Okkultismus-Sensationen als Stimmenfang (Teil 3)

 In Holdger Platta
Autor Holdger Platta

Autor Holdger Platta

Nach der Forschungsreise in Sachen „Wiedergeburt“ nach Wissembourg setzt unser Autor Holger Platta heute seine Reisen in die Gefilde des Aberglaubens fort; diesesmal geht es unter anderem nach Freiburg im Breisgau – und zwar in Sachen „Astrologie“:

Okkultismus-Sensationen als Stimmenfang (Teil 3)

Der Mensch wieder im Mittelpunkt der Welt: Astrologie
Wie in dem Turmgemach eines Sterndeuters von einst sieht es in den Räumlichkeiten dieses Astrologen nicht aus. Und als ich dessen Etagenwohnung betrete, irgendwo im Süden der badischen Stadt Freiburg im Breisgau, bietet mir Diplom-Psychologe Peter Niehenke, Erster Vorsitzender des „Deutschen Astrologenverbandes (DAV)“ und mittlerweile auf dem Gebiet der Astrologie an der Universität Bielefeld zum Doktor promoviert, auch nur einen ganz normalen Sessel an, nicht irgendeine Wolke sieben. Modernes Mobiliar, eine Stereo-Anlage, klassische Platten im Regal, Sitzecke und Telefon: nichts deutet hier auf Wundersames hin. Niehenke, salopp gekleidet, Anfang dreißig, gleicht eher der aufstrebenden Kraft in einem Großraumbüro, hellwach und dynamisch, und eher von Himmelsstürmerfreuden beseelt als von Sternenbildkenntnissen. Astrologen-Ambiente 1984, ein Horoskop-Ersteller der Jetztzeit.

Ich habe einiges im Gepäck. Fragen und Fakten. Zum Beispiel die Vorausschau eines Karsten F. Kröncke, astrologischer Unternehmensberater, der vor gut fünfzehn Jahren eine schreckliche Prognose riskiert hat: 1984 würde es zum Dritten Weltkrieg kommen (DER SPIEGEL Nr. 53/1974). Oder die Behauptung der Tessier, 1982 publiziert: 1982 würde das große Jahr des Helmut Schmidt (Elisabeth Tessier: Wie es in den Sternen steht. München 1982); es wurde das Jahr seines Kanzlersturzes. Ferner die Weissagung der Pythia aus Bonn, der Buchela: Albanien und Jugoslawien, dazu der skandinavische Raum, würden 1975 von den Russen besetzt (DER SPIEGEL, ibid.). Und schließlich die Prophezeiung des bekannten Sterndeuters Genuit: 1974 würde ein Jahr „guter politischer Zusammenarbeit“ von Brandt und Pompidou (DER SPIEGEL, ibid.). Freilich, der eine stürzte damals, und der andere starb.

Die Fehlprognosen der Astrologie sind also Legion. Aber EMNID zufolge glauben Millionen Menschen in der Bundesrepublik wie eh und je an den Sterneneinfluß – entweder auf unseren Lebensweg oder unsere Persönlichkeitsstruktur. Fügt man hinzu, daß mehr als die Hälfte aller Bundesbürger Horoskope liest, regelmäßig oder wenigstens gelegentlich, so kommt man zu dem Schluß: Sternenglaube ist immer noch ein Massenphänomen. Wenn auch nichts dran ist an dem Einfluß der Sterne auf uns – an dem Aberglauben daran ganz bestimmt. Sonst gäbe es schon lange keine Illustrierten-Horoskope mehr.

Und was hält Diplom-Psychologe und Astrologe Niehenke von derlei Geschichten?

Nun, unter „seriösen Astrologen“ – so jedenfalls deren Eigenbezeichnung – sind Illustrierten-Horoskope mittlerweile verpönt, wie überhaupt Prophezeiungen auf der Basis der Sonnenstandszeichen. „Ein Manifest zur Verurteilung von Zeitungshoroskopen könnte ebenso gut von den führenden Astrologen wie von angesehenen Naturwissenschaftlern unterzeichnet werden“ (Hans Jürgen Eysenck, David Nias: Astrologie – Wissenschaft oder Aberglaube? München 1982), so der Astrologe Truzzi 1979. Und Peter Niehenke, der DAV-Vorsitzende, erklärt: „… deswegen ist für mich ein Astrologe, ehrlich gesagt, suspekt, der Illustrierten-Horoskope macht“. Und in der Frage der Prophezeiungen hat sich der DAV, der Deutsche Astrologen-Verband, zu dem folgenden Berufsgelöbnis verpflichtet: „… ich will nie etwas voraussagen, was ich nicht verantworten kann, am wenigsten einen Todesfall. Dies verspreche ich feierlich, freiwillig und auf meine Ehre“ (DAV-Satzung 1983).

