Was ist Glück? (5/5)

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Heute müssen wir mal konkret werden: Glück hat auch eine körperliche Basis, und das bedeutet: ohne genügend Schlaf, gesunde, genussreiche Ernährung und aureichend Schlaf ist es schwer, eine gesunde Seele zu kultivieren. Andererseits sollte man den einander oft widerprechenden Ratgebern auch nicht blind vertrauen und ruhelos von einem “Glückstipp” zum nächsten hasten. Es kommt bei allem Tun – wie auch beim Essen – vor allem auf das “Wie” an. Sich Zeit lassen und dem gesegneten Moment nachspüren, der sich oft gerade ungeplant einstellt. Sich selbst nicht so wichtig nehmen, eine Aufgabe und Sinn im Leben finden. Gemeinschaft suchen und sich über kleine Dinge freuen – dabei aber kein Glückssüchtiger werden, der ewig einem fernen Ziel nachjagt, das gerade im Vorgang des “Jagens” nur sehr schwer erreichen ist.  Holger Wohlfahrt

Körper und Geist

Seit René Descartes wird in der westlichen Welt verstärkt zwischen Körper und Geist getrennt. Der französische Philosoph glaubte, dass Leib und Seele getrennte Einheiten seien. Er orientierte sich damit seinerseits an Theorien des antiken Denkers Platon und machte sie wieder salonfähig.

Descartes entwickelte mit seiner Theorie aus dem 17. Jahrhundert eines der wirkkräftigsten wissenschaftlichen Paradigmen, das bis heute prägend wirkt. Im Laufe der Tradierungsgeschichte wurde nur leider allzu oft vergessen, dass Descartes auch auf die starke Wechselwirkung zwischen Körper und Geist hinwies. Stattdessen wurde etwa in der sogenannten Schulmedizin eine teils sehr deutliche Trennlinie zwischen psychischen und physischen Leiden gezogen.

Erst in jüngerer Zeit scheint zumindest unter Nachwuchswissenschaftlern wieder stärker bewusst zu werden, wie eng Körper und Geist tatsächlich miteinander verwoben sind, dass beides vielleicht gar nicht voneinander zu trennen ist. Seit einigen Jahren findet vom Rande des wissenschaftlichen Mainstreams aus ein vorsichtiges Umdenken statt. Schließlich zeigt sich immer wieder, dass eine effizienzgetriebene Medizin, die sich nur punktuell somatischen Beschwerden widmet und die psychische Konstitution des Patienten dabei außer Acht lässt, oft nicht nachhaltig erfolgreich sein kann.

Doch noch herrscht die materialistisch agierende Effizienzmedizin vor. Gerade aufgrund ihrer enormen Ausdifferenzierung und der immer feineren Detailforschung ist sie insgesamt auch überaus erfolgreich. Krankheiten, die früher sichere Todesurteile bedeuteten, sind inzwischen teils gut behandelbar.

Der medizinische Fokus auf das vermeintlich nur „körperliche“ Problem verhindert allerdings die ganzheitliche Betrachtung des Menschen. Kein Wunder, dass immer öfter Patienten ihr Heil bei allen möglichen Wunderheilern suchen, deren Vorgehen aus herkömmlich medizinischer Sichtweise fragwürdig sein mag, die aber die Psyche des Patienten mit einbeziehen und daher bisweilen auch Heilungserfolge erzielen. Für viele Wissenschaftler, die wie selbstverständlich im Paradigma Descartes ausgebildet wurden, ist das nur schwer nachvollziehbar.

Dabei ist die Wirkung von Placebos schon seit der Antike bekannt. Ein Placebo (aus dem Lateinischen zu übersetzen mit „ich werde gefallen“) ist ein Behandlungsmittel ohne Arzneistoff und somit auch ohne pharmakologische Wirkung. Neben Scheinmedikamenten kann auch die Behandlung durch Worte oder sogar eine Scheinoperation unter dem Begriff „Placebo-Behandlung“ zusammengefasst werden.

Als wohl erster beschrieb Platon im vierten vorchristlichen Jahrhundert, welch starke Wirkung allein Worte auf den Heilungsprozess eines Kranken haben können. Er zeigte, dass schwere Leiden durch die zugewandte und optimistische Ansprache eines behandelnden Arztes gemildert werden können. Durch den festen Patientenglauben an die Heilung stiegen laut Platon tatsächlich die Heilungschancen.

