Auf dem Weg der «Privatisierungen» immer tiefer hinein in den Untergang

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

102. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Mittlerweile muss unsere GriechInnenhilfe aufpassen, dass die Menschen dort nicht schon beim Wort “Hilfe” entnervt zusammenzucken und die Flucht ergreifen. Wurde dieses schöne Wort doch von den EU-“Institutionen” derart zu Tode geritten, dass man dabei an Orwellsche Wortbildungen wie “Ministerium der Liebe” (für eine Menschen schindende Geheimpolizei) denken muss. Die “Hilfs-” und “Rettungspakete” edelsinniger europäischer Politiker haben nämlich bisher vor allem eines bewirkt: weitere Verelendung und Entrechtung in Griechenland, abgesichert durch massive Repression, die der verständlichen Gegenwehr den Zahn ziehen soll. Auch die jüngsten Maßnahmen beeinhalten wieder – man darf raten! – verstärkte Privatisierungen. Was aber, könnte man weiterdenken, werden private Profiteure diesem Land noch nehmen, wenn sie sich schon alles genommen haben – wenn von der Akropolis bis hin zum letzten maroden Bürgersteig das ganze Land enteignet ist? Wenn wir indes “Hilfe” sagen, meinen wir auch tatsächlich Hilfe. Und die kommt an, direkt bei den Menschen vor Ort. Bitte spenden Sie weiter! (Holdger Platta)

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

der gestrige Tag – Montag, der 22. Januar 2018 – ging in Brüssel mit einer scheinbar positiven Nachricht für Griechenland zuende: Die Euro-Finanzminister beschlossen, so heißt es vollmundig in verschiedenen Presseberichten, „weitere Hilfsmilliarden“ für den hochverschuldeten Staat im östlichen Mittelmeer. Doch die Wahrheit nimmt sich erheblich mickriger aus, wenn wir auf die Fakten blicken. Hinter dieser prachtvollen Zusage des Eurogruppen-Vorsitzenden Mario Centeno verbergen sich gerademal rund 6,7 Milliarden Euro, die „für Griechenland“ ab Februar dieses Jahres bereitgestellt werden sollen, für ein Land, das mit 180 Prozent seiner gesamten Wirtschaftsleistung bei den westeuropäischen Ländern in der Kreide steht und damit die höchste Gesamtverschuldung aller Euro-Staaten aufweist. Und – dieses der zweite Punkt –: „im Gegenzug dazu“ soll das kaputttreglementierte Land weitere zahlreiche „einschneidende Spar- und Reformmaßnahmen“ durchsetzen in eigenem Land. Ganz konkret: „vor allem bei den Privatisierungen weiter Tempo machen“ (alle bisherigen Zitate nach der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“ vom heutigen Dienstag, den 23. Januar 2018).

„Weitere Privatisierungen“? Nun, ich berichtete schon mehrfach darüber, auch in meinem letzten Hilfsbericht. Und bereits in der vorigen Woche – am Beispiel des griechischen Energieunternehmens DEI, bis vor knapp zehn Tagen noch im Staatsbesitz, als Bestandteil der allgemeinen Daseinsfürsorge dort – wies ich darauf hin, dass damit ein weiterer, vordem öffentlicher Wirtschaftsbereich einschränkungslos privaten Profitinteressen ausgehändigt werden soll. Schon in prinzipieller Hinsicht zieht sich der griechische Staat also von einer weiteren Schutzfunktion für seine verelendeten Bürgerinnen und Bürger zurück. Doch auch in anderer Hinsicht, in ganz realer Perspektive, wird dieser “Deal“ zulasten der Menschen in Griechenland dem Staatshaushalt nicht aus der Patsche helfen. Konkret:

Schon nach der Verabschiedung des ersten – sogenannten! – „Hilfspakets“ für Griechenland ging die Rechnung für alle Beteiligten nicht auf: ab Juni 2011 – so die Prognose – sollte Griechenland aus den Privatisierungen bis einschließlich 2015 einen Reinerlös von rund 50 Milliarden Euro erzielen (nebenbei: nahezu ausschließlich gedacht, um Altschulden des Landes zu tilgen, nicht aber dem Land zu neuer Finanzkraft zu verhelfen!). Wie gesagt: 50 Milliarden Euro sollte dieser Privatisierungsprozess über die griechische Staatskasse zurückspülen in die Kassen der westeuropäischen Finanzwirtschaft. Aber das Resultat war mehr als erbärmlich: lediglich 7,195 Milliarden Euro flossen auf diesem Wege in die Eurostaaten zurück, das entspricht gerademal 14,39 Prozent des prognostizierten Privatisierungsertrages. Ich lasse an dieser Stelle beiseite, dass im selben Zeitraum 2011 bis 2015 realiter die Verschuldung des griechischen Staatsetats sogar zunahm! Nunmehr aber, für das Jahr 2018, sollen die Privatisierungen „weitere“ 2,74 Milliarden Euro in die griechischen Staatskassen spülen. Nun, man muss kein Hellseher sein, sondern lediglich bei Verstand, um den wahren „Ertrag“ vorausberechnen zu können, auf der Basis der von mir bezifferten Realerfahrung aus den Jahren davor: Vermutlich wird sich der tatsächliche Ertrag aus den weiteren Privatisierungen auf maximal 355 Millionen (nicht: Milliarden!) Euro belaufen. So sieht nicht Sanierungspolitik aus, sondern Fortsetzung der Vernichtungspolitik. Und real an diesem ganzen Geschehen ist nur eines: der griechische Staat gibt weiteren Gemeinbesitz aus der Hand. Und was, bitteschön, soll da geschehen, was soll in den kommenden Monaten an öffentlichem Staatsbesitz veräußert werden?

