerkennung der Realität. Darf man aufgrund von Beweisen und empirischer Erkenntnis behaupten, dass ein anderer Himmelskörper (außer der Erde) über Monde verfügt, oder ist diese Aussage, weil im Widerspruch zur Bibel stehend, Ketzerei? Über solche Fragen muss man sich in Deutschland – abgesehen von gelegentlichen Diskussionen mit Zeugen Jehovas auf der Treppe – kaum mehr streiten. Der frühere Tyrannei des Glaubens ist heute aber teilweise eine Tyrannei des wissenschaftlichen und rationalistischen Denkens nachgefolgt – verstärkt übrigens durch das „Irrationalitätstrauma“, das Deutsche in Folge der Nazi-Diktatur erfahren haben. Dabei müssten sich Wissenschaft und Spiritualität nicht für immer feindlich gegenüber stehen. Hans-Peter Dürr der große verstorbene Wissenschaftler und Friedensaktivist, schrieb:

„Für mich als Naturwissenschaftler bedeutet Versöhnung, dass wir nicht auf das Spirituelle verzichten können. Das Spirituelle kommt ohne das naturwissenschaftliche Denken aus, aber nicht umgekehrt. Das heißt, das Spirituelle ist sozusagen das größere Holon, in dem die Naturwissenschaft eine Art Unterholon ist. Die Naturwissenschaft hat das Ohr der Welt, weil sie angesehen wird als etwas, was Macht gibt – und deshalb werden Naturwissenschaftler anerkannt. Aber die Naturwissenschaft, wenn sie eine Verbindung zur Religion findet, könnte auch die Tendenz zur Weisheit verstärken und nicht nur zur Macht. Wissen ist für mich nicht nur ein Mittel zur Macht, sondern auch zur Einsicht und zur Weisheit. Wir müssen unbedingt die spirituelle Komponente wieder in diese Welt bringen, sonst gehen wir einem unendlichen Leid entgegen. Ich fühle mich verantwortlich. Daher auch die Frage, inwieweit Religion ebenfalls eine neue Verantwortung in der Welt übernehmen muss, wenn es darum geht, etwas tun zu wollen“.

Der Raum der Möglichkeiten

Dürr definierte die Quelle der Realität einmal als „unauftrennbare Potentialität“, als einen Raum der Möglichkeiten, der in sich eine Einheit ist und keine Trennung kennt, einen „Raum“ dessen Wesen „Energie“ bzw. „Schwingung“ ist – Geist, wenn man so will. Spiritualität ist laut Dürr das „Große Ganze“, das allem zugrunde liegt und uns alle durchdringt – nicht also nur die ideologische Schlacke ungerechter ökonomischer Verhältnisse. Menschen, die sich selbst nicht als spirituell definieren, müssen sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Sie mag aber hilfreich sein, um zu verstehen, wie der ideologische „Gegner“ tickt. Wer sich dieser Definition von Spiritualität allerdings öffnet, wird sich kaum vorstellen können, die Spiritualität aus irgendeinem Bereich des privaten und öffentlichen Lebens auszuschließen (analog etwa zu dem Spruch der 68er: “Alles Private ist politisch”). Die Frage wäre dann nicht, warum wir Spiritualität in einem politischen Magazin zu thematisieren wagen, sondern, wie dies überhaupt zu vermeiden ist – angesichts des grundlegend spirituellen Charakters des Universums.

Die Versöhnung, von der Dürr im obigen Zitat spricht – ist sie auch im Verhältnis zwischen Spiritualität und (linker) politischer Aktion möglich? Bevor diese Frage beantwortet werden kann, sind ein einige Begriffsklärungen fällig.

(Nächste Woche lesen Sie auf „Hinter den Schlagzeilen“: Spiritualität, Religion, Esoterik, Mystik, Glauben – ein paar überfällige Begriffsklärungen)

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