Die erste klinische Studie und der nach heutigem Verständnis somit erste wissenschaftliche Nachweis der Wirkkraft von Placebos wurde jedoch erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert erbracht. Patienten in einem Militärkrankenhaus in St. Petersburg erhielten Pseudopillen ohne Wirkstoff. Dennoch verbesserten sich ihre Symptome deutlich gegenüber einer Vergleichsgruppe. In der Folge wurden weltweit ähnliche Studien durchgeführt, die immer wieder die Wirkmacht von Placebos bestätigten.

In Deutschland tauchte der Begriff des Placebos in wissenschaftlichen Kreisen dennoch erst in den 1950er Jahren auf. Die Veröffentlichung eines Aufsatzes über den Placeboeffekt im einflussreichen „Journal of the Amerian Medical Association“ durch den amerikanischen Forscher und Medizin-Pionier Henry Knowles Beecher von der Harvard University bedingte diese zaghafte Wahrnehmung des sonderbaren und für viele unerklärlichen Effekts. Lange wurden Placebos gerade in Deutschland als „Spinnerei“ und „unwissenschaftlicher Hokuspokus“ bezeichnet.

Eine allgemein anerkannte, definitive Erklärung für die Wirkweise von Placebos gibt es allerdings bis heute nicht. Auch ist nicht klar, wie stark Placebos tatsächlich wirken. Es gibt Schätzungen, wonach die Wirkungen von Arzneimitteln zu 20-80% durch Placeboeffekte entstehen.

Als vielleicht häufigster und am einfachsten nachvollziehbarer Erklärungsansatz für die Placebo-Wirkung wird die Ausschüttung von Endorphinen genannt, die mit einer Behandlung einhergeht, die für den Patienten hoffnungsstiftend ist. Diese Glückshormone schalten Schmerzrezeptoren aus, sorgen für ein besseres Befinden des Patienten und stärken somit den Heilungsprozess des Körpers.

Wie dem auch sei – die positive Wirkung von Placebos wird inzwischen von keinem ernstzunehmenden Wissenschaftler mehr bestritten. Diese Wirkkraft verdeutlicht nun aber sehr anschaulich, wie eng der Zusammenhang zwischen Körper und Geist tatsächlich ist. Die Beeinflussung des Geistes hat demnach eine massive Auswirkung auf das körperliche Wohlbefinden.

Doch auch andersherum kann ein gesunder, sich gut anfühlender Körper positive Effekte auf den Geist haben. Bekannt ist die Formulierung des römischen Dichters Juvenal aus dem frühen 2. Jahrhundert, die in komprimierter Form auch heute noch gerne zitiert wird: „Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.“ Das eine geht nicht ohne das andere.

Das heißt aber auch, dass nicht nur die Pflege des Geistes zur Heilung körperlicher Beschwerden beiträgt, sondern dass auch andersherum, die Pflege des eigenen Körpers unbedingt notwendig ist, will auch der Geist gesund sein. Ein gesunder Geist kann zweifelsohne als glücklicher Geist verstanden werden. Einer, der zersetzende Gefühle nicht kennt.

Der jüngste Zweig der Glücksforschung setzt daher verstärkt am Körper an. Die Prämisse lautet: Geht es dem Körper gut, wird sich auch der Geist besser fühlen.

Dabei scheinen drei Faktoren von entscheidender Bedeutung zu sein. Will man also den eigenen Körper in guter Verfassung halten und sich damit auch mental gut fühlen, sollte folgendes beachtet werden:

1. Schlaf:
Viele erfolgshungrige und um Anerkennung buhlende Menschen kokettieren damit, dass sie nur wenig Schlaf brauchen. Diesen Leuten sollte man vielleicht die Schlafgewohnheiten Johann Wolfgang von Goethes oder Albert Einsteins entgegenhalten. So war Goethe nach eigener Aussage ein ausgesprochener Langschläfer, der Zeit seines Lebens zehn Stunden Schlaf benötigte. Einstein musste angeblich 12 Stunden schlafen, wollte er in Form sein.