Steht bei dieser Selbstbeschränkung vor allem ethisches Verantwortungsgefühl im Vordergrund, so gibt es bei der Ablehnung der Vulgär-Horoskope in Illustrierten und Fernseh-Shows ein sachliches Moment: die Sonnenstands- oder Tierkreiszeichen allein, das bloße Geburtsdatum also und damit der Umstand, ob man ein Zwilling ist, Krebs oder Löwe, reiche zur Bestimmung von Schicksal oder Charakter nicht aus. Die Kenntnis des genauen Zeitpunkts der Geburt, die Uhrzeit also, gehöre zur Deutung all der Sternenkräfte wesentlich dazu, auch die Kenntnis des Geburtsortes, und wesentlich für die Erstellung eines Gesamthoroskops, eines „Gutachtens“, wie die Sternenprofis gerne sagen, sei auch, welchen Platz am Himmel die verschiedenen Planeten zum Zeitpunkt unserer Geburt eingenommen haben, und in welchem Winkel zueinander.

Kompliziert genug, diese Mischung aus Magie und Mathematik; und zweifellos trifft zu, daß bei dieser Vielzahl der Faktoren jeder sein ganz individuelles Horoskop besitzt. Der Einwand, welcher gegenüber jedem Pop-Horoskop in STERN oder NEUE REVUE zutreffend ist, daß Millionen von Menschen bei solcher Sternen-Auslegung wöchentlich dasselbe Schicksal haben müßten, trifft diese Astrologie also nicht. Dennoch: ist das, was sich komplizierter anhört und komplizierter auch ist, dadurch schon um einen Deut richtiger? Die Grundlagen müssen stimmen – und welches sind nun die Grundannahmen der Astrologie?

Nun, schon bei dem, worauf unser Horoskop einwirkt, herrscht unter den Astrologen Uneinigkeit. Die einen sagen: auf unser Schicksal. Und dementsprechend liegt mir auch ein astrologisches „Gutachten“ vor, angefertigt von einem Himmelsbetrachter aus dem Pfälzer Zweibrücken (Werner Liehr: Astrologisches Gutachten Zweibrücken 1984): danach bestand für mich in den Recherchewochen erhöhte Unfallgefahr und drohte der Tod eines nahen Verwandten. Freilich, zum Glück traten weder das eine noch das andere ein; stattdessen gab es positive Ereignisse, welche der Astrologe erst für Monate später in Aussicht gestellt hatte – so ungefähr wenigstens, und wenn man diese Allgemeinaussagen sehr wohlwollend interpretiert.

Andere Astrologen behaupten hingegen: weniger das Schicksal als vielmehr unsere Persönlichkeit sei von den Sternen bestimmt oder spiegele sich dort. Astrologie nicht verstanden als Ereignisprognose, sondern als Charakterologie, als Typenlehre der Menschheit. Einer von ihnen war Fritz Riemann, Psychoanalytiker von Hause aus, aber seit den dreißiger Jahren ebenso intensiv mit der Sternenkunde beschäftigt. Sein Buch „Lebenshilfe Astrologie“ (München 1982, 7. Auflage) entwickelt zur Gänze eine Persönlichkeits-Typologie, räumt also den Sternen nur auf dem Umweg über die Charakter-Beeinflussung eine Wirkung auf die menschlichen Schicksale ein. Und er sieht auch längst nicht nur die Sterne bei der Charakter-Prägung am Werk: Anlage und Umwelt und Kosmos bestimmten die Individualität. Der Psychoanalytiker Riemann:

„Die Astrologie ist der Ansicht, daß erst das Zusammenspiel von Anlage und Umwelt den Menschen erklärt. Und Anlage ist für sie nicht nur Erbanlage, sondern zusätzlich kosmisches Geprägtsein durch den Geburtsaugenblick, festgehalten im Horoskop“ (Riemann, ibid.).

Das Horoskop zeige, wie das einzelne Individuum im Grunde gemeint sei. Und der Freiburger DAV-Astrologe Niehenke ergänzt: die Astrologie helfe dem Menschen dabei, so zu werden, wie er eigentlich sei. Ein Blick auf die Sternenstellung genüge. Astrologie sei also ein Hilfsmittel für den Menschen zur Erkenntnis des eigenen Ichs. Zu fragen wäre schon hier: vor allem für Menschen, denen der Blick ins eigene Ich so schwerfällt und die lieber in ihr Horoskop schauen?