Nun, abgesehen vom Verscherbeln des Staatsunternehmens DEI, abgesehen von den 14 – hochlukrativen! – Flughäfen Griechenlands (von insgesamt 40, den meisten darunter Zuschussbetriebe!), abgesehen nicht zuletzt vom Verkloppen der gewinnbringenden Hafenanlagen in Piräus und Thessaloniki (den größten Häfen in Griechenland überhaupt), sollen nun weitere Hafenanlagen daran glauben müssen, an der Spitze selbstverständlich erneut jene, bei denen – wie man so schön im Ökonomendeutsch sagt – „schwarze Zahlen geschrieben werden“, ergo Pluserträge zu erwarten sind. Ich erwähne hier nur die Hafenanlagen auf Kreta und Rhodos. Niemand kann erklären – im Grunde tut es auch niemand -, dass der Ausverkauf eines Landes identisch sein soll mit der Rettung vor dessen Untergang!

Nimmt man hinzu, was ich ebenfalls schon in meinen letzten Berichten erwähnte, die Tatsache nämlich, dass am vorvergangenen Montag, den 15. Januar 2018, auch zahlreiche andere Rechte in Griechenland reduziert oder abgeschafft worden sind – ich erinnere nochmal an die Einschränkungen beim Streikrecht, an die Kürzungen des Kindergeldes, an die verschärften Zwangsversteigerungen von Immobilien und Grundbesitz –, so wird, von Brüssel aus wie von Athen, der griechischen Bevölkerung ein Horrorkatalog als Heilsbringerliste verkauft! Bei der Verabschiedung dieser neuen Gesetze kam es – wie in der neuesten Ausgabe der „Griechenland-Zeitung“ (GZ) nachzulesen ist (am 17. Januar dieses Jahres) – „zu Ausschreitungen“ vor dem griechischen Parlament (und die Polizei setzte dagegen Tränengas und Gummiknüppel ein).

Nun, die wahren Ausschreitungen fanden an diesem Tag im griechischen Parlament statt, nicht auf den Straßen und Plätzen vor ihm. Nicht die griechische Bevölkerung flippt hier aus. Es ist die griechische Regierung – und mit ihr die Parlamentsmehrheit –, die unter westeuropäischem Druck, mehr und mehr durchdreht. Und mit Humanisierung der Lebensverhältnisse in Griechenland, mit Wiederherstellung der Menschenwürde dort, mit Wiederbelebung eines wirtschaftlichen Aufschwungs in Griechenland hat das berüchtigte „Multi-Sparpaket“ mit seinen 400 Artikeln und 1.500 Seiten etwa so viel zu tun wie die Kotztüten in einem Flugzeug mit den Mahlzeiten dort. Mein Eindruck ist: das Orwell’sche „Neusprech“ – das Umdefinieren mieser Begriffe in ihr scheinbar positives Gegenteil – hat inzwischen auch der Denken der Politiker erfasst, in Brüssel, in Athen und anderswo! Bei uns Unbetroffenen beleidigt das den Verstand. Bei den Betroffenen in Griechenland aber, bei den verelendeten Menschen dort, schafft das alles nur noch weiteres, noch schlimmeres und neues Leid. Es lässt nicht nur ein Staatswesen vor die Hunde gehen, sondern viele, viele Millionen Menschen gleich mit. Es ist nicht nur schlimmster Unfug, der da in „abstrakter“, in volkswirtschaftlicher Hinsicht betrieben wird. Es ist die Vernichtung demokratischer und sozialer und humaner Verhältnisse schlechthin. Und wir, die wir uns um – zugegeben: minimale – Hilfe für die drangsalierten Menschen in Griechenland bemühen, mehr können wir ja nicht tun, wir werden auch weiterhin anprangern, was aus Verstandes- wie Menschlichkeitsgründen angeprangert werden muss!

Werfen wir, liebe HdS-Leserinnen und HdS-Leser, zum Abschluss auch dieses Berichtes wieder einen Blick auf unsere Hilfsaktion. Zugegeben: die nächsten Hilfsfahrten nach Griechenland stehen noch aus (voraussichtlich wird es aber bereits im Februar erneut damit losgehen). Aber die Spendensammlung geht weiter, eine Selbstverständlichkeit für uns, inzwischen nähern wir uns wieder einem Hilfsbetrag von rund 5.000,- Euro für diesen Zweck, und während der letzten sieben Tage kamen weitere 270,- Euro hinzu, überwiesen von 2 SpenderInnen an uns (in der Vorwoche betrugen die entsprechenden Zahlen: 179,31 Euro bzw. 6). Ich finde, gerade das Ergebnis der letzten Woche zeigt – man blicke auf den mittleren Spendenbetrag von fast 150,- Euro pro Person! –, welch immens großes Vertrauen wir inzwischen bei Euch UnterstützerInnen gewinnen durften. Ich hoffe, wir werden diesem Vertrauen auch weiterhin gerecht. Und, ebenso selbstverständlich auch dieses: erneut danke ich Euch UnterstützerInnen sehr für die Spenden wie für dieses Vertrauen – selbstverständlich auch diesesmal im Namen des gesamten Organisationsteams!

Und damit erneut zu meinen sonstigen Schlusshinweisen:

Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, oder wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):

Peter Latuska

Theodor Heuss Str. 14

37075 Göttingen

Email: latuskalatuska@web.de

Mit herzlichen Grüßen

Euer Holdger Platta

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