Die Erfolge beider Geistesgrößen dürften die des angeblich nur vier Stunden pro Nacht schlafenden Top-Managers sehr deutlich in den Schatten stellen. So gesehen lohnt es sich vielleicht, über einen Paradigmenwechsel nachzudenken.

Warum der Mensch etwa ein Drittel seines Lebens in einer Art Bewusstlosigkeit verbringen muss, ist noch nicht letztgültig geklärt. Aber die Tatsache, dass jeder Mensch Schlaf braucht ist natürlich klar. Nach ca. 96 Stunden ohne Schlaf stellen sich beim Menschen lebensgefährliche körperliche und psychische Störungen ein. Bereits nach 24 Stunden ohne Schlaf wird die Amygdala, jenes Hirnareal, dessen Aktivierung mit Ängsten und auch Niedergeschlagenheit einhergeht, um bis zu 60 % stärker durchblutet. Das heißt, sie wird aktiviert, während der Präfrontalkortex, das rationale Kontrollzentrum, abgekoppelt wird. Negative Gefühle, Angst und Gereiztheit können die Folge sein.

Ein gesundes Schlafverhalten ist daher unbedingt notwendig, will man die Grundbedingungen für ein glückliches Alltagsleben schaffen. Schlafforscher empfehlen vor allem eine gute Schlafhygiene. Damit ist gemeint, dass die Schlafumgebung den eigenen Bedürfnissen gemäß gestaltet sein sollte, dass also Matratzen, Decken, auch Lichtverhältnisse (viele Menschen haben es zu hell in ihren Schlafzimmern) an die Bedürfnisse des eigenen Körpers angepasst werden. Sodann ist ein gewisser Schlafrhythmus notwendig. Schlafforscher empfehlen, dass man stets zu ähnlichen Zeiten ins Bett gehen und vor allem zu ähnlichen Zeiten wieder aufstehen solle. Auch feste Rituale vor dem Zubettgehen, wie das Trinken eines Abendtees, können hilfreich sein.

Auf keinen Fall sollte man kurz vor dem Schlafen noch einmal Handys oder herkömmliche Laptops einschalten. In einer Studie zeigt der Schlafforscher Paul Gringas, dass die Bildschirme durch ihre großen und hellen Displays kurzwelliges Blaulicht erzeugen. Dieser Teil des Lichtspektrums sorgt dafür, dass der menschliche Körper weniger vom müde machenden Hormon Melatonin produziert. Das Schlafbedürfnis kann infolge intensiven abendlichen Handygebrauchs bis zu einer Stunde nach hinten verschoben werden. Wer also ohnehin schlecht einschläft, sollte das Handy spätestens eine Stunde vor seiner Schlafenszeit weglegen.

2. Ernährung:
Die Ernährungswissenschaft ist ein weites Feld, auf dem nahezu wöchentlich neue Studien produziert werden. Aus all diesen Studien Rückschlüsse für den Alltag zu ziehen, ist fast unmöglich. Wer es versucht, wird auf ständige Widersprüche stoßen und schließlich verwirrt kapitulieren.

Folglich helfen auch die unzähligen Ernährungsratgeber und Diätempfehlungen nicht weiter. Schließlich orientieren sie sich an jenen, sich teils stark unterscheidenden oder gar widersprechenden Studien und streuen (zumindest wenn man mehr als ein Ratgeberbuch liest) nur Verwirrung.

So waren zum Beispiel vor einigen Jahren Frühstückseier schuld an zu hohem Cholesterin; heute ist zu hohes Cholesterin angeblich gar kein größeres Problem mehr und Eier – so sie gekocht wurden – sind das schon gar nicht mehr. Nüsse schützen vor Krebs, hieß es kurzzeitig, bis die Studie angeblich widerlegt wurde. Schokolade machte kurzzeitig schlau, Rosmarin half vorübergehend dem Gedächtnis, Rotwein wirkte aufgrund des Resveratrols als Jungbrunnen und Kaffee verlängerte oder verkürzte das Leben über einen gewissen Zeitraum fast im monatlichen Wechsel.

Glücklicherweise hat das belgische „Zentrum für Evidenzbasierte Medizin“ in einer umfassenden Metastudie vor kurzem analysiert, was von all dem zu halten ist: Nichts!

Und dennoch wird es auch weiterhin monatlich neue Studien geben, die in rasantem Wechsel ein Lebensmittel wahlweise als Wundermittel oder schnellen Todbringer entlarven.
Der Grund für die ständige mediale Präsenz ernährungswissenschaftlicher Studien liegt am großen Interesse der Öffentlichkeit. Jeder muss schließlich essen. Studien zu diesem Thema scheinen also für jeden interessant zu sein. Anders als Studienergebnisse der Quantenphysik oder der Materialwissenschaft werden daher ernährungswissenschaftliche Studien selbst in kleinen Lokalzeitungen unentwegt zitiert und dabei allzu oft auch noch falsch interpretiert oder verkürzt widergegeben.

So handelt es sich bei sehr vielen ernährungswissenschaftlichen Studien um Tierversuche. In verkürzten Widergaben der Studienergebnisse wird dies jedoch oft nicht explizit erwähnt. Der verjüngende Effekt des Rotweins wurde zum Beispiel an Mäusen getestet. Um nun die Dosis zu erreichen, die bei den Mäusen eine verjüngende Wirkung hatte, müsste der Mensch täglich 2 000 Liter Rotwein trinken. Man kann getrost davon ausgehen, dass dies zwar gravierende Folgen hätte – eine „verjüngende Wirkung“ würde aber sicher nicht dazu gehören.

Der häufigste Grund für Fehlinterpretation ist nun aber der, dass Kausalität und Korrelation verwechselt werden. In den originären Studien selbst wird dieser Zusammenhang meist durchaus thematisiert. In den verkürzten Meldungen der Presse und in den Ernährungsratgebern, in denen diejenigen Ergebnisse zusammengeschustert werden, die ins Konzept des Autors passen, wird das jedoch fast immer vernachlässigt.

Um das Korrelationsproblem zu verdeutlichen, hilft eine fast schon lächerlich anmutende Studie, die ergab, dass Menschen, die viel Eis essen, leichter ertrinken. Tatsächlich bestand eine Korrelation zwischen dem Konsum von Eis und der Zahl der ertrunkenen Menschen. Eine Kausalität lag aber nicht vor. Nicht das Eis war für das Ertrinken verantwortlich, sondern der Sommer. Aufgrund der Hitze aßen einerseits mehr Menschen Eis und gingen andererseits mehr Menschen baden. Dass die Wahrscheinlichkeit des Ertrinkens umso größer wird, je mehr Menschen baden gehen, ist wohl jedem klar.

Neben der großen Menge an verkürzt oder falsch widergegebenen Studien der Ernährungswissenschaft gibt es jedoch noch einen zweiten Faktor, der es sehr schwer macht, eine „gute“ Ernährungsweise aus all den mehr oder weniger wissenschaftlichen Empfehlungen herauszufiltern: hinter den meisten heute verfügbaren Lebensmitteln steht nämlich eine Lebensmittelindustrie mit einem Umsatz von vielen Milliarden Dollar. Natürlich haben die einzelnen Hersteller Interesse, dass ihre Produkte gut vermarktet werden. Auch deshalb werden immer wieder Studien in Auftrag gegeben und medienwirksam veröffentlicht. Durch die Veränderung einiger Parameter kann immer ein erwünschtes Ergebnis erzielt werden – selbst ohne wirkliche Fälschung der Studie. Wer definiert schon, was Schokolade ist? Eine ungezuckerte Kakaobohne hat natürlich andere Eigenschaften als ein Schokoriegel.

Vor dem Hintergrund all dessen kann man also mit Fug und Recht sagen: Gute Ernährung beginnt damit, all die Ratgeber zur Seite zu legen. Sie stiften nur Verwirrung, Unsicherheit und tragen im schlimmsten Fall sogar dazu bei, den Genuss des Essens zu mindern. Einzelne Nahrungsmittel sind, wie Ernährungswissenschaftler Bernhard Watzl vom MRI Karlsruhe sagt, ohnehin nicht wirkmächtig. Entscheidend ist vielmehr der Ernährungsstil.

