Zur jahrzehntelangen Bösartigkeit der deutschen Politik gegenüber Griechenland

 In Holdger Platta, Über diese Seite

84. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ “Hilfe” – das Wort würde normalerweise andeuten, dass der Helfende freiwillig auf Geld verzichtet, dass dem Hilfsbedürftigen dann zugute kommt; was ist aber von einer Hilfe zu halten, bei der sich der Spender quasi auf Kosten des Spendenempfängers bereichert? Klingt absurd, unmöglich gar – ist aber europäische Realität. Finanzieller Hauptprofiteur der so genannten “Griechenlandhilfe” der EU ist – ratet! – dieses unser einig Vaterland Deutschland. Zinseinnahmen in Höhe von 1,34 Millarden Dollar nämlich strichen deutsche Geldinstitute ein – wohlgemerkt: vom ärmsten europäischen Land. Wieder zeigt sich Autor Holdger Platta hellhörig, was das Aufspüren von Gerechtigkeitslücken und verschwiegenen Skandalen rund um Griechenland betrifft. Zum Glück haben unsere Leserinnen und Leser nicht vergessen, wie wirkliche Hilfe aussieht. (Holdger Platta)

 

 

 

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

 

zugegeben, für uns vom Team der GriechInnenhilfe war das Spendenresultat der vorvergangenen Woche doch ein leichter Schock: erstmalig in der kurzen Geschichte unserer Spendenaktion seit August 2015 gingen keinerlei Unterstützungsgelder auf unserem Konto ein. Und von einigen HdS-LeserInnen wissen wir, daß auch diese das erstmalige Null-Resultat unserer Hilfsaktion mit einiger Bestürzung zur Kenntnis nahmen. An meinen Berichten zu unserer Spendeninitiative könne es nicht gelegen haben, schrieben einige (tja, weiß man’s?). Vielleicht sollten wir neue Wege beschreiten, unsere SpenderInnen zu gewinnen, teilten mir andere mit (ganz sicher kommen wir auf einige dieser Vorschläge zurück. Dank schon jetzt diesen Tipp-Gebern!). Doch während der letzten sieben Tage – unmittelbar vor dem Monatsende zudem – erholten wir uns alle wieder, ein bißchen jedenfalls. Hier also, vor dem ‚eigentlichen’ Bericht, die neuesten Zahlen:

6 SpenderInnen sorgten wieder für Geldeingang auf unserem Konto, und die Summe, die bis zum Mittag des gestrigen Tages, also am Donnerstag, zusammenkam, belief sich auf 247,50 Euro. Das ist ein Betrag, der für’s Monatsende nicht untypisch ist, nein, mehr noch, eher, was diesen jeweiligen Zeitraum betrifft, über dem Durchschnitt des letzten Halbjahres liegt. Natürlich danken wir vom Team allen UnterstützerInnen sehr, und sehr wahrscheinlich ist, dass ich im nächsten Bericht, der den Spendeneingang zum Monatsbeginn September mitteilen wird, noch ein weitaus besseres Ergebnis registrieren darf – vor allem der DauerspenderInnen wegen, deren Hilfsgelder ganz überwiegend zu Monatsanfang an uns überwiesen werden.

Ebenso positiv, natürlich, ist die Nachricht, dass sich unser ‚Außenteam’ Karl-Heinz Apel mit Ehefrau Uschi seit einigen Tagen wieder in Griechenland aufhält und mit der Verteilung unserer Hilfsmittel und Hilfsgelder begonnen hat. Details dazu hoffe ich Euch im nächsten Bericht mitteilen zu können, auf der Basis der Nachrichten, die ich bis dahin von Karl-Heinz Apel erhalten habe. Und nicht minder positiv ist die Information, dass auch unser zweites Helferteam – das Grazer Ehepaar Evi und Tassos Chatzatoglou – unmittelbar vor der Abreise nach Griechenland steht. Auch darüber werde ich vielleicht im nächsten Bericht schon Genaueres mitteilen können. Mein Dank an dieser Stelle gilt auch diesen ‚Außenteamern’ ein weiteres Mal! Sie sorgen dafür, dass Gelder und dringend benötigte Sachmittel direkt ankommen bei den Betroffenen. Sie achten auch darauf, direkt vor Ort, dass wirklich Bedürftigen diese Hilfe zuteil wird. Und sie halten, nicht zuletzt, die Augen offen, was womöglich neue, womöglich äußerst dramatische Notfälle betrifft. Unsere Hilfsaktion zeigt damit nicht nur langen Atem, sondern stellt sozusagen auch eine ‚atmende’ Hilfsaktion dar, eine Hilfsaktion, die nicht in unlebendiger – fast möchte ich sagen: in unmenschlicher – Routine erstarrt, sondern nach wie vor imstande bleibt, auf Kurzfristprobleme rasch zu reagieren. Dank Eurer Unterstützung, das ist uns, den Aktiven, mit aller Deutlichkeit bewusst.

