Wie kommen wir weg vom Raubtierkapitalismus?

 In FEATURED, Wirtschaft
Hans Oette, links-engagierter Ökologe und Ökonom, von Hause aus Gymnasial- und Berufsschullehrer für Maschinenbau und Luftfahrttechnik, hat mit seinem Buch “Im Licht der Geldströme”, im Mail 2017 erschienen im Stuttgarter Verrai-Verlag, einen hochinteressanten Debattenbeitrag veröffentlicht: gehen die weltweiten Probleme in den Bereichen Soziales, Entwicklungshilfe, Umwelt und Wirtschaft usw. darauf zurück, daß der “internationale Finanzmarkt” die Herrschaft angetreten hat über den “globalisierten Gütermarkt”? Ließe sich der Raubtierkapitalismus” zähmen, wenn die Vormacht der Geldwirtschaft gebrochen würde? In seinem empfehlenswerten Buch stellt Hans Oette diese Fragen zur Diskussion, und wir stellen seine Thesen zur Diskussion anhand eines Textes von ihm, der in Kurzform seine grundsätzlichen Überlegungen präsentiert (Text: Hans Oette, Vorspann: Holdger Platta).

“Die Gedanken sind frei.“  Das Lied mit diesem Titel erinnert daran, dass in manchen Zeiten die Gedankenfreiheit die einzige Freiheit war. Der Freiheitsdrang der Völker hat den Despotismus in den meisten Ländern besiegt. Es ist aber noch nicht alles in Ordnung. Warum stimmte in England die Bevölkerung für den Brexit? Warum kamen in Frankreich alle Parteien, die bisher das Sagen hatten, unter die Räder? In den USA wurde ein Präsident gewählt, der versprach, alles Bisherige in den Mülleimer zu werfen. Selbst im Paradies Deutschland verloren die Parteien der großen Koalition massiv an Stimmen.

Viele Menschen haben Probleme, weil ihnen das Geld nicht reicht. Und wer zu denen gehört, die genug Geld haben, sollte trotzdem unzufrieden sein. Wegen der (dauerhaften oder zeitlich begrenzten) Kinderarmut in Deutschland von 30 Prozent fordert die aktuelle Armutsstudie der Bertelsmann-Stiftung (!) eine radikale Reform der deutschen Sozialpolitik und eine neue steuerfinanzierte Leistung für Kinder. Auch die noch viel größere Armut in andern Ländern, die zu Flüchtlingsströmen führt, darf uns nicht egal sein.

Einst war die soziale Marktwirtschaft das deutsche Erfolgsrezept. Da gaben die Unternehmen und Aktionäre einen angemessenen Teil ihrer Einkünfte über Steuern wieder ab. Das stärkte die Massenkaufkraft und die staatliche Nachfrage, was wiederum den Unternehmen zugute kam. Der Geldkreislauf war geschlossen und die Wirtschaft stabil. Auch Präsident Roosevelt führte die USA so aus der Weltwirtschaftskrise. Der Liberalismus behauptet zwar, dass die Ersparnisse der Reichen zu Investitionen und Wirtschaftswachstum werden. Tatsächlich investiert man aber nur, wenn die neu zu schaffenden Kapazitäten auch gebraucht werden. Daher kann der Staat in einem Land, das keinen Kontakt mit andern Ländern hat, eine Wirtschaftskrise vermeiden, indem er durch Steuern die Überschüsse der Reichen abschöpft.

Die unregulierte Globalisierung, vergleichbar mit einem unregulierten Straßenverkehr, entzog jedoch der sozialen Marktwirtschaft den Boden. Sie schaffte nämlich Anreize für niedrige Steuern und niedrige Löhne, also für Sozialabbau. Die Gründe:

  1. Es können jetzt große Unternehmen ihre Produktion oder ihren Sitz in Steueroasen und Niedriglohnländer verlagern. Länder mit angemessenen Steuersätzen und Löhnen werden damit durch Kapitalflucht bestraft. Das ist der Einfluss der internationalen Finanzmärkte.
  2. Auch der Weltmarkt belohnt Länder mit niedrigen Steuern und Löhnen, weil man damit einen Exportüberschuss erzielen oder den Importüberschuss abbauen kann. Auf dem Weltmarkt sind also die Länder die Verlierer, die angemessene Steuern erheben, weil deren Unternehmen nicht so konkurrenzfähig sind. Und unterentwickelte Länder.

