Nochmals zum Thema Reparationen: Frierenmüssen in einem überheizten Raum

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

165. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Endlich geschieht etwas in Sachen Reparationszahlungen an Griechenland: Regierungssprecher Steffen Seibert ist nämlich aktiv geworden und hat verkündet – dass nichts geschehen wird. Man kann schon zynisch werden in diesen Tagen. Da hat sich das griechische Parlament endlich aufgerafft, die überfälligen Reparationen – wenn auch in eher zaghaftem Tonfall – einzufordern; und der deutschen Regierung fallen dazu nur aufgeweichte Phrasen ein: von einer deutschen Verantwortung vor der Geschichte – einer Verantwortung, der eben dieses Verhalten Hohn spricht.  Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

ausnahmsweise laßt mich heute mit einer persönlichen Nachricht beginnen, die unsere Helferin und Griechenlandreisende Uschi betrifft: sie erlitt in Griechenland einen schweren Unfall und musste mit einem Flugzeug zur OP nach Hamburg geflogen werden. Es handelt sich um keine lebensgefährliche Verletzung, jedoch um einen sehr ernstzunehmenden Bruch. Ihr werdet verstehen, dass ich ihr auf diesem Wege erstmal alles, alles Gute wünsche, ganz sicher auch in Eurem Namen und im Namen aller Mitglieder unseres Helferteams. Und diese guten Wünsche schließen selbstverständlich auch Kalle mit ein. Mögen wir sehr bald gute und entlastende Nachrichten über Uschi mitteilen können. Selbstverständlich werde ich Euch auf dem Laufenden halten, was die weiteren Entwicklungen bei Uschi betrifft!

Etwas abrupt kommt mir vor dem Hintergrund dieser Nachrichten der Wechsel zu unserer GriechInnenhilfe vor, aber sei’s drum:

Den Spendenzugang für unsere Hilfsaktion während der letzten sieben Tage kann man wohl als erfreulich bezeichnen. 270,- Euro trafen auf unserem Hilfskonto ein, überwiesen von 9 SpenderInnen an uns. Was im übrigen zeigt – bitte glaubt mir das: auch Spenden in kleinerer Höhe sind sehr willkommen bei uns! Wobei ich sehr ausdrücklich an dieser Stelle wiederhole, was ich vor ein paar Tagen bereits in einem Kurzkommentar zu einem Leserbrief schrieb: Unsere Spendenappelle richten sich an die Leserinnen und Leser, die finanziell dazu in der Lage sind (hin und wieder jedenfalls), uns auch materielle unterstützen zu können. Dass sich Hartz IV-Betroffene höchstens einmal in Ausnahmefällen an dieser Hilfsaktion zu beteiligen vermögen, liegt auf der Hand, und wir OrganisatorInnen wären die letzten, die daraus den Zwangsverarmten bei uns einen Strick drehen würden.

Um so bewegender ist es für uns, immer mal wieder erfahren zu dürfen, dass sich selbst Verarmte bei uns an dieser Hilfe für Verarmte in Griechenland beteiligt haben und immer mal wieder zu beteiligen pflegen. Druck daraus soll für niemanden entstehen, und auch unser Dank für solche Hilfen und Helfer möge keinerlei Druck auslösen bei den Betroffenen. Wir wissen sehr genau – nicht zuletzt ich, der sich in den “Vernügungsregionen” der sogenannten “Grundsicherung” aufhalten darf, gemeinsam mit seiner Frau –, dass es oft keinen großen Unterschied macht, in Griechenland Opfer der sogenannten “Austeritätspolitik” zu sein oder Betroffener der sogenannten “Bundessozialgesetzgebung” bei uns. Mehrfach schrieb ich bereits, dass die “Grundsicherung” hierzulande zutreffender als Abgrundsicherung zu bezeichnen wäre. Und der berühmt-gewordene – ebenso zutreffende wie geniale – Satz ist mit seiner Wahrheit den meisten von uns vertraut: am Ende des Geldes ist oft noch sehr viel Monat übrig! Damit aber genug zu dieser Thematik!

In der Vorwoche – viele von Euch erinnern sich bestimmt – waren auf unserem Spendenkonto für GriechInnen in Not sogar 570,- Euro eingegangen, überwiesen von 3 UnterstützerInnen an uns. Das bedeutet für uns, die OrganisatorInnen: es liegen insgesamt zwei sehr gute Spendenwochen hinter uns! Mit großem Dank an alle Helferinnen und Helfer teile ich das heute mit, und wie immer geschieht das im Namen des gesamten Organisationsteams!

Gestattet mir heute, ein Thema neu aufzugreifen, das uns bereits in den letzten Wochen mehrfach beschäftigt hat, auch in den Berichten hier. Es geht – noch einmal – um die Reparationen, die unser Nachkriegsdeutschland, Erbnachfolger des Dritten Reichs, den Griechinnen und Griechen bislang schuldig geblieben sind.