Doch warum vermögen die Planeten dies alles: uns zu prägen und Auskunft zu geben über uns? Und: woher wissen wir es? Riemann bietet zur Erklärung dieser grundlegenden Fragen nur Folgendes an:

„Aus solchem Offenbarungserleben stammt wohl das überlieferte Wissensgut der Astrologie. Sie ist die Lehre vom kosmischen Zusammenhang aller Dinge und Ereignisse auf der Erde, von einer durchgehenden Entsprechung zwischen Kosmos und Mensch.“ (ibid.).

„Offenbarungswissenschaft“ (ibid.) – das sei im Kern Astrologie. Aber: ist das nicht nur ein Eisen aus Holz? Wissen wir über die Entstehung des Sternenglaubens tatsächlich nicht mehr?

Nun, ein anderer Psychoanalytiker, der Freiburger Therapeut Erik Fritz Hoevels, Kritiker solcher Annahmen, weiß durchaus mehr zu berichten:

„Die Astrologie entsteht ja zu einem historisch recht gut feststellbaren Zeitpunkt. In allen Gesellschaften, in denen eine Priesterkaste oder eine Funktionärsschicht den Kalender regulieren muß. Damit ist vollkommen klar, warum die Beschäftigung mit den Sternen erstens etwas Vornehmes ist, weil darauf ja die Macht dieser Leute im alten Mesopotamien beruht. Und zweitens, warum die Verbindung zur Religion gegeben ist, weil es sich ja um eine Priesterkaste handelt, die sich damit rechtfertigt“ (Hoevels-Interview 1984).

Und an einem konkreten Beispiel weist der Freiburger Kritiker nach, wie zufällig bestimmten Planeten ihre Namen und Deutungsmöglichkeiten qua „Herrscher“wissen zugeordnet worden sind:

„Nun, warum ist zum Beispiel die Venus die Venus geworden?… Weil es der hervorragendste Wandelstern am Abendhimmel ist und weil andererseits die Istar an der Spitze des mesopotamischen Pantheons gestanden hat. Infolgedessen wird sie nun… zu einer Figur, die… weiblich ist und… Verbindung zur Sexualität hat, nämlich zur Venus…. Hätten die Römer nun die Astrologie aufgebracht… dann wäre der gleiche Stern vielleicht der Jupiter geworden.“

Und als „Jupiter“ – so die astrologische Konsequenz! – hätte derselbe Planet nicht wie als „Venus“ mit dem Reich von „Schönheit und Liebe“ zu tun gehabt – so Fritz Riemann in seinem Buch -, sondern mit dem Drang zur Vollständigkeit (Riemann, ibid.).

Zufälligkeiten der Be-Deutungen also, wohin man nur sieht; nicht Spiegelung des Kosmos im Einzelnen und des Einzelnen da oben im Kosmos! Sondern Resultate menschlicher Geschichte und gesellschaftlicher Herrschaftsverteilung! Die All-Wissenheit der Astrologie erweist sich als Allwissenheitsglaube der an sie Gläubigen – als Projektion eigener Befindlichkeiten und Strebungen auf die toten Gestirne und deren Winkelzüge im All zu unseren Häupten, als Glaube mit dem Rücken zur Realgeschichte der Menschen. Der historische Rekurs des Freiburger Analytikers Hoevels zeigt aber indirekt auch: damit ist altes Herrschaftswissen gleichsam zum demokratischen Gut aller geworden (und dasselbe sollte ja, im Zeitalter des Wassermann seit 1962, auch aus dem Geheimwissen der Esoterik werden: exoterisches Eingeweihtsein aller!). Das „Oben“, das dank Astrologie enttarnt zu werden vermag, ist in geschichtlich-politischer Perspektive auch ein soziales „Oben“, das gleichsam mit der heutigen Popularisierung abdanken würde (freilich: ausschließlich bezogen auf das einzelne Individuum, nicht auf Gesellschaft und Politik; da sei irgendein Sternenstand vor!). Enttarnt aber nur so, daß Herrschaft von oben, von den Sternen her, nur erkannt, nicht aber abgeschafft werden kann. Oder freundlicher formuliert: die Logik der Astrologie ist im Grunde recht einfach – wenn wir, am Beispiel der Sterne, durch Erkenntnis zu beherrschen lernen, was uns beherrscht, sind wir – zumindest potentiell – von dieser Herrschaft frei. Erkenntnis unserer Schicksalsmächte befreit uns vom übermächtigen Schicksal. Es ist ein ins Kosmische abgelenkter Selbstbestimmungsglaube, der uns im Astrologieglauben entgegentritt, eine Selbstschutz- und Selbstsicherungsfantasie – und, in gewisser Zurichtung, natürlich auch ein All-Wissenheits- und All-Machtsglaube, der auf All-Erkenntnis basiert. Wer die Sterne begreift, begreift das eigene Ich – das ist die eine Seite, und deswegen spricht Astrologie vielleicht besonders selbstverborgene Menschen besonders an; wer die Macht der Sterne erkennt, befreit sich auch von den Sternen mit ihrer Macht, bis hin von seiner Zukunftsangst – und das ist die andere Seite (mögen die realen Herrscher weiterregieren!). Die Identitäts-Idee zielt, schon hier deutet sich das an, beim Astrologieglauben auf eine Kontrollierbarkeitsfantasie, die alles umfaßt – den Kosmos und das eigene Ich -, aber eines zugleich völlig ausspart – reale Autonomie im realen Leben hier.