Das gab dem liberalen Credo scheinbar Recht, Steuern seien Gift für die Wirtschaft. Und es führte unter den Ländern zu einem Steuersenkungs-Wettbewerb für Kapitalerträge und Konzerne. Es wurden aber mit dieser Methode die Probleme nicht gelöst, sondern die wirtschaftlich stärkeren und unsozialeren Länder schoben sie in andere Länder ab.

Man ist in die Globalisierungsfalle getappt. Es entstanden Sachzwänge, die in einen Raubtierkapitalismus führen. Die soziale Spaltung innerhalb der Länder und zwischen den Ländern wuchs. Es entstand ungeheurer Reichtum, aber auch hohe Arbeitslosigkeit, Hungerlöhne und Chaos in vielen Ländern. Und internationale Schuldentürme, die das Bankensystem bedrohen. Ein Zusammenbruch wird gegenwärtig nur mit Maßnahmen wie der Geldschwemme durch die EZB (die Europäische Zentralbank) verhindert. Die Umwelt aber schlägt bereits fast täglich irgendwo auf der Erde zurück, am meisten in den armen Ländern. Die Umwelt wird zerstört, weil jedes Land die eigene Wirtschaft hätschelt, um ihre Konkurrenzfähigkeit zu steigern.

Die neoliberale Politik, die sich am Weltmarkt und an den internationalen Finanzmärkten orientiert, ist dabei, die Welt in den Abgrund zu stürzen. Durchblick und Verantwortungsbewusstsein müssen an ihre Stelle treten. Wir benötigen so etwas wie eine globale soziale und ökologische Marktwirtschaft. Die bisher gescheiterte Finanztransaktionssteuer wäre ein Schritt in diese Richtung. Ländergemeinschaften wie die EU sollten unter sich Regeln für fairen Handel und fairen Kapitalverkehr einführen. Wirtschaftliche Großmächte wie Deutschland könnten ohne Schaden vorangehen und  erst einmal darauf verzichten, die Marktmechanismen rigoros (zu Gunsten einer Minderheit im Land) auszunützen. Geschädigte Länder können durch Außenhandelsschranken und Kapitalverkehrskontrollen dem Despotismus der Märkte tschüs sagen.

Wie nationales und internationales wirtschaftliches Gleichgewicht herzustellen ist, versuche ich in meinem Buch ‘Im Licht der Geldströme’ darzustellen, das im Mai 2017 im Verrai-Verlag in Stuttgart erschienen ist (273 Seiten, € 15,90).

Das folgende Bild aus diesem Buch zeigt die Geldströme / Verschuldungsströme in einer modernen Volkswirtschaft. Was Probleme macht, sind die Ersparnisse der Reichen. Wie das Bild zeigt, können sie in Form von Investitionen zum Produktionsapparat zurückkehren (und damit im Geldkreislauf bleiben). Aber auch durch Besteuerung, durch Staatsverschuldung und durch Sponsoring und Spenden. Weiterhin dadurch, dass sich Menschen verschulden und das geliehene Geld ausgeben. Die Ersparnisse können auch (über Buchungen) den Importüberschuss des Auslands finanzieren, was zu dessen Verschuldung führt. Sie können last not least die Volkswirtschaft verlassen, was durch das Aggregat ‘Geldvorräte’ angedeutet ist. Sie können z. B. auf die internationalen Finanzmärkte entweichen.

Ich freue mich, dass ich Ihnen / euch das mitteilen konnte. Ich wende mich, zusammen mit dem Verrai-Verlag, an einflussreiche Stellen und bitte sie, den Inhalt des Buches zur Kenntnis zu nehmen und wenn möglich weiter zu verbreiten. Rezensionen in Zeitungen oder Fachzeitschriften gab es anscheinend noch nicht. Die Medien tun sich offenbar schwer damit, da das Buch aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Es ist, wie wenn du ein Zebra auf dem Pferdemarkt verkaufen willst.

Doch das Volk ist der Souverän. Wenn es Hybridautos statt Spritfressern kauft, werden sie auch produziert. Wenn das Volk Wirtschaftskompetenz hat, wird sich die Wirtschaftspolitik zum Besseren wenden. Wir müssen fest verwurzelte Irrtümer beseitigen, wie einst den, die Erde wäre eine Scheibe. Alles Neue beginnt in den Köpfen der Menschen. Die Gedanken sind frei.

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen