Umweg zur Freiheit

 In FEATURED, Politik (Inland)

Könnte eine autoritäre Übergangsregierung das derzeitige Corona-Regime abwickeln und die Demokratie wiederherstellen? Das Lamentieren darüber, dass unsere Demokratie nur eine Fassadendemokratie sei, oder dass sie zumindest nicht so funktioniert, wie sie funktionieren könnte und sollte, ist nichts Neues. Und Konzepte, wie dies zu ändern sei, begleiten uns schon lange. Was aber gerade in der aktuellen Situation immer offensichtlicher wird: Das Volk, d.h. die einzelnen Bürger, die ja eine Demokratie aktiv gestalten müssen, damit sie echt ist, ist sich dieser Tatsache nicht bewusst und nicht bereit zu dieser anstrengenden Aufgabe. Wie also soll eine Demokratie jemals möglich werden? Volker Freystedt hat sich darüber Gedanken gemacht.

 

Ich möchte hier einige Gedanken strukturieren, die in den letzten eineinhalb Jahren bruchstückhaft in meinem Kopf gekreist sind, und zwar deshalb, weil ich für mich mittlerweile zu einer logischen, auch für mich persönlich überraschenden Schlussfolgerung gekommen bin. Davon am Schluss mehr.

Offiziell firmiert die BRD – wie der so genannte „freie Westen“ allgemein sowie etliche andere Staaten auch – als DEMOKRATIE. Doch in ihrem Selbstbild (und sogar Namen!) tat das sogar die DDR!

Was wurde denn als Maßstab genommen, um ein Staatswesen als demokratisch zu bezeichnen? Da Demokratie übersetzt „Herrschaft durch das Volk“ bedeutet, sah man bisher als Grundvoraussetzung einer Demokratie die freie Wahl an: Die Stimme jedes Bürgers zählt gleich viel! Was zu lange ignoriert wurde: Viele Bürger hatten zwar das Wahlrecht, aber sie fühlten sich wie der Vegetarier in der Metzgerei, der gefragt wird: „Was darf’s denn sein?“ Entweder er geht hungrig wieder weg, oder er entscheidet sich für Fleischpflanzl, weil da wenigstens noch der Begriff „Pflanze“ vorkommt, was das Verdrängen der Wahrheit etwas erleichtert…

Wenn einmal eine neue Partei gegründet wurde, die für etwas mehr Auswahl sorgen wollte, scheiterte sie in der Regel an der 5%-Klausel und vor allem daran, dass sie keine mediale Aufmerksamkeit bekam. So blieben die Parteien unter sich, die bereits das Parlament unter sich aufgeteilt hatten. Kam dann doch einmal eine völlig neue Partei hinein (die für genügend Aufregung gesorgt hatte, so dass die Medien sich mit ihr befassen mussten), wie früher die Grünen und später die AfD, so geriet sie sehr schnell unter den Anpassungsdruck der eingespielten Strukturen; andererseits gewöhnten sich auch die neuen Mitglieder des Parlaments äußerst gerne an ihre neuen Privilegien, und ihnen wurde klar, dass sie diese am ehesten behalten könnten, wenn sie nicht aus der Reihe tanzten…

Auch die Versuche einiger Initiativen, sich für mehr direkte Demokratie einzusetzen, waren von wenig Zählbarem gekrönt. Direkte Demokratie bedeutet, dass die Bürger über einzelne Entscheidungen direkt abstimmen, und dies nicht allein den gewählten Abgeordneten überlassen. So hat man vielleicht jemanden ins Parlament gewählt, weil er gegen Atomkraft ist, und jetzt stimmt er dem Bundeswehreinsatz im Ausland zu!

Jeder, der sich schon einmal in einer Partei oder sonstigen Organisation engagiert hat, weiß, dass dies Arbeit mit sich bringt. Man muss sich mit verschiedenen Themen beschäftigen, sich darin einarbeiten, um sich eine Meinung bilden zu können, und dann muss man auch noch in der Lage sein, diese mit anderen zu diskutieren. Und man muss immer wieder Termine wahrnehmen. Demokratie ist anstrengend!

Dabei ist die Welt der Ablenkungen und Zerstreuungen doch immer bunter und vielfältiger geworden! Allein um bei den ständigen technischen Neuerungen auf dem Laufenden zu sein, benötigt es viel Zeit – und Geld, denn auch die Hardware muss mit der Software Schritt halten!

Hinzu kommt, dass das Bildungssystem zu einem Ausbildungssystem verkommen ist. Man lernt nicht mehr, weil man Fragen hat, sondern weil man als Arbeitskraft gefragt sein will. Also lernt man nicht, was einen interessiert, sondern womit man anderen nützlich sein kann. In solch einem System sind alle anderen nur lästige und bedrohliche potenzielle Konkurrenten, die man ausstechen muss. Das führt zu Vereinzelung, und Demokratie lebt von Kooperation.

Sieht man sich die Realität unserer angeblichen Demokratie der vergangenen 75 Jahre an, so ist klar zu erkennen, wer die Entscheidungen getroffen hat: Es waren fast ausnahmslos Menschen mit ziemlich großem Ego, die gerne bestimmen und vor allem über andere bestimmen. Und die den Konkurrenzkampf lieben. Und sehr viele darunter, die sich bereitwillig korrumpieren ließen zu ihrem eigenen persönlichen Vorteil. Da blieb nichts übrig vom angeblichen Repräsentanten des Volkes, der bei Amtsantritt ja sogar noch einen Eid darauf abgelegt hatte, dem Volk zu dienen!

