Kulturbruch

 In FEATURED, Kultur, Politik, Roland Rottenfußer

Mit der Corona-Krise gerät viel von dem unter die Räder, was bisher unsere Kunst- und Kulturszene ausgemacht hat. Es findet eine gnadenlose Selektion statt zwischen den „Großen“, die Monate lange Auftrittsverbote überbrücken können, und den „Kleinen“, deren Karrieren unwiderruflich zerstört werden. Was nicht behindert wird, wird digitalisiert. Damit verstärkt sich ein Trend, der sich schon vor Corona andeutete: ein Niedergang unmittelbarer Interaktion zwischen Künstlern und Publikum zugunsten des Konsums von Kultur-Konserven. Das Abwürgen von Feedback, die Entkörperlichung menschlicher Begegnungen. Über Jahrhunderte erlernte Kulturtechniken dürften verloren gehen und können im schlimmsten Fall auch nach der Aufhebung der Beschränkungen nicht wieder erlernt werden. Empfinden Politiker die Kultur nur als „nicht systemrelevant“? Oder ist sie ihnen schon lange lästig, weil sie zu kritischem Denken anregt und der funktionalen Welt der „Grauen Herren“ Farbigkeit und Emotionalität entgegensetzt? Roland Rottenfußer

„Kein menschliches Wesen musste für diese Serie sein Haus verlassen!“ So heißt es im Vorspann der Serie „Drinnen – im Internet sind alle gleich“, derzeit in der ZDF-Mediathek. Wir sehen Charlotte Thielemann (Lavinia Wilson), Mitarbeiterin einer Werbeagentur, wegen Corona-Quarantäne zu Homeoffice verdonnert. Wir sehen nur Charlotte, gefilmt aus einer einzigen Kameraperspektive, der ihres Notebooks. Alle anderen Personen sind nur in Fensterchen am Computerbildschirm zu sehen. Wir sehen Zoom-Konferenzen mit mehrfach gesplittetem Screen, einfließende Emails und Whatsapp-Nachrichten der Heldin, hören Piepstöne und manchmal Musik. Meist vor allem das Gesicht der gestressten Charlotte. Als einmal deren Ehemann Markus zu Besuch kommt, wird der Darsteller erkennbar per Tricktechnik ins Bild kopiert.

Kultur unter Hygienezwang

Das klaustrophobische Dramolett präsentiert sich gern als die ultimative Antwort der Filmkunst auf Corona. Wir erkennen darin quasi die Zukunft filmischer „Erzählkunst“ in Zeiten von Social Distancing. Menschen interagieren nicht mehr direkt, sondern über diverse Screens und mit technischen Hilfsmitteln. Computer und Smartphone sind ihre einzigen Fenster zur Welt. Niemand berührt niemanden. Für die sexuelle Befriedigung sorgt ein per Post angelieferter Vibrator. Leider ist damit die Lebensführung nicht weniger Menschen – längst vor Corona – zutreffend beschrieben. Angst vor Nähe und allzu direktem Kontakt, die Flucht ins Virtuelle dominieren. Die Hightech-Einzelzelle, wie in der Serie gezeigt, ist faktisch der Tod des traditionellen Geschichtenerzählens.

Die Art, wie die 15 kurzen Filme hergestellt wurden, stellt zugleich eine Ergebenheitsadresse gegenüber den von der Regierung verhängten Corona-Regeln dar. Die Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung von Filmhandlungen werden derzeit von der Regierung vorgegeben. Man stelle sich als Kontrast folgende Handlung vor: Charlotte hält das Corona-Virus für relativ ungefährlich. Sie verlässt deshalb ihr Haus, umgeht einige Polizeikontrollen und begibt sich in die Wohnung ihres Liebhabers. Beide küssen sich und haben Sex, Freunde kommen, eine Party steigt… Ob ein solches Szenario in der Realität ratsam ist, ist eine andere Frage. Entscheidend ist hier: es wäre derzeit filmisch nicht darstellbar. Während Mord und Vergewaltigung im Fernsehen sonst eher die Regel als die Ausnahme sind, wäre ein Kuss zwischen zwei Schauspielern, die nicht in der gleichen Wohneinheit leben, derzeit verboten. Künstlerische Freiheit sieht anders aus

