Die Quarantäne-Qual

 In FEATURED, Gesundheit/Psyche, Politik (Inland)

Die wesentlichen Maßnahmen bei einer Corona-Erkrankung waren Wegsperren und Zuwarten — das ist schlicht unterlassene Hilfeleistung. Quarantäneverordnungen kommen einer kleinen Haftstrafe gleich. Man wird für zwei Wochen in die eigenen vier Wände verdonnert. Der Grad der Geräumigkeit entscheidet darüber, ob die Quarantäne zur erholsamen Auszeit oder zum klaustrophobischen Aussitzen wird. Vor Corona ist jeder Mensch gleich, nicht aber vor der Quarantäne. Die Zwangserholung macht die Klassenunterschiede in ganz besonderer Weise sichtbar. Ob Zwei-Zimmer-Wohnung oder Zwei-Etagen-Villa macht für den Betroffenen doch einen erheblichen Unterschied. Verbringt man seine Genesungshaft auf wenigen Quadratmetern und hat zudem noch Symptome, verschärft sich die bedrängende Lage. Nach zwei Jahren des gesundheitlichen Ausnahmezustands werden hierzulande nämlich Betroffene mit ihren Sorgen und Nöten nach wie vor allein gelassen. Der Autor beschreibt hier seine beschwerliche Zeit in der Enge der eigenen Wohnung. Roberto J. De Lapuente

 

Nun bin ich wieder zurück. Einige Wochen war es still um mich geworden. Mich hatte es erwischt. War krank. Und da es nur noch eine Krankheit zu geben scheint dieser Tage, habe ich mir auch prompt diese einzigartige Erkrankung zugezogen: eine Corona-Infektion. Rückblickend muss ich sagen, dass ich zu keiner Zeit kurz vor einer Hospitalisierung stand. Aber zugegeben, ich hatte schon Angst. Darüber habe ich bereits an anderer Stelle Auskunft gegeben.

Bitte nicht falsch verstehen, diese Zeilen hier sollen kein weiteres Essay eines Geläuterten sein, der sein großes Umdenken publikumswirksam aufbereitet. Dergleichen Machwerke gibt es ja zurzeit zuhauf. Im Wesentlichen haben sich meine Ansichten gar nicht so sehr geändert. Aber eine neue Erfahrung habe ich gemacht, die ich vor meiner Erkrankung — und ja, ich war nicht nur infiziert, ich war durchaus krank — so noch nicht auf dem Plan hatte: Ich meine damit die Quarantäne. Diesen Umstand, sich wegzusperren und zuzuwarten, wie sich die Infektion entwickelt: Nach fast zwei Jahren Pandemie kann man getrost sagen, dass das kein Konzept ist — das ist Zeichen einer miserablen Versorgung an Covid-19 Erkrankter.

Szenen einer Quarantäne

Ganz alleine war ich ja nicht. Auch die, für die es sich lohnt, morgens aufzustehen, hat es natürlich erwischt. So saßen wir zu zweit in unserer Bude. Eigentlich reichen uns die knapp etwas mehr als 60 Quadratmeter ja. Wir sind genügsame Menschen. Gegen Ende der Quarantäne wollten wir uns jedoch schon etwas mehr entfalten. In den ersten Tagen unseres Wegschlusses war das aber weniger unser Problem.

Noch nicht mal die Überlegung, wer unsere Einkäufe besorgt oder ob wir sie uns besser online bestellen sollten, beschäftigte uns. Denn nach einigen Tagen ging es uns so schlecht, dass wir an das Thema Essen gar keinen Gedanken mehr verschwendeten.

An der Stelle fingen meine Sorgen an. Es ging mir einige Tage nicht sehr gut. Wie ich heute weiß, war ich zu jedem Zeitpunkt meiner Erkrankung weit weg von einem Krankenhausaufenthalt. Im Moment der Erkrankung, wenn man geschwächt ist, sieht man das freilich nicht ganz so klar. Ich bekam schlecht Luft, ärztlicher Rat war nötig. Mein Hausarzt stand nicht zur Verfügung. Auch nicht telefonisch. Das heißt, ich bekam ihn an den Apparat, aber er machte die Sache klar: Er könnte mir nicht helfen, wenn es mir schlecht gehe, soll ich ins Krankenhaus gehen.