Dieser beginnt weit vor dem Nahrungsverzehr. Wer sich für seine Mahlzeiten „mal Zeit“ nimmt und sie zu festen Ritualen macht, der ist demnach bereits auf einem guten Weg. Diese Rituale beginnen mit der Beschaffung der Lebensmittel, die bewusst eingekauft, vielleicht sogar selbst geerntet werden. Dabei gilt es, das anerzogene Effizienzdenken hintanzustellen. Wenn bei einer Sache nicht gespart werden sollte, dann beim Essen. Indem man einen möglichst großen Anteil des eigenen Einkommens für das Essen ausgibt, wertet man dieses auch in der eigenen Wahrnehmung auf. Automatisch bekommt jede Mahlzeit dadurch einen Festcharakter.

Sodann kann man darauf achten, möglichst wenig verarbeitete Nahrungsmittel zu konsumieren. Einen bewussteren und freudigeren Umgang mit dem Essen bekommt man, wenn man aus den rohen Einzelbestandteilen eine eigene Mahlzeit kreiert.

Wem es dann noch gelingt, an einer möglichst großen Vielfalt an Nahrungsmitteln Freude zu gewinnen, der lebt nicht nur gesund, sondern auch glücklicher. Schließlich kann er aus verschiedensten kulinarischen Genüssen Freude ziehen und nicht nur aus dem einen, unbedingt benötigten Standardgericht. Natürlich ist es wie mit der Musik: Als Kleinkind wird man noch keinen Zugang zu Schostakowitsch haben. Die Hörgewohnheit muss ein wenig geschult werden. Wem dies gelingt, der wird aber Grund zu nachhaltigerer und tieferer Freude gewinnen können, als derjenige, der immer nur bei der simplen, Geist und Hirn abtötenden Musik des aus einer oder maximal zwei Harmonien bestehenden Synthi-Pop-Mitgröl-Schlagers verbleibt.

Leider bekommen gerade Kinder, um in genannter Metapher zu bleiben, den einfachen Synthie-Pop-Mitgröl-Schlager allzu oft schmackhaft gemacht. Sie werden auf süße Speisen konditioniert. Noch heute wird Süßes gerne zu besonderen Anlässen oder als Belohnung verschenkt. So verankert sich im kindlichen Gehirn: Süß ist besonders und damit gut!

Neben der plumpen Einfachheit des süßen Geschmacks schaltet sich also wie beim Pawlow‘schen Hund das Belohnungssystem im Gehirn ein, sobald eine Süßigkeit verzehrt wird. Hinzu kommt natürlich, dass durch den enthaltenen Zucker ein rasches Einschleusen des L-Tryptophans durch die Blut-Hirn-Schranke ermöglicht wird. Tryptophan hilft dabei, das Glückshormon Serotonin zu bilden. Daher hat Zucker tatsächlich eine kurzzeitig stimmungsaufhellende Wirkung.

Umso wichtiger ist es, bei Kindern und auch Erwachsenen, den Geschmack zu schulen und für die Feinheiten der Küche zu entwickeln. Wer sich immer wieder auf Neues einlässt, auch Gerichten, die beim ersten Mal nicht schmecken, eine zweite und dritte Chance gibt, der kann seinen Geschmack trainieren und dahin kommen, vielfältige Anlässe zur kulinarischen Freude zu haben.

Vielfalt ist übrigens per se gesund. Schließlich wird der Körper durch eine vielfältige Ernährung zwangsläufig mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt.

Statt also immer nur das Gleiche zu essen – so gesund dieses Eine der aktuellsten ernährungswissenschaftlichen Studie zufolge auch sein mag – empfiehlt sich eine vielfältige Küche. Als kleinen Richtwert kann man dabei die Buntheit des Essens nehmen. Wer natürliche Lebensmittel mit möglichst vielen verschiedenen Farben auf seinem Teller hat, erfreut nicht nur das Auge, sondern deckt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine ernährungstechnische Vielfalt ab.

