Geliebter Feind

 In FEATURED, Politik

In einer Art von kollektivem Stockholm-Syndrom identifizieren viele sich mit den Tätern der derzeitigen Corona-Tyrannei. Dass Machthaber gern „durchregieren“ und ihre Befugnisse erweitern, mag menschlich verständlich sein; weniger nachvollziehbar ist, dass die Unterworfenen — also wir Bürger — mehrheitlich geradezu verliebt zu sein scheinen in die Ketten, die man ihnen angelegt hat. Wir kennen solche kollektivpsychologischen Phänomene unter Bezeichnungen wie „Stockholm-Syndrom“ oder „Identifikation mit dem Aggressor“. In der Vergangenheit haben wir aber wohl gedacht, uns selbst könnte das nicht ernsthaft — noch einmal — passieren. Bei näherem Hinsehen erkennen wir aber, dass das derzeitige Massenphänomen des dressierten und allzu leicht dressierbaren Bürgers psychologisch schon lange vorbereitet worden war. Entwurzelte, sich selbst und ihren Gefühlen entfremdete Konsumenten und Produzenten in einer gewaltigen Megamaschine fanden neue Geborgenheit in einem gesellschaftlichen Ganzen: durch ein gemeinsames Ziel — die Bekämpfung des Virus — und den vereinten Hass auf einen Gegner — die Ungeimpften. Mathias Bröckers

 

Ein Gefangener auf Freigang, Jan Erik „Janne“ Olsson, überfiel 1973 mit einer Maschinenpistole bewaffnet eine Bank im Stadtzentrum von Stockholm. Er schoss in die Decke und rief: „The Party has just begun“. Er nahm vier Bankangestellte als Geiseln, forderte die Freilassung seines Mithäftlings Clark Olofsson, der zu ihm gebracht werden sollte, samt 3 Millionen Kronen, Waffen und einem Fluchtwagen.

Die Geiselnahme zog sich mehr als fünf Tage hin und endete „unblutig“, nachdem die Polizei Gas in die Bank eingeleitet hatte, gaben die Geiselnehmer auf. In die Geschichte ist dieses Verbrechen eingegangen, weil sich die im Tresorraum gefangenen Opfer während dieser Zeit mit den Geiselnehmern arrangierten, Sympathien für sie entwickelten und sich weniger von den Tätern als von den Aktionen der Polizei bedroht sahen.

Diese psychologische Reaktion, die auch bei anderen Geiselnahmen beobachtet wurde, wird seitdem „Stockholm-Syndrom“ genannt. In der Psychoanalyse wurde dieses unbewusste Motiv zur Abwehr angstvoller, traumatischer Erfahrungen auch als „Identifikation mit dem Aggressor“ beschrieben, zuerst von Wilhelm Reich, der diesen Abwehrmechanismus in seinen Werken „Charakteranalyse“ (1933) und „Massenpsychologie des Faschismus“ (1934) untersucht hatte. Erstaunt darüber, dass sich ein ganzes Volk freiwillig einer Diktatur unterwirft und sich wie ein Kind von gewalttätigen Eltern mit dieser repressiven Autorität identifiziert.

Inwieweit dieser individualpsychologische Mechanismus als Folge von Angst und traumatischen Erfahrungen auch auf Kollektive übertragbar ist und eine ganze Gesellschaft einen „autoritären Charakter“ ausbildet, darüber haben sich seitdem namhafte Sozialpsychologen (Fromm, Marcuse, Adorno, Arendt, Foucault und andere) Gedanken gemacht, ohne zu einem einheitlichen Schluss zu kommen. Klar scheint nur, dass die Erzeugung fundamentaler Angst diesen psychischen Abwehrprozess in Gang setzen.