Inzwischen – am Mittwoch, den 17. April – hat sich das griechische Parlament mit dieser Frage beschäftigt, und nahezu über alle Parteiengrenzen hinweg hat sich die griechische Volksvertretung hinter diese Reparationsansprüche gestellt. Es handelt sich, wie vielleicht erinnerlich, um rund 300 Milliarden Euro, die unser Land an die Menschen in Griechenland zu zahlen hätte, wenn es mit rechten Dingen zuginge in diesem Bereich. Nun, Deutschlands Antwort, der Öffentlichkeit vom Pressesprecher der Deutschen Bundesregierung Steffen Seibert noch vor der griechischen Parlamentsdebatte mitgeteilt, ist bekannt: die Frage der Reparationen sei „juristisch wie politisch abschließend geregelt“ – eine blanke Lüge, sonst nichts.

Doch immerhin, dieses denn doch: die griechische Regierung, das griechische Parlament, die Griechinnen und Griechen selber geben sich mit dieser vorweg erteilten Abfuhr nicht zufrieden. Dem salbadernden Gefasel eines Steffen Seibert halten sie einen Parlamentsbeschluss entgegen, der in Übereinstimmung mit der historischen Wahrheit Klartext spricht. Wo sich Steffen Seibert in Sätzen ergeht, dass sich Deutschland seiner „historischen Verantwortung“ bewusst sei, dass Deutschland wisse „um die große Schuld, um das große Leid, das Deutschland und Deutsche zu Zeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht haben“, dass Deutschland „alles daran setzen“ müsse, dass beide Seiten „als Freunde und Partner gute Beziehungen haben und dass sie sich gegenseitig zum Wohle beider Länder unterstützen“ müssten, wo aus dem fernen Berlin also süßlichster Sirenengesang nach Griechenland herüberklingt – ohne irgendeine Substanz! –, da hat sich in Griechenland selbst die mit der CDU/CSU befreundete Partei der Konservativen, die Nea Dimokratia (ND), auf die Seite der SYRIZA gestellt.

Konkret: Kyriakos Mitsoutakis, Vorsitzender der ND, bezeichnete am 17. April das Thema Reparationen als eine „wichtige historische Angelegenheit“, die noch offen sei. Das Thema gehöre zu den „Prioritäten Griechenlands“, die Ansprüche seien politisch auch durchsetzbar, auch wenn dies „schwierig“ werden dürfte. Und auch die Vorsitzende der Bewegung der Veränderung Fofi Gennimata sprach von einem „juristisch und wirtschaftlich relevanten Fall“. Freilich:

Zunächst sollen auf diplomatisch untergeordnete Weise diese Reparationsansprüche Griechenlands an die Bundesregierung „herangetragen“ werden, in der Gestalt einer „Verbalnote“, wie es im Politikerkauderwelsch heißt. Zwar sollen auch das Europaparlament und die Vertretungen aller EU-Mitgliedsstaaten über diesen „Schritt“ informiert werden, doch Premierminister Alexis Tsipras schlägt auch diesesmal wieder eher arg devote Töne an: „Wir haben jetzt die Chance, dieses Kapitel für beide Völker zum Abschluss zu bringen“, so der SYRIZA-Chef bei der Parlamentsdebatte. Das klingt weniger nach Rechtsanspruch und mehr nach Wahrscheinlichkeitsrechnung. Und deutlicher noch im Bittstellerton fügte Tsipras hinzu: ihm sei wichtig, mit Deutschland „auf Augenhöhe und freundschaftlich“ zusammenzukommen. Noch einmal: da war Steffen Seiberts Ablehnung, als kitschiges Menschlichkeitsgesülze serviert, bereits in der Welt. Und um nur mit zwei furchtbaren Zahlen an das furchtbare Unglück zu erinnern, das Nazideutschland über die GriechInnen gebracht hatte: es geht – unter anderem! – um Wiedergutmachung für die Hinterbliebenen von 580.000 ermordeten GriechInnen und Griechen, es geht um 70.000 Juden aus Griechenland, die von den Deutschen umgebracht worden sind.

Den rosigen Mitleidssätzen des Herrn Steffen Seibert stünde eine andere Farbe deshalb besser an: Schamesröte! Doch so sah man auf der betreffenden Pressekonferenz eher in das bläßliche Gesicht eines Oberprimaners, der seinen Ablehnungstext aufsagte wie ein schlechtes Gedicht. Und schon Max Brod, Schriftstellerfreund von Franz Kafka, formulierte es einmal so: „Kitsch, das ist das Böse und die Verlogenheit in der Kunst!“ Bei Steffen Seiberts Äußerungen jedenfalls gingen Wärmeton im Stil und Eiseskälte in der Sache eine unerträgliche Verbindung ein. Von „angedrehter“ Wärme sprach der Frankfurter Philosoph Theodor W. Adorno jedesmal, wenn er auf solche Sprache stieß. Doch gelebte, ernstgenommene Mitmenschlichkeit ist kein Heizkörper, den man nach Belieben an- oder abstellen darf. Bei dieser Pseudowärme friert man selbst in einem überheizten Raum!

Und damit ein weiteres Mal zu meiner abschließenden Bitte um Spenden zugunsten unserer Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“ auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer, wie gesagt, noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „IHW“ versehen. Es sei wiederholt: wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

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