„Nur die Dosis macht das Gift“, wusste schon Paracelsus. Wer also einen vielfältigen und bewussten Ernährungsstil kultiviert, der kann sich auch umso bedenkenloser ein oder zwei Gläser Wein, eine Tafel Schokolade oder eine Tüte Chips gönnen. Jede Form von strenger Restriktion vermindert die Freude am Essen und steigert in der Regel sogar die Lust auf die versagte Kost. Daher lieber keine Restriktionen, aber von allem in Maßen. Wer sich jedoch vielfältig ernährt, wird normalerweise ohnehin keine Heißhungerattacken auf einzelne Nahrungsmittel bekommen.

Es gibt sogar ernährungswissenschaftliche Thesen, denen zufolge Menschen, die vielfältige Essgewohnheiten haben, von ihrem Körper selbst vermittelt bekommen, was sie gerade brauchen. Wahrscheinlich kennt jeder das Phänomen, plötzlich Lust auf Salziges oder Süßes zu haben. Der Körper scheint das in diesen Momenten zu brauchen und daher klare Signale an das Gehirn zu senden. Bei demjenigen, der nahezu süchtig nach Schokolade ist, wird dieser Mechanismus natürlich nicht funktionieren.

Wenn der Körper jedoch gewohnt ist, regelmäßig alle Nährstoffe in vielfältiger Form zu bekommen, wird er sich von selbst melden, wenn diese Gewohnheit durchbrochen wird und ein Nährstoff fehlt.

Wenn die Voraussetzungen der bewussten, möglichst ritualisierten und vielfältigen Nahrungsbeschaffung, Zubereitung und daran anschließend des entspannten, ruhigen und genussvollen Verzehrs erfüllt werden, kann Essen und Trinken zu einem wahren Glücksfeuerwerk werden. Weder lähmt dann schlechtes Gewissen noch droht der Körper sich in Form von Übelkeit oder Unwohlsein kurz- oder langfristig zu beschweren.

3. Bewegung:
Längst lebt der moderne Mensch nicht mehr artgerecht. Tierschützer würden aufschreien, würde man Affen dazu zwingen, viele Stunden in engen Räumen zu sitzen und in künstliches Licht zu starren. Der Mensch scheint diese entfremdete Lebensart von sich aus zu goutieren. Gut tut es ihm nicht. Folgen der modernen Lebensform sind nicht nur körperliche Probleme, wie die immer stärkere Zunahme der Volkskrankheiten Rückenbeschwerden oder Diabetes, sondern auch psychische Leiden (um mit Descartes zu sprechen und bei der Trennung von Körper und Geist zu bleiben).

Der Mensch ist von Natur aus ein Jäger und Sammler, der stets in Bewegung sein möchte. Unsere Vorfahren mussten schließlich ihre Nahrung erbeuten, wollten sie überleben. Bis zur Erfindung des neuzeitlichen Büros waren Menschen über Millionen von Jahren täglich viele Stunden körperlich aktiv. Der Drang nach Bewegung ist somit tief in den menschlichen Genen verankert.

Bei kleinen Kindern kann man diesen natürlichen Bewegungsdrang noch erkennen. Spätestens mit Eintritt in die Schule wird seit dem 18. Jahrhundert damit begonnen, ihnen diesen Drang abzutrainieren. Völlig unnatürlicher Weise müssen Kinder dann vier bis sechs Stunden in einem Zimmer sitzen und möglichst still sein. Anschließend müssen sie oft noch stundenlang in sitzender Haltung Hausaufgaben machen. Zur Krönung des Tages wird dann dem modernen Trend zufolge möglichst in sitzender Form noch die neueste TV-Produktion oder das aktuellste Computerspiel genossen.

Immerhin gibt es noch Wandertage und Sportunterricht. Mit zunehmendem Alter werden die äußeren Anlässe zur Bewegung jedoch weniger. Wer ganztags in ein Büro gepfercht ist und an PC oder Telefon seiner zehrenden Arbeit nachgeht, hat auch nach Dienstschluss immer seltener noch Energie und Muße, sich zu bewegen.

Dabei ist jede Form von Bewegung eine wahre Glücksquelle. Wer sich ausdauernd bewegt, sorgt für eine Veränderung der Hirnaktivität. Das für die Bewegungssteuerung und Körperwahrnehmung zuständige Kortexareal im Gehirn wird bei intensiver Bewegung aktiviert, während die Aktivität des präfrontalen Kortex sinkt. Das heißt Grübeln, Nachdenken, Sorgen und Ärger werden weniger.