Mir waren diese Zusammenhänge, mit denen ich mich im Studium intensiver befasst hatte, vor 20 Jahren nach den 9/11 — Anschlägen wieder in den Sinn gekommen, als zum „War on Terror“ geblasen wurde. Einem Kapitel in „Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse dess 11.9.“ war dort ein Zitat aus dem Roman „Illuminatus“ von Robert Anton Wilson vorangestellt, der 1975 erschienen war:

„Beim derzeitigen Stand werden die Illuminaten das amerikanische Volk innerhalb der nächsten paar Jahre unter eine strengere Aufsicht stellen, als es Hitler mit den Deutschen machte. Und das Schönste daran ist noch, dass die Mehrzahl der Amerikaner durch die von Illuminaten gedeckten Terroranschläge so weit in Angst versetzt sein werden, dass sie darum betteln werden, kontrolliert zu werden, wie der Masochist nach der Peitsche wimmert.“

Das war, ein Vierteljahrhundert bevor die Bush-Regierung sofort nach 9/11 ein 250-seitiges Überwachungs,-und Kontrollgesetz namens „Patriot Act“ fertig aus der Schublade zog, das der (selbstverständlich „patriotische“) US-Kongress ungelesen und dankbar durchwinkte, eine ziemlich realistische Prognose — die einmal mehr verdeutlicht, dass es sich bei sogenannten „Verschwörungstheoretikern“ oft um Wahrsager handelt. Fast Foward 2020/21 sehen wir die Massen von einem mysteriösen „Killervirus“ wieder in derart panische Angst versetzt, dass sie schärfere Überwachungs,-und Kontrollgesetze nicht nur hinnehmen, sondern sich damit identifizieren und um den „Booster“ mit einer „Impfung“ genannten Gentherapie betteln.

Und die „Wachhunde der Demokratie“, die Medien, tun nichts anderes, als nach der Peitsche zu wimmern: laut einer Anfang November vorgestellten Studie der Rudolf-Augstein-Stiftung bestand der regierungskritische Ansatz der Medien während der Pandemie vor allem darin, für noch härtere Massnahmen einzutreten. Wie zu diesem Zweck Kritik und Warnungen konsequent weggebissen und die „Fakten” auf die Reihe gebracht wurden, zeigte zum Beispiel der „ZDF-Faktencheck“ am 6. Mai 2020:

„Prominente Verschwörungstheoretiker wie Ken Jebsen fürchten eine Impfpflicht durch die Hintertür, wie er in einem über zwei Millionen mal geklickten YouTube-Video sagt. Wer keinen Immunitätsausweis habe, könne an bestimmten Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen, so die Befürchtung. (…)Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums vermutet hinter dem Online-Geraune….eine Agenda: ‚Es handelt sich um eine Kampagne, die in den sozialen Medien losgetreten wurde, wo fälschlicherweise behauptet wird, eine Impfpflicht wäre geplant.‘“

Dass 18 Monate genau das eingetreten ist, war dann freilich kein Grund, den als gefährlichen Lügner diffamierten Kollegen Ken Jebsen zu rehabiliteren, im Gegenteil reden die Großmedien jetzt weiteren Verschärfungen inklusive Impfpflicht das Wort.

Mit einem Masochismus der Medienbranche, der Masken, Lockdowns und Spritzen Lustgewinne bescheren, lässt sich das glaube ich aber nicht erklären. Hier scheint eher ein kollektives Stockholm-Syndrom vorzuliegen, das sich von immer neuen Schreckens-Prophezeiungen nährt und sich mit immer drakonischeren Maßnahmen identifiziert.

„Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt? Diplomaten belügen Journalisten und glauben es, wenn sie‘s lesen“, hatte Karl Kraus am Beginn des 1. Weltkriegs notiert, nachdem auf eine Falschmeldung der deutschen und österreichischen Presse über einen französischen Bombenabwurf auf Nürnberg Ende Juli 1914 unmittelbar die Kriegserklärung an Frankreich erfolgt war. Dieser fingierte Bericht (Fake News!) war für ihn die Urlüge und das Paradebeispiel für die Manipulation der Massen in Kriegszeiten, die Kraus dazu führte, „den Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft zu verabscheuen“.

