Alexanders CD-Tipp der Woche – Trollius Weiss: Dich will ich sehen

 In CD-Tipp

Den Ballast abwerfen, sich öffnen fürs Menschsein aus einem Urvertrauen heraus, sich dem Leben zuwenden – die Lieder aus des Darmstädter Musikpoeten Trollius Weiss neuer CD „Dich will ich sehen“ machen weise aber unaufdringlich darauf aufmerksam, dass es unendlich viel mehr gibt als unreflektiertes Funktionieren in der Leistungsgesellschaft. (Alexander Kinsky)

Die Aufforderung, die Sinne zu öffnen, gleich im ersten Lied der vierten CD nach „Anima“ (2000), „Fließen“ (2004) und „Ein flüchtiger Blick“ (2009) formuliert („Komm, wir gehen uns verlieben“), kommt schon einmal nicht aufdringlich, affirmativ, sie kommt hörbar von Herzen, sie macht Lust darauf, zumindest darüber nachzudenken, inwieweit man bereit ist, sich wohin auch immer zu öffnen, denn auch der Verschlossene hat unendlich viele Möglichkeiten dazu. Man kann etwas lesen, schreiben, Musik hören, Musik machen, einen Spaziergang machen, oder zumindest sich ganz in sich selbst verkriechen und es vielleicht versuchen, sich für sich selbst zu öffnen, sich nicht von sich zu entfernen wie es heute meist verlangt wird, sondern auf sich zuzugehen. Lieder können versuchen, hier zu trösten oder sogar Mut zu machen. Das hofft Trollius mit dem letzten Lied der CD „Hör mein Lied“.

Dazwischen stehen weitere Anregungen aus diesem Ansatz  heraus – Menschsein statt Funktionieren („Ich gratuliere dir“), das Urvertrauen („Leben träumen“), die positive Energie des Ich („Wenn dein Herz brennt“), der Sinn des Lebens in der Zuwendung (das Titellied „Dich will ich sehen“) – was oder wer auch immer dieses angesungene Du ist, genauso beim Ballastabwerfen („Übers offene Meer“).

Und dann ist da noch die Fee, bei der man so gerne seine drei Wünsche anbringen möchte, aber das ist kompliziert – sagt sie jedenfalls und kostet erst mal das Leben aus („Eine Fee“). Ein köstlich augenzwinkerndes Lied!

Und auch das kennt wohl jeder: Sich an einem Endpunkt sehen, perspektivlos, noch nicht einen Wendepunkt spüren („Vom Stand der Dinge“). Indem Trollius Weiss dies sensibel aus der Ichperspektive beschreibt, schafft er Identifikation, mit dem Ichsänger, aber mehr noch mit dem was davon der Hörer bei sich selbst (wieder)findet, nicht reines (Selbst-)Mitleid, sondern darin auch eben die Möglichkeit, den Schritt weiter zu gehen, diesen Endpunkt wahrzunehmen und vielleicht in einen Neuanfang wandeln zu können.

In gottloser, materialistischer, leistungsorientierter Zeit das Dahinter, Darüber, das nicht Fassbare und doch immer Gegenwärtige weiter zu spüren, vielleicht erst zu entdecken, überhaupt entdecken zu wollen – eine vielleicht provokante Liedermacheransage mag das sein („Dein Licht“), aber eine, die in diesen feinfühligen gitarrendominierten Arrangements (mit Blockflöte, Violine und Cello!) der CD auch zutiefst ehrlich bei denen rüberkommen sollte, die es angesichts täglichen Stresses und vielfach ausweglos erscheinender Alltagssorgen als Luxus ansehen mögen, sich überhaupt mit solchen Themen zu befassen.

Das zentrale Lied der CD ist „Du bist mehr“ – egal wer Du bist, ob Verlierer oder Sieger, ob arm oder reich, wir sind mehr als das Sicht- und Greifbare. Sanft und mit freundlichen Worten, unangestrengt singt Trollius Weiss davon, nicht wie ein Möchtegernguru, der sein Ptredigerliedchen verkaufen möchte, sondern wohl ganz ehrlich und tief empfunden, herz- und seelenrührend im besten Sinn. Botschaft? Vielleicht. Ehrliches Empfinden – auf jeden Fall.

 Die Homepage von Trollius Weiss mit CD-Bestellmöglichkeit: https://www.musikpoesie.de/

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