Zugleich verändert sich der Mix der Botenstoffe. Der Spiegel des Stresshormons Cortisol sinkt. Folglich lassen Ärger und Stress nach. Zugleich werden die Glückshormone Dopamin und Endorphin in erhöhtem Maße produziert. Diese chemische Explosion im Gehirn ist wohl ein Grund dafür, warum unsere Vorfahren ihre Jagd-und Sammelausflüge freiwillig ausdehnten und sich somit auf der Erde immer weiter ausbreiten konnten. Ohne diese inhärente Freude an der Bewegung hätten sie sich im Laufe der Evolution wohl nur schlecht behaupten können.

Fritz Hohagen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, der in randomisiert-kontrollierten Untersuchungen nachwies, dass durch intensive Bewegung Angst und Stress abgebaut werden, empfiehlt Sport daher auch als Mittel gegen Depressionen. Er konnte zeigen, dass psychisch Kranke ihr Rückzugsverhalten ablegten, wenn sie viel Sport trieben.

Neben Glücksgefühlen bedingt Bewegung natürlich viele andere Vorteile, wie etwa die verstärkte Durchblutung des Körpers, damit auch des Gehirns. Sämtliche Hirnfunktionen und auch die Konzentrationsfähigkeit werden dadurch gestärkt.

Natürlich muss nicht jeder zum Sportjunkie werden. Zu viel Sport kann durchaus auch schädlich sein. Das gilt nicht nur für verletzungsträchtige Sportarten. Auch vermeintlich schonender Sport kann, wird er zu extrem betrieben, im Körper für Stress und auch für mentale Überforderung sorgen. So haben Forscher der Monash University in Australien herausgefunden, dass der moderne Mensch besser nicht mehr als 2 Stunden am Stück rennen oder schwimmen sollte. Die Rate mikroskopischer Verletzungen würde ab dieser Dauer rapide zunehmen.

Wer ein Sportmuffel ist, kann immerhin vielleicht Freude am Wandern oder ausgedehnten Spazieren finden. Auch Wandern und Spazierengehen bedeutet Bewegung. Da es zudem eine Betätigung an der frischen Luft ist, bringt es weitere positive Effekte mit sich. So versorgt man den Körper mit Sauerstoff und tankt immer – selbst bei wolkenverhangenem Himmel – Sonnenlicht. Dieses steigert wiederum die Produktion des Glückshormons Serotonin.

Vor allem wirkt aber die Natur auf ihre eigene Weise. Wer etwa in waldreichen Regionen spazieren geht, trifft auf die Duftstoffe der Bäume, deren Botenstoffe nachweislich auch vom menschlichen Immunsystem verstanden werden. In Japan ist daher seit vielen Jahren das sogenannte Waldbaden („shinrin yoku“) auch schulmedizinisch anerkannt. Menschen mit Immunschwächekrankheiten wird dort schon seit Jahrzehnten der ausgiebige und regelmäßige Waldaufenthalt verschrieben, der auch von Krankenkassen finanziert wird. An japanischen Universitäten gibt es inzwischen sogar eine fachärztliche Spezialisierung in Waldmedizin.

Studien der Waldmedizin haben ergeben, dass im Angesicht der Natur Stress abgebaut wird. Warum das so ist, kann noch nicht eindeutig beantwortet werden. Der österreichische Biologe Clemens Arvay vermutet, dass die Natur schlichtweg „unser evolutionäres Zuhause“ ist. Die wohltuende Verbindung mit der Natur sei „das Resultat eines Jahrmillionen langen Evolutionsprozesses.“

Wie dem auch sei: Bewegung jeder Art tut ganz im Sinne des römischen Dichters Juvenal Körper und Geist gut. Wird sie auch noch in freier Natur ausgeübt, kann sie zu einem wahren Glücksbrunnen werden!

Der Vorhang zu und alle Fragen beantwortet?