Zu einer solchen Abscheu hat der Journalismus auch in zwei Jahren „Krieg gegen Viren“ wieder reichlich Gründe geliefert. Als Panikorchester in Permanenz beförderten die Großmedien die Permanenz des Ausnahmezustands und sorgten so für die Formierung der in Schrecken versetzten Massen: nie flimmerten mehr Krankenhausbetten und Intensivstationen über die Bildschirme (die in der Realität allerdings abgebaut wurden), nie mehr Beatmungsgeräte und „schwere Verläufe“ ( auch wenn es 2020 nicht mehr tödliche Atemwegserkrankungen als üblich), nie wurden mehr unsichtbare Gefahren („Inzidenzen“) beschworen, und damit die Notwendigkeit, in diesem ungewinnbaren „Krieg gegen Viren“ weiter aufzurüsten; und Kontroll,-Überwachungs,- und Repressionsmaßnahmen einzuführen, die jedem Machiavellisten feuchte Träume bescheren.

Wobei auch Niccolo Machiavelli wohl das Opfer eines postraumatischen Stockholm-Syndroms war, denn er schrieb seinen berühmten Ratgeber „Il Prinicipe“ über die Techniken autoritärer Machtpolitik, nachdem er 1512 gerade aus dem Gefängnis entlassen war, wo man ihn wegen seiner republikanischen Ansichten schwer gefoltert hatte. Noch mit verkrüppelten Händen von den Torturen des „Strappado” befürwortet er in seinem Buch Folter als Mittel politischer Machterhaltung und widmete das Werk seinen Folterern höchstselbst, den Medici.

Nun ist es zwar nicht so, dass die Regierung für ihre massiven Freiheitseinschränkungen schon Widmungen und Dankesschreiben bekommen hätte, doch mehrheitlich nimmt die Bevölkerung widerspruchslos hin, dass jetzt selbst archaische Menschenrechte (Habeas Corpus ! ) außer Kraft gesetzt werden können. Selbst in der traditionell freiheitlich gesinnten Schweiz stimmten Ende November 62 % für den Beibehalt der Covid-Gesetze, in Deutschland sind es noch deutlich mehr, dort sind aktuell 60% mittlerweile der Meinung, dass die Maßnahmen nicht weit genug gehen.

Bis zu Plakaten „Deutsche, kauft nicht bei Ungeimpften!” scheint es nicht mehr weit, in Österreich haben diese Armen bereits Ausgangsverbot.

Selbst „woke“ Vegan-Familien, wo gespritztes Gemüse, Gentechnik und Bayer/Monsanto eigentlich Tabu sind, lassen die Kinder mit Pfizer/Moderna spritzen, ehemals Linke plädieren für den technokratischen Wahnsinn eines Zero-Covid-Totalitarismus, einstige Liberale haben mit der immer schärferen Desinfektion des Meinungskorridors kein Problem und die Intellektuellen halten entweder den Mund oder irrlichtern wie Jürgen Habermas, der sich in einem Krieg von „Species gegen Species“ wähnt, in Apologien des Ausnahmezustands, die einem Carl Schmitt alle Ehre gemacht hätten (nur dass der besser schreiben konnte (-; ).

Wie es kommt, dass massive Rechts-und Freiheitseinschränkungen und Impfpflichten von einer großen und sehr diversen Mehrheit nicht nur hingenommen, sondern sogar gefordert werden, die Panik-Orchester der Medien bei der Manipulation und Formierung der Massen also derart erfolgreich waren, hat nicht allein mit der Angst-Propaganda vor dem „Killervirus“ zu tun.

Dass die „Formatierung“ der Massen so leicht und selbstverständlich gelang, so der klinische Psychologe Prof. Mattias Desmet in diesem sehenswerten Interview, hat Gründe, die schon lange vor Covid existierten: im Mangel von emotionalen Bindungen im sozialen Raum, in der weit verbreiteten Empfindung, sinnlose Arbeit („Bullshit-Jobs“) zu verrichten und in der Tatsache, das Angst-Störungen und Depressionen schon vor Covid auf dem Weg zu „Volkskrankheiten“ waren: in Belgien werden für 11 Millionen Menschen pro Jahr 300 Millionen Dosen Anti-Depressiva verschrieben, in anderen westlichen Gesellschaften sieht es kaum besser aus; die USA verzeichneten 2020 über 100.000 Opioid-Tote.