Ein gnadenloser Selektionsprozess

Corona ist dabei, so einiges zu verändern in der Kulturwelt. Und es steht in den Sternen, ob es „danach“ einfach wieder so weitergehen kann wie „davor“. Abgesehen davon, dass viele Existenzen von Schauspielern, Musikern und anderen Kulturschaffenden dann unwiederbringlich vernichtet sein werden. Viele Performance-Künstler hatten während rund drei Monaten ein totales Auftrittsverbot. Danach waren die „Hygiene-Regeln“ nach Aufhebung der Sperre so rigide, dass das Konzert weder Künstlern noch Zuschauern rechte Freude machte – abgesperrte Sitzplätze, strenge Ordner… Nach Monaten der Totalsperre stehen Künstler weitere Monate bevor, in denen sie gleichsam in Fesseln tanzen müssen und auch nur einen Teil ihrer vorherigen Einnahmen werden generieren können.

Durch Corona wird ein Selektionsprozess stattfinden, der vor allem den „Großen“ hilft. Jenen, die dank sprudelnder Einnahmen „vorher“ Rücklagen bilden konnten und ein eventuell klammes Bankkonto „hinterher“ rasch wieder auffüllen können. Ein Dieter Bohlen rückt die Stühle zwischen den Jury-Mitgliedern seines Show-Klassikers „Deutschland sucht den Superstar“ einfach ein Stück weiter auseinander, dann darf er weitersenden und kassieren. Aber wie steht es mit weitgehend unbekannten, idealistischen Liedermachern, Kabarettisten und klassischen Ensemblekünstlern, deren fast einzige Einnahmequelle Liveauftritte sind?

Der Künstler als Bettler

Ein boomendes „Genre“ ist in der Musikbranche derzeit das Wohnzimmerkonzert. Es wird vor allem von Musikern praktiziert, die für eine Performance keinen großen Aufwand treiben müssen – Reinhard Mey etwa. Diese Mode, die sich derzeit rasant ausbreitet, ist erkennbar der Not geschuldet. Gitarristen oder Pianisten spielen ihre Lieder „unplugged“, meist in nachlässiger Kleidung. Den Auftritten ist jeweils eine kleine Ansage vorangestellt, die darauf hinweist, dass man „wegen Corona“ zu diesem ungewöhnlichen Setting gezwungen sei und dass man sehr darunter leide, nicht direkt vor Publikum spielen zu können. Häufig lautet eine Botschaft auch: „Ihr seid jetzt wahrscheinlich allein zuhause. Ich schicke Euch dieses Lied als Zeichen meiner Solidarität. So können wir wenigstens in dieser eingeschränkten Form ein bisschen zusammen sein.“ Die Künstler fürchten, von ihrem Publikum vergessen zu werden im Schatten einer Flut neuer Netflix- und youtube-Helden.

Nicht selten sind Auftritte auch mit Spendenbitten verbunden. Leider verstärkt sich auch damit ein Trend, der sich schon vor Corona andeutete: Wo es vorher angemessene Bezahlung für eine empfangene Leistung gab, wird der Kulturbetrieb nun schrittweise auf „Bettelei“ umgestellt. Die Künstler sind diesbezüglich eher Opfer. Die „Strukturen“ im Business und die Umsonst-Mentalität der Konsumenten haben Anbieter in diese unkomfortable Situation gebracht. Der Durchschnittsnutzer sieht nicht ein, warum er Künstler für Auftritte im Internet bezahlen sollen; wohl aber gefällt er sich gelegentlich darin, Bettelnden Münzen in den Hut zu werfen. Letztere sehen sich also genötigt, fast ständig artig „Danke“ und „Bitte“ zu sagen. Während ein Musiker, der in vollen Hallen auftritt, seines Ertrags sicher sein kann, wird für den virtuell Performenden der Blick auf den Spendenkonto zur Zitterpartie. Hinzu kommt, dass sich viele zur Zusammenarbeit mit Werbekunden gezwungen sehen, deren Logo bei Live-Streamings im Bühnenhintergrund prangt.