Dazu ging es mir zum Glück nicht schlecht genug. So viel ahnte ich dann schon. Bereits am Abend zuvor hatte ich abends mit dem Notdienst telefoniert, er empfahl eine Antibiose, um etwaige Bakterien in der Lunge zu bekämpfen. Mein Hausarzt sollte mir das verschreiben. Der zierte sich aber, so aus der Ferne könne er das eigentlich nicht. Einen Hausbesuch bot er natürlich nicht an — und ich durfte auch nicht zu ihm. Nach langem Hin und Her verschrieb er mir das Antibiotikum dann doch. Dass Schleimlöser zudem helfen können: Keiner sagte es mir und auch mein Arzt wusste davon nichts. Eine Corona-Infektion, so sagte er, sei nämlich immer was für Krankenhausärzte.

Alleine warten, wie es wird

Meine Atemnot machte mir weiter zu schaffen, ich rief den Notarzt. Im Grunde aber nur, damit überhaupt mal jemand mit medizinischer Ausbildung einen Blick auf mich wirft.

Die beiden Sanitäter, die kamen, blieben in voller Schutzmontur vor der Haustür stehen, beschimpften mich gut hörbar für die ganze Nachbarschaft, weil ich nicht geimpft bin.

Meine Sauerstoffsättigung wäre in Ordnung, erklärten sie dann. Dieser Moment blieb der einzige Kontakt zu jemandem mit medizinischem Background während meiner Quarantäne.

Meine Situation besserte sich dann auch im Laufe der Tage. Ich recherchierte selbst, wie ich das mit der Atemnot ein wenig beheben konnte. Meist auf Seiten von Leuten, die die öffentliche Meinung heute als Spinner abtut. Bei jenen Medien, die den eigenen Anspruch nähren, stets allumfassend zu informieren, findet man natürlich viel über Corona. Aber wie jemand, der mit leichtem bis mittlerem Verlauf isoliert ist, sich selbst behandeln kann, darüber findet sich dort wenig bis nichts. Solche Praxisempfehlungen sind ja auch nicht wirklich sensationell und aufmerksamkeitswirksam.

Ich hatte den Eindruck, dass die gesamte Quarantäne aus Warten bestand. Zunächst wartet man, ob sich ab dem fünften Tag die Symptome verschlechtern. Später wartet man darauf, wieder mal frische Luft atmen zu können. Natürlich gesellt sich irgendwann die Angst dazu. Und keiner ist da, der einen betreut; medizinisch wird einfach nur zugewartet. Offenbar gibt es keinen standardisierten Maßnahmenplan für die Hausärzteschaft. Wir haben uns nach annähernd zwei Jahren Pandemie offenbar endgültig darauf verständigt, infizierte Menschen mit Symptomen zu isolieren und zu warten, wie sich die Lage entwickelt.

Krieg den Hütten, Friede den Palästen!

Natürlich gehört Geduld zu jeder Erkrankung, das Wort „Patient“ kommt ja nicht umsonst vom lateinischen „patiens“, was so viel wie „erdulden“ oder auch „gedulden“ bedeutet. Aber gerade bei so einer Erkrankung, von der wir täglich hören, dass sie so neu, so einzigartig sei und die mit so vielen Ängsten verbunden ist, kann man doch Menschen nicht bloß wegsperren und medizinisch vernachlässigen. Alles in der Hoffnung, dass der schwere Verlauf ausbleibt.

Nach zwei Jahren „Gesundheitskrise“ schicken wir infizierte und auch erkrankte Menschen in eine unbetreute Einsamkeit — da sitzen sie dann, vernehmen Angstmeldungen aus der Presse und drehen langsam aber sicher durch.

Und kein medizinischer Dienst nimmt sich ihrer an, man ist abgeschnitten von der Welt und sitzt in seinen Verhältnissen. Wer einen Balkon hat: Er wird es zu danken wissen, ein Stuhl in Frischluft wird da zum Thron. Aber was ist mit den anderen, die in kleinen Ein-Zimmer-Wohnungen leben müssen? Oder gar im Souterrain?