In einer solchen beklemmenden, isolierten, bindungslosen Situation werden kollektiver Maskenzwang, Lockdowns und Impfpflichten als Wiederkehr der verlorenen Einbindung in ein soziales Ganze positiv empfunden.

Und das offizielle Narrativ vom Killervirus und der einzigen Rettung durch permanentes Impfen ebenso dankbar angenommen, wie jede Kritik und Widerrede hoch emotional abgelehnt und Andersdenkende als „Leugner“, „Querdenker“, „Ungeimpfte“ mit wachsender Diskriminierungslust zu Sündenböcken stigmatisiert.

Wo dann ein Weltärztepräsdident Montgomery zum Kampf gegen die „Tyrannei der Ungeimpften“ aufrufen kann, ein neuer Bundeskanzler machtbesoffen verkünden, für seine Regierung gäbe es „keine roten Linien“ mehr und ein Bundesverfassungsgericht den mit Zahlenkonfetti und Datensalat begründeten „Notstand von nationaler Tragweite“ ungeprüft durchwinken und der Regierung das Außerkraftsetzen der Verfassung nach gusto weiterhin gestatten kann … — und dieses Narrativ von einer Mehrheit attraktiv empfunden wird. Weil es eine Illusion von Kontrolle — vom „Abflachen der Kurve“ mit Masken über den Lockdown und Testzirkus bis zum quartalsmäßigen Impf-Update bei Pfizer/Moderna — und ein neues, „zertifiziertes“ Wir-Gefühl beschert; selbst der ärmste Wicht, der mit Maske vor der Glotze auf den Booster wartet, hat jetzt jemanden, dem er die Schuld an seiner Misere zuschieben kann.

Letzte Meldung aus der bizarren Welt der Neuen Normalität: Junkfood bei McDoof nur noch mit digitalem Gesundheitsausweis! Aber „Ivermectin“, das billige, milliardenfach bewährte Anti-Parasiten-Mittel, „das in fast allen Stadien von Covid-19 hilft“ wird von den Panik-Orchestern weiter als gefährliche Pferdenentwurmung geschmäht.

Wobei das Argument, dass keine ausreichenden Studien für die Wirksamkeit der patentfreien Pillen vorlägen, eigentlich zum Schmunzeln ist, angesichts der Wirksamkeit der „Impfstoff“ genannten Präparate, die weder vor Infektionen noch vor Infektiosität schützen, bestenfalls — aber keineswegs sicher — einem „schweren Verlauf“ vorbeugen und gleichzeitig — leider häufige und schwerwiegende — Nebenwirkungen zu haben.

Doch davon will man unter der großen Blase des Corona-Traumas derzeit so wenig hören wie einst die Geiseln in Stockholm von den Befreiungsaktionen der Polizei. Eine Welt, in der sich ohne SmartHealthCard und Zwangs-Abo bei der Pharma-Oligarchie kein Mensch mehr frei bewegen kann, wünscht sich zwar niemand — aber wenn die „Pandemie“ anders nicht in den Griff zu kriegen ist, muss es eben sein. Divers und genderneutral, versteht sich, aber zuerst müssen die 6 Milliarden Ungeimpften dran glauben!

Wir sehen: im Aufwachraum wird zwecks post-traumatischer Therapie künftig einiges zu tun sein. Bis es soweit ist muss sich wahrscheinlich aber auch noch der fünfte und sechste Booster als Schuss in den Ofen erweisen und die Einsicht durchsetzen, dass man gegen die Supermacht des Lebens — die Viren — keinen Krieg gewinnen kann, wenn man mit Vakzin-Spatzen gegen ihre Mutations-Kanonen feuert.

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Das kollektive Stockholm-Syndrom“ auf broeckers.com.

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Kommentare
  • Hendrik M.
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    Um es als Anhänger einer  englischen Keipen-Sportart einmal gediegen metaphorisch auszudrücken: Mathias  Bröckers wirft mal wieder einen “Bullseye nach dem anderen, während Heribert Prantl noch unter’m Thresen nach seinen Pfeilen sucht. Danke!

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