Die Stille nach dem Lied

Streamingkonzerte sind die Erweiterung von Wohnzimmerkonzerten für mehr als eine Person. Man kann sie live oder mit Verspätung ansehen. In der Regel beteuern die Künstler in solchen Fällen mehr oder minder freiwillig, dass sie sich an alle Hygiene- und Abstandsregeln gehalten hätten. Die sonst üblichen schweißnassen Umarmungen entfallen völlig. Das Ausbleiben von Applaus führt nach dem Ende von Liedern zu einer oft beklemmenden Stille. Interessant ist dabei, dass statt eines „tosenden Hexenkessels“ voll grölender und klatschender Zuschauer alles aus einer angenehmen Stille aufzusteigen und in diese zu münden scheint. Dies ist vor allem bei anspruchsvollen Werken recht wohltuend.

Als Sonderform des virtuellen Konzerts haben sich auch Splitscreen-Konzerte und -Chöre etabliert, bei denen die Köpfe der Mitwirkenden in kleinen Kästchen zu sehen sind – vergleichbar einer Zoom-Konferenz, wie sie in der Serie „Drinnen“ oft gezeigt wird. Auch hierdurch wird ein Trend verstärkt, den es schon vorher gab: Musiker nehmen ihre Beiträge zu einem Lied in separaten Studios, oft in verschiedenen Städten, auf. Hinterher werden die Soli zu einem einheitlichen Song „zusammengeschnitten.“ Der ganze Vorgang ist höchst kontrolliert und steril. Es ist auf diese Weise nicht mehr möglich, dass sich Bandmitglieder mit ihrer Spielfreude gegenseitig anstecken, so dass ein lebendiger, atmender „Klangkörper“ entsteht.

Das atomisierte Publikum

Eine typische Errungenschaft des Corona-Zeitalters ist auch das Autokino-Konzert. Zuschauer werden durch die sie umgebenden Karosserien noch gründlicher voneinander getrennt als durch die vorgeschriebenen Einkaufswägen in Supermärkten. Statt des Applaudierens werden Hupe und Lichthupe bedient. Virtuelle Museumsrundgänge gibt es ja schon länger. Sie werden in diesen Zeiten verstärkt angeboten. Obwohl man Gemälde auch im Normalbetrieb nicht anfassen sollte, verstärkt der virtuelle Museumsrundgang natürlich den Trend zur Entsinnlichung und Entkörperlichung. Die Einzelzellen-Kultur lässt das sinnliche Erlebnis großer Gemälde in den Originalfarben nicht mehr zu, verhindert auch den Austausch zwischen Besuchern.

Schließlich wurde lange Zeit auch der Besuch in einer Buchhandlung oder Leihbücherei obsolet. Menschen, die „altmodische“, direkte Formen des Umgangs mit Büchern bevorzugen, wurden zwangsweise bei den „Modernen“ eingemeindet, den Fernausleihern und Content-Streamern. Nicht nur ersetzt die Kulturkonserve noch mehr als früher das unmittelbare Erlebnis; auch die Beschaffungswege für solche Konserven werden menschen- und berührungsfrei organisiert. Der moderne Couch- und Bürostuhl-Potatoe „genießt“ nicht nur die entfremdeten Notebook-Abenteuer einer Charlotte Thielemann in „Drinnen“, er wird auch in der Art wie er dies tut, zu ihrem vollkommenen Abbild.

Kultureller Cybersex

Kultur stiftet traditionell Gemeinschaftserlebnisse. Sogar von einem „Liebesakt“ zwischen Künstler und Publikum ist manchmal die Rede. Live-Events haben insofern eine fast mystische Komponente. Sie heben Trennungen kurzfristig auf, indem die Aufmerksamkeit der Zuschauer synchron auf dieselben Worte und Klänge gerichtet sind. In Zeiten von Cultural Distancing ist das nicht mehr gegeben. Corona-Kultur reißt auseinander, was eigentlich zusammengehört. Es herrscht Einwegkommunikation, die Künstler können die Reaktion des Publikums nicht mehr aufnehmen und entsprechend darauf reagieren. Es ist wie ein trauriger Tanz ohne Partnerin oder Partner, ein Ruf ohne Echo. Der „Liebesakt zwischen Künstler und Publikum“ degeneriert zum keimfreien Cybersex.