Überhaupt wurde im Laufe der Krise nie thematisiert — auch nicht von den Linken, jedenfalls nicht mit Nachdruck —, dass die Pandemie die soziale Schere nicht nur vergrößert, sondern auch recht deutlich aufzeigt. Als die Pandemie begann und man den Menschen sagte, sie sollten daheim bleiben, da war das leicht so gefordert. Denn wenn ich im Taunus in einem hübschen Häuschen lebe, Garten hintendran, sieht das Daheimbleiben nun mal ganz anders aus als mitten in der Großstadt, wo 30 Quadratmeter schon sündhaft teuer sind. Eine Quarantäne mag in einer Villa gar nicht sonderlich schwer fallen — in einer Mikrowohnung tut sie es auf alle Fälle.

Quarantäne: Eine soziale Milieu-Studie

Gäbe es Studien über die Quarantäne, wie sie auf die Menschen wirkt, wie das Quarantäneumfeld die Genesungsqualität und -geschwindigkeit beeinflusst, wie soziale Vereinsamung mitspielt, all diese Punkte halt, müsste man sie als soziale Milieustudie begreifen. Denn außer Frage steht, dass die Menschen die Separation ja unter qualitativ verschiedenen Prämissen antreten.

Dass die nicht auf das Gemüt, auf die Psyche schlagen sollten, diese Hoffnung ist naiv.

Wenn ich in dieser Zeit auch mal eine Runde durch einen Garten drehen kann, mit meiner Atemnot nicht im stickigen Zimmer liege, sondern in einem Gartenstuhl im Freien: Das macht doch einen Unterschied für die Atmung ebenso wie für die psychische Gesamtverfassung. Von Weitem sieht man vielleicht sogar Menschen auf dem Nachbargrundstück. Man ist isoliert, aber nicht völlig weggeschlossen. Vielleicht winkt sogar mal jemand aus der Ferne, nimmt einen wahr. Das ist mehr, als der städtische Quarantäne-Patient erhoffen darf.

Nachdem ich endlich wieder ins Freie treten durfte, unterhielt ich mich mit einigen Menschen, die die zwei Wochen in Einsamkeit schon hinter sich hatten. Fast alle teilten meine Empfindungen, sie fühlten sich alleingelassen, nicht mehr wahrgenommen. Ihre Hausärzte schwiegen, fast könnte man meinen, es gäbe keinen Behandlungsvorgaben für diese Klientel. Ganz wenige berichteten mir aber, dass ihr Hausarzt gelegentlich angerufen habe, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. So ist es übrigens lediglich in Schleswig-Holstein vorgegeben: Hausärzte müssen dort Kontakt halten zum Patienten. Jedenfalls tat ihnen der Anruf gut, sagten sie mir. Sie fühlten sich betreut. Nicht gänzlich ausgestoßen. Aber dass sich die Psyche auf die Genesungsqualität auswirkt, davon spricht keiner mehr in einem Land, das psychologische Notfälle am Fließband produziert.

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Dank an den Rubikon, www.rubikon.news, wo dieser Artikel zuerst erschienen ist.

Anzeigen von 3 Kommentaren
  • Hope
    Antworten
    Hatte Lapuente auch 40 Grad Fieber, keinen Hunger, Gliederschmerzen, Geschmacksverlust über Tage. Kannte Lapuente auch Wadenwickel um das Fieber zu senken und scheißnasse Betten, die jeden Morgen neu überzogen werden mussten? Kannte Lapuente auch die Unmöglichkeit außer Haus zu gehen, auch wenn er gewollt hätte? Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Das ist allerdings schon ca. 30 Jahre her und man nannte das da noch Grippe. Da war ich allerdings erst ca. 35 Jahre alt. Würde mich es heute mit 65 erwischen, wer weiss. Herr Lapuente sollte mal Herrn Lauterbach fragen, bis zu welchem Alter die derzeitigen Impfungen schützen sollen. Bis 105 Jahre oder 106 Jahre?
  • Marius
    Antworten
    Vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht! Tja, es spricht sich sehr leicht über Quarantäne als kurze Auszeit. In der Praxis sieht das ganz anders aus.