Und damit schlage ich auch das letzte Buch zum Thema „Glücksforschung“ zu. Wochenlang habe ich mich intensiv mit allen möglichen Studienergebnissen, mit Ratgebern, Psychologie- und Philosophiebüchern sowie religiösen Schriften und auch Esoterikwälzern befasst, zudem unzählige Gespräche geführt. Ich glaube, viel gelernt zu haben. Ich fühle mich erschöpft, aber auch gut. Ich merke: Auch im Streben nach Erkenntnis und in einem tieferen Erkenntnisgewinn liegt eine wunderbare Glücksquelle.

Vor allem weiß ich jetzt eines. Ich weiß eine Antwort auf die eingangs gestellte Silvesterfrage (vgl. „Was ist Glück?“ 1/5). Ich weiß, was ich meinen Mitmenschen zukünftig wünsche, wenn ich ihnen Glück wünsche:

Ich wünsche ihnen eine Aufgabe in ihrem Leben. Mindestens eine! Ich wünsche ihnen die Fähigkeit, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Ich wünsche ihnen Zugang zum Glauben oder der Meditation. Ich wünsche ihnen die Bereitschaft zur Selbstbeschränkung. Ich wünsche ihnen, Dinge gemäß eigener Talente und Vorlieben und um ihrer selbst willen zu tun. Ich wünsche Ihnen die Fähigkeit zur Freude an den kleinen Dingen, den erwachenden Frühlingsblumen, dem morgendlichen Vogelgesang oder dem wunderbaren Farbenspiel eines Sonnenuntergangs. Ich wünsche ihnen, das Leben von seiner positiven Seite sehen und auch über sich und die Welt lachen zu können. Ich wünsche ihnen aber auch, einen kritischen Geist zu wahren, der problematische Entwicklungen erkennt und Freude am politischen und gesellschaftlichen Engagement entwickelt. Vor allem wünsche ich ihnen, Freundschaft und Liebe zu empfinden und großzügig sein zu können. Und natürlich wünsche ich ihnen viel Muße für Musik, Sport und Spiel, sowie viel Schlaf und gutes Essen!

All das wünsche ich meinen Mitmenschen – und letztlich auch mir. Jeder Einzelne fühlt sich in einer Gesellschaft mit kollektiv hohem Glücksempfinden schließlich besser.

Glückliche Gesellschaften sind wohlwollende und friedliche Gesellschaften, die in der Lage sind, Probleme mit freudigem Optimismus anzugehen und zielorientiert zu überwinden.

Natürlich besteht die Gefahr der eifrigen Glückssucher darin, Listen zu führen und möglichst alle vermeintlich glücksstiftenden Punkte abzuarbeiten. Der Stress der damit einhergeht, kann geradezu glücksmindernde Folgen haben. Vielleicht hat der dänische Psychologe Svend Brinkmann recht, wenn er meint, dass niemand glücklich wird, der danach strebt. Das Glück lässt sich nicht erzwingen. Man kann sich ihm nur annähern.

Vielleicht stellt die krampfhafte Suche nach dem großen Glück selbst eines jener eigentlich unglücksbringenden Phänomene der Moderne dar, in der jeder Einzelne sich optimal verwirklichen will. Vielleicht sollte man es also einfach sein lassen und sich eher mit der Lehre der antiken Stoiker zufrieden geben. Diese zielte darauf ab, sich voller Gelassenheit mit dem Status Quo zu arrangieren. Ihre Devise war: Sich selbst und die eigenen Lebensumstände annehmen und so zu akzeptieren wie sie sind.

Oder man erinnert sich an Dostojewski. In seinem Roman „Die Dämonen“ schreibt er: „Alles ist gut… Alles. Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist. Nur deshalb. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird gleich glücklich sein, sofort, im selben Augenblick…”

Wer den Stoikern oder Dostojewski nicht glaubt, kann aber natürlich dennoch gerne Glückslisten führen. Nach aktuellem Stand der Glücksforschung kann es nämlich sehr beglückend sein, Punkte auf Listen abzuhaken. Die Listen würden dem Leben demnach Sinn und Halt geben, das Abhaken würde glücksstiftendes Dopamin freisetzen…

Aber man muss der Glücksforschung ja auch nicht alles glauben.

In diesem Sinne: Viel Glück für die Zukunft!

 

Hier noch die Links zu den vier ersten Teilen der Serie von Holdger Wohlfahrt:

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

 

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