Letztlich wird die Kultur von den Menschen weggerückt. Sie wird daran gehindert, den Konsumenten unmittelbar zu ergreifen. Zum Vergleich denke man an die Bedeutung, die Rockmusik in den 60er- und 70er-Jahren für die Selbstfindungsprozesse der Fans, aber auch für die politische Kultur hatte. Schon insofern ist derzeit von einer Behinderung von Künstlern zu sprechen. Kultur kommt stets durch einen Filter zu den Menschen, durch ein Fenster auf einem Bildschirm, durch einen Umrechnungsprozess in Nullen und Einsen. Kultur in Corona-Zeiten unterscheidet sich – um im Bild zu bleiben – von echter Kultur wie ein Gesicht hinter einer Maske von einem offenen, lächelnden Gesicht.

Erstickter Widerstand

Wir dürfen uns nichts vormachen: Vor Corona sind zwar „alle gleich“, aber einige sind auch in dieser Hinsicht gleicher als andere. Die derzeitigen Produktions- und Auftrittsbedingungen begünstigen natürlich eher kommerzielle und angepasste Künstler. Diese haben in Fernsehen und Radio einen Fuß in der Tür, generieren Geld durch CD-Verkäufe, über Streaming-Dienste, können sich Webseiten bauen lassen, die alle kommerziellen Einnahmemöglichkeiten nutzen. Wir werden „nach Corona“ – wenn es ein Danach gibt – eine Kulturlandschaft vorfinden, in der viele der Exzentrischen und Sperrigen, der marktwirtschaftlich schwer Verwertbaren durch den Rost gefallen sind. Die, die übrigbleiben, werden es mit einer noch größeren Marktmacht von amazon, Spotify und anderen Verramschern kreativer Leistungen zu tun bekommen.

Wir werden eine Verarmung der Kulturszene erleben, die zur Unzeit kommt. Denn die politische und gesellschaftliche Entwicklung – der Verlust von Freiheiten und sozialer Sicherheit etwa – verlangt danach, von integren Künstlerpersönlichkeit kritisch verarbeitet zu werden. Die Menschen brauchen mehr denn je aufrichtige Emotionen, Hoffnung, Freude – Farbe in einem Leben, in dem der Einfluss „Grauer Herren“ immer größer wird. Sachliche politische Kritik bleibt wichtig – wer aber, wenn nicht die Kunst, vermag die untergründigen Strömungen des Zeitgeists intuitiv zu erspüren und sie symbolisch auszudrücken? Authentische Kunst ist nicht immer realistisch, aber sie ist immer wahrhaftig. Für diese Form von Kultur wird es in absehbarer Zeit schwerer werden. Die schöne neue Kulturwelt wird eher jenen dienen, die an einem seelisch verarmten, entfremdeten und gleichgeschalteten Publikum interessiert. Gäbe es das Corona-Virus nicht, hätten besagte Kräfte es erfinden müssen.