Wie lief denn das politische Tagesgeschäft bisher ganz praktisch ab? Um die Zustimmung der breiten Masse zu einer Entscheidung zu gewinnen, musste von den Regierenden ein geschicktes Marketing betrieben werden. Das Volk musste zu der Überzeugung gelangen, dass die vorgelegte Reform zu seinem Nutzen sein würde – auch wenn die Entwürfe dazu von Lobbyisten erarbeitet worden waren (was natürlich nicht publik gemacht wurde). Bis sich das Gegenteil heraus stellte, waren die Verantwortlichen oft schon nicht mehr im Amt (sondern häufig auf lukrative Posten in Konzerne gewechselt, für die sie sich nützlich gemacht hatten). Vor allem: kein Parlamentarier kann für das, was er angerichtet hat, haftbar gemacht werden!

Welchen Schluss ich daraus ziehe? Um überhaupt dem näher zu kommen, was man eine echte Demokratie nennen könnte, müssten erst einmal Menschen, die beruflich fest im Leben stehen, also nicht den Verlockungen eines warmen Plätzchens im Plenarsaal zu erliegen drohen (mit guten Verbindungen via Lobbyisten zur Wirtschaft, zur Sicherung der eigenen Zukunft) als direkt gewählte Vertreter des Volkes ein Parlament bilden (oder besser mehrere, themenbezogene Parlamente z.B. nach den Vorschlägen von Johannes Heinrichs*).

Allerdings dürfte dies ziemlich illusorisch sein, denn das so genannte Wahlvolk ist viel zu träge, um sich mit Ideen, die eine neue Richtung weisen, zu befassen – siehe weiter oben.

Also müssten die Gutwilligen, die nicht egoistisch auf sich allein fixiert sind, sondern das eigene Wohl im Verbund mit anderen denken und fühlen können, quasi diktatorisch die Macht übernehmen und dann Schritt für Schritt der skeptischen Bevölkerung den Weg aufzeigen zu einem Mit- statt Gegeneinander. Eine Diktatur hat nun mal den großen Vorteil, dass man Veränderungen schneller umsetzen kann. Und einer der wichtigsten ersten Schritte müsste – neben der Verhaftung der momentan ihr Unwesen treibenden Clique – die Übernahme der Radio- und TV-Anstalten sein! Alles, was zur Verdummung und Passivität erzogen hat, raus aus den Programmen! Vieles war ja nur noch Füllstoff (“Content”) zwischen den Werbeblöcken, die ebenfalls rigoros abgeschafft gehören. Testergebnisse und Produktvergleiche okay, aber Versprechen, die auf die Naivität der Bürger (“Verbraucher”) bauen, wie sie z.B. bei pharmazeutischen Produkten gang und gäbe sind, gehören verboten. Genauso wie der ganze Unterhaltungsmüll, der den Geist abstumpft.

Wenn die Menschen dann ihre Zeit nicht mehr vergeuden können, sind sie vielleicht wieder offen für persönliche Begegnungen, für den geistigen Austausch, für die Beteiligung an Entscheidungen, die das Gemeinwesen betreffen, von dem sie ja ein Teil sind! Aber das ist ein längerer Prozess, und die Frage ist, wie leiten wir ihn ein, wie erreichen wir eine baldige, dringend nötige Veränderung, wenn nicht durch rigoroses Eingreifen in die Speichen des sich momentan immer schneller drehenden Rades? Wir spüren doch, dass unsere Freiheit immer stärker unter die Räder kommt!

Wir hätten also das Paradox, dass der Weg zur wahren Demokratie über den riskanten Grat der Diktatur führen würde. Ich bin mir bewusst, dass bei dem Begriff Diktatur bei vielen sofort ein Alarmsignal aufleuchtet. Tut es bei mir auch. Ich sehe aber derzeit keinen anderen Weg als diesen zugegeben riskanten. Wobei: was haben wir denn jetzt? Bevor ein machtbesessener Psychopath mir sagt, was ich darf und was nicht, dann doch lieber jemand, der es gut mit mir meint, mich zur Beteiligung einlädt, so weit ich dies möchte, ja, den ich vielleicht sogar selbst mit ausgewählt habe! Und der sich selbst letztlich überflüssig machen soll – das müsste gesetzlich festgelegt werden. Also quasi eine Diktatur auf Zeit, bei der die Teilzeitdiktatoren immer wieder ausgetauscht werden, um erst niemand auf den Geschmack zu bringen…

Die neue Partei dieBasis hat ja als eine ihrer vier Säulen die Machtbegrenzung. Wie dieser Aspekt konkret umgesetzt werden soll und kann, wird derzeit von Arbeitsgruppen innerhalb der Partei erarbeitet. Vielleicht lässt sich so etwas auch in anderen Parteien einführen – bis das Parteiensystem endlich abgelöst wird von direkter Bürgerbeteiligung durch dann demokratiefähige Bürger.

 

*Johannes Heinrichs: Revolution der Demokratie, Berlin 2003

 

 

Kommentare
  • CloudWork3r
    Antworten
    Das finde ich sind sehr interessante Gedanken, und ich kann mir auch vorstellen, dass es funktionieren könnte.
    Die Demokratie ist noch nicht lange ausgelöscht, ist quasi noch in den Köpfen der Menschen, die einmal in demokratischen Strukturen leben durften, von daher kann ich mir Diktatur auch maximal für eine begrenzte Übergangszeit vorstellen.

    Die Kräfte des Volkes und das demokratische Grundbedürfnis ist zu stark, als dass sich das lange halten könnte.
    Was dieBasis macht, halte ich für einen sehr spannenden Entwurf, der allerdings noch ausgeteilter werden muss.
    In einem so großen und bevölkerungsreichen Staat wie Deutschland wird ein bottom- up- Ansatz noch viel knirschen im Getriebe verursachen, aber es sollte funktionieren!

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