    Meine Frau (immunsuppremiert) hat sich vor einem Monat in Österreich nachweislich bei einer doppelt-geimpften Person angesteckt. Dann heißt es die Erkrankung melden. An der Hotline (1450) erreicht man in der Regel niemanden. Es braucht mehrere nervtötende Versuche. Das Amt sagt einem dann: absondern und auf den Absonderungsbescheid warten. That’s it! In dem sie sich zur Risikogruppe zählte, rief sie den Hausarzt an und fragte, was sie nun tun könnte. Dieser meinte man könne nichts tun außer abwarten. Im Klartext: wenn man Glück hat wird es ein leichter Verlauf, wenn nicht wird man abgeholt und ins Krankenhaus gebracht.

    Unser Umfeld sah meine Frau schon auf Intensiv liegen. Unsere Töchter wurden panisch. Man verlangte, dass sich meine Frau sofort in die Selbstisolation begeben möge. Ich habe ob diesem Irrsinn sofort auf das heftigste widersprochen, denn das ist wohl der aller größte Wahnsinn einen Menschen in so einer ernsten Situation alleine zu lassen.

    Glücklicherweise hatte sie ein leichter Verlauf: Schnupfen, Halskratzen, leichter Husten und einmal am Tag etwas schlapp. Wir mussten 10 Tage in Quarantäne verweilen, was am Lande in einem Haus mit Garten durchaus zu bewältigen ist.

    In unserem Umfeld waren überraschenderweise alle uns bekannten Covid-19 erkrankten Personen doppelt geimpft. Die Imfpung schützt zwar weder vor Ansteckung noch vor Weitergabe, aber Schuld an der derzeitigen Misere sind nach wie vor die Ungeimpften.

    Im nachhinein betrachtet war es eine sehr wertvolle Erfahrung und für meine Frau ein echter Glücksfall, zumal sie ausreichend Antikörper entwickelt hat. Der bittere Beigeschmack ist allerdings, dass ich nicht darum herum kann, den offiziellen Umgang mit an COVID erkrankten als unterlassene Hilfeleistung zu bezeichnen.

  • Volker
    Antworten

    Mein Hausarzt (…) Er könnte mir nicht helfen, wenn es mir schlecht gehe, soll ich ins Krankenhaus gehen.

    Schlechter Arzt, der seinem Parienten möglicherweise eine Lungenentzündung zumutet, wenn er sich ins Krankenhaus schleppt, ein Krankenwagen wäre eh nicht gekommen, weil es Taxis gibt, und man sich bitte hinschleppen möchte. Für die Statistik, denk ich mal frech.
    Wären Sie beide privat versichert, was ich aufgrund Ihrer Wohnungsgröße nicht annehme, hätte Arzt wohl stramm gestanden. Man kann froh sein, als Kassenpatient sogenannter Solidargemeinschaft überhaupt noch wahrgenommen zu werden, hatte dies im letzten Jahr selbst erfahren müssen.

    (…) damit überhaupt mal jemand mit medizinischer Ausbildung einen Blick auf mich wirft.

    Ein Veterinär vielleicht, ohne näher darauf einzugehen, oder gar eine Empfehlung zu geben, einer mit Durchblick bei Hund, Katz und Schweinemast.

    Offenbar gibt es keinen standardisierten Maßnahmenplan für die Hausärzteschaft.

    Noch nicht, aber Lager sind schon im Gespräch, den Transport übernimmt dann die Putztruppe im Inneren.

    Aber was ist mit den anderen, die in kleinen Ein-Zimmer-Wohnungen leben müssen? Oder gar im Souterrain?

    Die bekommen vom Amt einen Löffel zugeschickt, mit der Bitte, diesen angemessen abzugeben. So verschwinden sie aus der Armutsstatistik und schaffen wiederum angemessene Wohnraumkäfige für andere Insassen. Soziale Verantwortung ist ein hohes Gut, oder so….

    Denn wenn ich im Taunus in einem hübschen Häuschen lebe, Garten hintendran (…)

    … mit Schatten spendender Korkenzieherweide im Topf auf Terrasse etwa, Vogelgezwitscher sowie andere dekadente Annehmlichkeiten …. weia, sollte ich mich angesprochen fühlen, wegen Eskapate grundgesichert, im schönen Taunus dazu, da, wo es im Grünen an Pfandflaschen mangelt, weil Kurstadt? Da steigt mir die Schamröte ins Gesicht, sollte ich Lustwandeln, über Stock und Stein, den Feldberg im Blick, meinen Warenkorb schwenkend jauchze: Störet meine Kreise nicht … ++ glucks ++

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