Anzeigen von 9 Kommentaren
  • Gerold+Flock
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  • Gerold+Flock
    Antworten
    Feindesland.
    Wenn mensch das Haus verlässt beginnt eigentlich schon das Feindgebiet.
    Umgeben von einer domestizierten Gesellschaft, die als Besitzstandswahrer
    und Konsumfanantiker zusätzlich ihren zerstörerischen Arbeitswahn als das
    Nonplusultra nicht nur akzeptiert hat, sondern dieses „Hamsterrad bis zum
    Burnout“ auch noch als sogenannten Lebensinhalt zelebriert?
    Die wenigen Handwerker, Künstler, Ärzte usw. die wirklich wichtige sinn-
    volle Arbeiten machen, kann mensch ja nicht gegen diese Menschenmassen
    in den Fabriken und meist schwachsinnigen Dienstleistungsbetrieben auf-
    rechnen.
    Nein! Nicht nur das neoliberale Kapital mit seinen Bossen sind der Feind.
    Nein! Nicht nur unsere verlogenen-korrupten-korrumpierten PolitikerINNEN
    sind unsere Feinde. – Diese parlamentarischen Marionetten der Reichen und
    Superreichen!
    Nein! Der Feind sind auch all diese gleichgeschalteten, manipulierten,
    funktionierenden, fleissigen, rassistischen, konformistischen Wohlstandsbürger
    da Draussen, die mit ihren SUV´s, SMartphones, digitalen Tv-Apparaten,
    Computerspielen, Urlaubsflugreisen, Eigentumswohnungen, Aktienfonds usw.
    dieses zerstörerische System genauso weiter wollen.
    Da haben unsere korrupten neoliberalen ParlamentarierINNEN leichtes Spiel,
    wenn sie weiter blöde und schwachsinnig die zerstörerische Wachstumswahn-
    wirtschaft als den einzig möglichen Status Quo predigen.
    Diese Faker die jetzt auch noch ohne WIDERSTAND eine DIKTATUR aufbauen
    können, indem sie mit PANIKMACHE und ANGST das gesamte eingelullte Volk
    verblöden!
    Das Feindesland beginnt gleich vor meiner Haustüre.
    G.F.
    https://anarchypeaceangel.jimdofree.com/lesestoff-startseite/157-feindesland/
  • Ulrike Spurgat
    Antworten
    Es drängt sich der Gedanke auf das alles aber auch wirklich alles in diesem Land sich “rechnen” muss. Und die Kunst ist Teil davon. Im Juni erklärte Monika Grütters (CDU) mit großer Geste, dass die Bundesregierung eine Milliarde Euro für den “Neustart Kunst” locker macht.  Aufschlussreich ist wer denn noch Günstling desselben Konjunktur Programmes ist: Lufthansa als ein Unternehmen mit 9 Milliarden, die Autokonzerne mit 50 Milliarden. Und die Bundeswehr, die bereits seit den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet hat wird mit weiteren 10 Milliarden auf den letzten aller Kriege so vorbereitet, aber den letzten beißen auch die Hunde….Mit je einer Milliarde für die Kunst und die Kitas. Was aber zur Wahrheit gehört ist, dass der Kulturbereich rund 1,7 Millionen Menschen beschäftigt fast so viele wie in der Autoindustrie und dem Maschinenbau zusammen. Nahezu jeder Vierte lebt in unsicheren sozialen Verhältnissen. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen nutzt die Politik die Gunst der Stunde den Kulturbereich “aufzuräumen” um dann nach Gutsherren Art zu entscheiden wer “förderungswürdig” ist. Das werden die sein die konform und brav sein werden. “Die Freiheit der Kunst” wird gestutzt werden wie die Flügel eines Vogels. Denn die katastrophalen Zustände im Kulturbetrieb der so viel beschworenen Kulturnation sind das Ergebnis jahrelanger Sparmaßnahmen  und Privatisierungen. Sie schieben nun alles auf Korona um ihr Versagen zu vertuschen. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2018 wo jedes Schaf gezählt wird zeigen, dass ca. 34 Prozent der Beschäftigten in der Kulturbranche als Solo-Selbständige arbeiten. In den fünf Berufsgruppen: Kunsthandwerk und bildende Kunst , Fotografie, Musik und Gesang, Schauspielkunst, Tanz und Choreografie sowie Theater-,Film- und Fernsehproduktion sind es mehr als die Hälfte. Schauspieler hangeln sich von Auftritt zu Auftritt. Während einer Inszenierung gelten sie als Angestellte, zahlen Sozialabgaben ohne ein Anrecht auf Arbeitslosengeld. Danach sind sie wieder ohne Einkommen und haben keine Versicherung. Unter Musikern ist es ähnlich, ebenso bei den Lektoren, Übersetzern und Freiberuflern. Selbst Kuratoren haben meist keine Festanstellung mehr. Sie machen die Erfahrungen die Millionen von Arbeitern machen, wo die Konzerne sich Milliarden des Konjunkturprogrammes sich einverleiben und in einem Atemzug die lang gehegten Umbaupläne um setzen und die lohnabhängig Beschäftigten skrupellos und kaltschnäuzig auf die Straße zu setzen.

    Die kreativen Initiativen die der Bevölkerung und der Jugend heute zugute kommen könnten zukünftig von öffentlichen Geldern abgeschnitten werden. Im 19. Jahrhundert war die Kunst den oberen Schichten vorbehalten und im Faschismus wurde alles was kritisch und unliebsam war verboten. Man kann von einer sozialen Bankrott Erklärung sprechen….und der Michel schläft….

  • Piranha
    Antworten
    Gestern hatte ich bei ARTE die Doku “Durch Mord zur absoluten Macht-Hitler dezimiert die SA” und anschließend die Doku über Fritz Bauer gesehen.