Im übrigen gestattet mir, im heutigen Bericht ein Thema aufzugreifen, das schon seit einigen Wochen in den informierteren Medien (meist im Internet) die Runde macht, die Tatsache nämlich, dass von der griechischen Krise wieder und wieder und vor allem ein Staat in der europäischen Gemeinschaft profitiert: die Bundesrepublik Deutschland. Und wenn ich schreibe „profitiert“, dann ist das ganz wörtlich zu verstehen. Deutschland füllt nicht zuletzt seine eigenen Kassen mithilfe der sogenannten Hilfe für Griechenland. Und diese Behauptung gründet nicht auf irgendwelchen Spekulationen des vielleicht überengagierten Hilfsorganisators, der diese Berichte hier verfasst, sondern basiert auf Auskünften des Bundesfinanzministeriums im fernen Berlin, auf Mitteilungen, zu denen sich Schäubles Ministerium verpflichtet sah aufgrund einer Anfrage der Grünen-Fraktion im deutschen Bundestag. Hier die Fakten, und ich beziehe mich hierbei vor allem auf Berichte der „Süddeutschen Zeitung“, der SZ, und im „Neuen Deutschland“ (ND).

Demzufolge hat die sogenannte „Griechenlandhilfe“ für Zinseinnahmen – aus Krediten und Anleihenkäufen – in der Höhe von etwa 1,34 Milliarden Euro zugunsten Deutschlands gesorgt. Im Detail: Ein Darlehen der deutschen, der staatlichen Förderbank KfW (= Kreditanstalt für Wiederaufbau) bescherte der Vergabeinstitution Zinsgewinne in der Höhe von 393 Millionen Euro. Und der deutsche Gewinnanteil an dem Anleiheneinkaufsprogramm der Europäischen Zentralbank, der EZB, hat sich seit 2015 aufsummiert zu einem Betrag von 952 Millionen Euro. Eine Tatsache, die der Haushaltsexperte der Grünen, Sven-Christian Kindler, mit dem Satz kommentierte: „Es mag zwar legal sein, dass Deutschland an der Krise in Griechenland verdient. Legitim im moralischen Sinne der Solidarität ist es nicht.“

Nun, selbst an der  – formalen – „Legalität“ dieser Gewinnerträge für bundesdeutsche Institutionen sind Zweifel angebracht. Denn ‚eigentlich’ hatten die Eurostaaten, unter Einschluss Deutschlands, bereits im Jahre 2012 beschlossen, dass Gewinne aus Anleihenkäufen an die Krisenstaaten – in unserem Falle: an Griechenland – zurückzuzahlen sind. Seit Mitte 2015 wurden diese Geldbeträge jedoch auf einem sogenannten „Sonderkonto“ zwischengeparkt (Anlass dafür: die Streitigkeiten um das sogenannte zweite „Griechenland-Hilfspaket“ vor zwei Jahren; ich füge hinzu: Anlass, der keinesfalls als Rechtfertigung mißzuverstehen ist). So oder so:

Seit diesem Zeitpunkt Mitte 2015 rückt Deutschland mit diesen Beträgen nicht heraus, auch die Zinserträge aus den ‚geparkten’ Geldern gelangen nicht nach Griechenland. Die Bundesrepublik verweigert also die Auszahlung sämtlicher Gelder und Gewinne, die längst an Griechenland hätten ausgezahlt werden müssen, und der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Jungpolitiker Jens Spahn (CDU), hat aufs deutlichste mitgeteilt, dass auch in absehbarer Zeit keinerlei Auszahlung dieser Gelder an Griechenland in Aussicht steht. Ein Umstand, den der griechische Vize-Regierungschef Giannis Dragasakis sinngemäß mit dem Satz kommentierte: Die Gläubiger haben immer noch das erste und letzte Wort bei allem, was sich auf das griechische Programm bezieht. – Sieht so Hilfe aus? Kann man da – und sei es auch nur im Ansatz – Augenhöhe mit Griechenland registrieren? Zutreffender ist wohl, von Neokolonialismus zu sprechen. Auch in Sachen Finanzpolitik – weit übers Austeritätsprogramm hinaus und über die damit verknüpfte Auflagenpolitik (= Deregulierungen, etwa im Arbeitsrecht, Verscherbelnmüssen von Staatsbetrieben ans Ausland und und und) – ist Griechenland nicht mehr Herr im eigenen Haus. Oder, um den EU-Experten der Grünen im Deutschen Bundestag, Manuel Sarrazin, zu zitieren: „Die Zinsgewinne müssen endlich an Griechenland ausgezahlt werden. Es kann nicht sein, dass Wolfgang Schäuble mit griechischen Zinsgewinnen auch noch den deutschen Haushalt sanieren will.“ – Tja, „es kann nicht sein“, sagt Sarrazin, aber de facto ist es so! Auch dieses mithin ein Schmierenstück, das die Euro-Staaten-Seite, an der Spitze die Bundesrepublik, mit Griechenland aufzuführen beliebt. Und erneut erweisen sich Recht und Rechtlichkeit als gelenkiges, als biegsames Material für eine brutale Machtpolitik!

Erinnert sich der eine oder die andere von Euch daran, was ich vor zwei Wochen, in meinem 82. Bericht, zur verweigerten „Wiedergutmachung“ gegenüber Griechenland schrieb? Auch dort war bereits der gleiche Sachverhalt zu konstatieren gewesen: klarste Rechtsansprüche Griechenlands in diesem Fall auf Reparationszahlungen und Rückzahlung des terroristisch erzwungenen Hilfskredits des unterjochten Griechenlands an die Schergen des NS-Regimes, in der Höhe von 500 Millionen Reichsmark (heute, mit Zins und Zinseszins, einem Geldwert von elf Milliarden Euro entsprechend) –, juristisch völlig eindeutige Zahlungsansprüche Griechenlands gegenüber der Bundesrepublik wurden einfach mal so für obsolet erklärt. Nach einem Schurkenstück jahrzehntelanger Vertröstung Griechenlands auf einen Friedensvertrag, der dann – grundlegend illegal und illegitim – eben diese Finanzansprüche Griechenlands ins Jenseits bugsierte!

Ein Vorgang, den der renommierte Völkerrechtler an der Bremer Universität, Professor Andreas Fischer-Lescano, mit dem Satz kommentierte: „Beschämend! Da wird mit unerbittlicher Härte eine Schlussstrich-Politik verfolgt, weil ein Präzedenzfall befürchtet wird.“ Und Fischer-Lescano weiter im Text: „Notfalls kann die griechische Regierung in dieser Frage vor den Internationalen Gerichtshof ziehen. […] Die Argumentation der Bundesrepublik ist rechtlich untragbar.“ Griechenland sei bei den „Zwei-plus-Vier-Verhandlungen“ im Jahre 1990 nicht als Verhandler und Vertragspartner mit dabei gewesen und habe dem Reparationsverzicht niemals zugestimmt. Vertragsvereinbarungen zweier Parteien – hier: der Siegermächte und Deutschlands – zulasten einer dritten Partei – hier: Griechenlands – stellen demzufolge also ein juristisches Unding dar, ein Nullum, sie sind rechtsunwirksam von Anfang an, und die rechtlichen Unverschämtheiten jetzt gegenüber Griechenland stellen nur eine Fortsetzung der gestrigen Unverschämtheiten gegenüber Griechenland dar, und diese gestrigen Unverschämtheiten gegenüber Griechenland stellen nichts anderes dar als den Versuch, schwerste Menschheitsverbrechen der Deutschen während des 2. Weltkrieges in Griechenland für erledigt zu erklären. Schäbigkeit, nicht nur Schamlosigkeit (Fischer-Lescano), ist also seit Jahrzehnten Grundmerkmal der deutschen Politik gegenüber Griechenland, bis mitten in diese Tage hinein. Wir haben es also mit bösartiger Vergangenheit zu tun, die aufs bösartigste immer noch Gegenwart ist, mit einer Traditionspflege, die nicht in irgendwelchen Archiven die Findbücher füllt, sondern noch heute den grausamen Alltag zwischen Deutschen und Griechen bestimmt. Ich meine, auch dagegen sollten wir aufs deutlichste unsere Stimme erheben!

Und damit, wie immer, zu meinen obligaten Schlusshinweisen:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

 

 

 

 

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