    Das (und weil ich nebenbei eine öde Arbeit verrichten musste , nämlich datensensible Unterlagen aus meinen letzten Berufsjahren zu schreddern) hat mich veranlasst heute im Bildungskanal des ORF weitere Dokus zu sehen “Hitlers Helfer”, jeweils 45 min. Nur den Stürmer-Streicher hab ich mir nicht antun können, sonst hätte ich sicher in den Auffangbehälter des Schredders gekotzt.

    Dann fiel mir eine Meldung in youtube auf: Dave Brych berichtet von der Weisung des Berliner Innensenators, alle Demos am WE zu verbieten und mit der Drohung von “harten Strafen”. Dave hat sich mit dem Anwalt Dirk Sattelmeier unterhalten der morgen einen Eilantrag bei Gericht stellen wird. Eilanträge gibt es auch von Berliner Anwälten. https://www.youtube.com/watch?v=GmUX5QX1P5U

    Sattelmeier hat einen vorsichtigen Vergleich zum dunkelsten Kapitel der dt. Geschichte gezogen. Das kann ich nachvollziehen, bedenke ich beispielsweise, dass Rudolf Heß mit seiner Cessna dicht über die Köpfe der Versammlungen von Linken und anderen unliebsamen Gruppen flog und sie damit auflöste.

    Aber es gab noch etwas erfreuliches: im live-chat bei Dave haben sich alle  trotzdem zum “Spaziergang” in Berlin entschlossen und riefen dazu auf, friedlich zu bleiben.

    Ich bin sehr gespannt, wie das weitergeht, denn ahnen konnte man, dass die Staatsgewalt irgendetwas inszenieren wird. Man muss hoffen, dass sie, sollten die Eilanträge erfolgreich sein, wovon ich eigentlich ausgehe, auf ihre  agents provocateurs verzichtet. Die Polizistinnen und Polizisten sollten wieder fröhlich ermuntert werden mit “Schließt euch an”. 🙂

    Wahrscheinlich wird man mich naiv nennen, aber ich glaube immer noch, dass jemand unserer Regierung einen Weg weisen sollte, wie sie unter Wahrung ihres Gesichts aus ihrer selbstverschuldeten Misere wieder raus kommt. Sie kauft sich doch sonst auch für jeden Scheiß und für Millionen Berater ein. Dabei wäre das Ende der Grundrechtsverletzungen sicher kein Scheiß, sondern respektabel.

     

     

  • Freiherr von Anarch
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    Die Idee ist sehr gut und sollte so umgesetzt werden :

    statt Demo zu einem Spaziergang einladen ! ( landesweit als Einladung verbreitet ).

    Die Strassen sind öffentlicher Raum ( noch ).

    Dort tanzt man dann, macht handmade-music, singt und versorgt sich – Kinderspielgruppen alle paar hundert Meter, was 4 Beine hat – Gassi gehen…. Künstler aller Arten machen Laune.

    Als Demo kann es dann nicht veboten werden , Spaziergang braucht keine Genehmigung ( noch ). Plakate und Transparente weglassen – einfach spazierengehen, sich treffen… ohne Masken und Abstand selbstverständlich.

    Der Polizeistaat wird eingreifen, klar – aber dann hat er eine Grenze überschritten, Diktatur endgültig umgesetzt, der Beginn einer landesweiten Rebellion.

    ‘there are fifty ways to end a system’ – man muss es nur wollen, einfallsreich sein.

    ‘Auf nach Berlin ! Lasst uns mal zu einem Spaziergang treffen ! Lasst uns mal kennenlernen – von München bis Hamburg, Dresden bis Köln… Masken brauchen wir nicht, wir zeigen unser Gesicht !’

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Hope
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    “Außenminister Heiko Maas sagte heute (26.08.) angesichts der aktuellen Entwicklungen in Belarus:

    Mit den täglich zunehmenden Repressionen gegen friedliche Demonstranten stellt sich die Führung in Minsk immer weiter ins Abseits. Diese mutigen Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straßen ihres Landes gegen Wahlfälschung und für ihr verbrieftes Recht auf Freiheit und demokratische Teilhabe.”

    https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-entwicklungen-belarus/2377358

    Wer glaubt eigentlich noch so einem Medienlautsprecher. Ein Schwätzer ist er, der Maas, sonst ein Nichts.

    Ich übersetze das da oben von ihm Gesagte mal für Deutschland, wofür Maas keine Eier in der Hose hat:

    Mit den täglich zunehmenden Repressionen gegen friedliche Corona- Demonstranten stellt sich die Führung in Deutschland immer weiter ins Abseits. Diese mutigen Bürgerinnen und Bürger gehen am 29.08.2020 auf die Straßen ihres Landes gegen Diktatur und für ihr verbrieftes Recht auf Freiheit und demokratische Teilhabe.

    • Piranha
      Antworten
      Ja, genau so!

      Der Maas, ein Landsmann von mir, war mir auf lokaler Ebene durchaus sympathisch. Klar ist auch, dass ein Schuljunge/Ziehsohn sich irgendwann aus dem Schatten seines wortgewaltigen ‘Vaters’ Oskar befreien musste.

      Was er heute abzieht ist mehr als fraglich und es ist mir peinlich. Oder sollte ich sagen: er ist peinlich.

  • Marla
    Antworten
    Ich mal wieder….. 1.

    Bei den Kulturdarbietungen musste ich spontan an die Vorgaben im KZ denken, klassische Musik live zu spielen, wenn Obrigkeit auf Visite kam! Es hatte im TV und an anderer Stelle wirklich sowas von verordnetem KulturPositivismus! (Schauer, brrr)

  • Marla
    Antworten
    Ich mal wieder 2….

    Es gibt eine bittere PR-Helferlein-Struktur: immer wieder werden Hungernde, Zerrissene, Abgekämpften auf die Bühnen gezerrt, um systemstabilisierend das Helfersyndrom zu aktivieren….

    Nun also Kulturler! Enttäuschend die letzten Jahrzehnte wie wenig Kulturler das Auseinanderbrechen ihrer Zunft (gilt übrigens auch bei Journalisten, Wissenschaftler, z.B.)  in richtig reich und richtig arm thematisierten! Und die Folgen komplett ignorierten!

    Es gibt eine richtig fette reiche Oberschichtskultur! Da wurde in den letzten Jahrzehnten ein Millionen Geschäftszweig aufgebaut! Teilweise massiv mit Steuergeldern! Und dazu nicht wenige, die einfach ne Bespassung/EventFreizeitgestaltung aufbauten!

    Die Idee der 70er, Kunst und Kultur im öffentlichen Raum hat zusätzlich manche reich und mächtig gemacht und sie zu Mittätern des Systems werden lassen……

     

    Wenn ich jetzt gedacht habe Corona #stayathome (ja auch massiv als Slogan von Kulturlern gepredigt) würde auch zur inneren Einkehr der #socialdistancing Leute führen und sie würden dringend nötige Auseinandersetzungen darüber führen, was ist Kultur, was wollen wir, wer wollen wir sein und was macht es mit Kultur und Kulturlern, wenn die einen auf den Schössen der Macht sitzen und mitfraternisieren und die anderen kaum überlebenden können? Und: kann sich Kultur unpolitisch leisten? Hat Kultur nicht auch den Anspruch denen ne Stimme/einen Ausdruck zu geben, die keinen Status haben?

    Dieses Auseinanderbrechen in Millionärskultur und arme Leute Gedöns hat ja massiv auch Folgen für die Bevölkerung! Was passiert eigentlich, wenn die einen ‘sich Kultur leisten’ können und die anderen nicht?

    Gleichzeitig führt es oft dazu, dass einige ‘politische’ Künstler eher viel umsonst machen/machen müssen, während Reiche sich reiche Künstler (nicht selten auf Staatsknete) leisten! (Für den dämlichen Virus-Topf der EU traten hochkarätige Künstler an!) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/mehr-als-sechs-milliarden-euro-beim-corona-spendenmarathon

     

    Hat Kultur eigentlich noch die Brückenbauerfunktion, die Menschheitsgeschichtenerzählerarbeit, den Versöhnerauftrag oder ist Kultur nur noch was für die GenerationenGebildeten? (Also für den Bildungsadel?) sind viele Kulturler nicht eher ein Wohlfühlaccessoire am Knopfloch der Mächtigen (im Mittelalter am Hofe, in den Pälästen und Kathedralen)?

     

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