Nun kennen die Astrologen die von Hoevels geschilderten Zufälligkeiten in ihrem Bedeutungs-Kanon und ihrer Deutungsarbeit selbstverständlich ähnlich präzise wie ihr Kritiker, auch wenn sie es in ihren Büchern nicht reflektieren. Wie sieht daher die Sterndeuterzunft derartige Gegenargumente und Gegenbelege? Wie geht sie mit den historisch oder sonst wie wissenschaftlich fundierten Gegenbehauptungen um?

Nun, im Kern beruft sie sich immer wieder darauf, was sie ihre Erfolge und Erfahrungen nennt. Hakt man jedoch nach, so stellt sich bald heraus: der „Erfolgsbilanz“ wird nur in den seltensten Fällen die Mißerfolgsbilanz gegenübergestellt. Zwar widmet Fritz Riemann ganze Buchseiten dieser Thematik, aber nur, um derlei Verifizierungsmethoden und Verifizierungswünsche verächtlich zu machen. Und seine Frau, Ruth Riemann, psychoanalytisch tätig wie er und überzeugt von der Richtigkeit der Astrologie wie ihr 1979 verstorbener Ehemann, missverstand meine Erinnerung an diese Selbstüberprüfungspflicht gar als Aufforderung, nach Selbstbestätigung zu suchen, und wies dies vermeintliche narzisstische Ansinnen entschieden zurück: „Ich würde… sagen: die Bestätigung ist mir kein Anliegen“ (Riemann-Interview 1984). Klar ist, daß mit dieser aus einem Missverständnis erwachsenen verschobenen Narzißmusabwehr der eigentliche Narzissmus des Astrologieglaubens gerade abgeschirmt bleibt vor eigener und fremder Kritik, jener bereits kurz skizzierte Allmachtsglaube, der offenkundig im Sternenglaube – bei real gebeugtem Rücken vor realer Macht – eine verdeckte Rolle spielt. Und das andere ist:

Wir stoßen damit auf eine Selbstüberprüfungsabwehr, welche schon bei Dethlefsen ins Auge fiel. Freilich, nicht alle Astrologen denken so. Niehenke zum Beispiel hat solche statistischen Überprüfungsmethoden angewandt und hielt auch mit dem negativen Ergebnis nicht hinter dem Berg. So schreibt er in einem Aufsatz für die Astrologen-Zeitschrift „Meridian“: „Trotz großer Bemühungen meinerseits… wenigstens ein einziges, wenn auch kleines, aber vielleicht ermutigendes Resultat präsentieren zu können, bleibt… die Schlussbilanz negativ“ (Niehenke in Meridian Nr. 3/1984). Und mittlerweile, wie schon bemerkt, durfte der Freiburger Astrologe sogar an der Universität Bielefeld promovieren. Trotzdem, auch Niehenke setzt am Ende stärker auf die „persönliche Erfahrung“: „Ich bin nüchtern genug, die Ergebnisse, die ich vorgestellt habe, nicht wegerklären zu wollen… Meine Ergebnisse in der Beratungssituation sind aber ebenfalls Realität…“ (Niehenke, ibid.). Und er schließt mit dem Satz: „Das Bedürfnis, daß Astrologie wahr sei, ist… viel stärker als alle rationalen Gegenbeweise – und das gilt, mindestens im Moment, auch für mich.“ (ibid.). Auch seine eigene Dissertation hat ihn von diesem Glauben nicht abbringen können. Anzeichen dafür, welch kräftige emotionalen Antriebe hier wirksam sind?

Michel Gauquelin, der fleißigste Erforscher astrologischer Aussagen, seit Jahrzehnten mit der statistischen Überprüfung ihrer Hypothesen beschäftigt, legte 1979 Hunderten von Menschen das astrologische Gutachten über einen berüchtigten französischen Massenmörder vor. Das Resultat: 94 Prozent erkannten sich in dem fingierten Horoskop wieder, 90 Prozent fanden diese „Genauigkeit“ von ihren Familien und Freunden bestätigt (nach Eysenck/Nias, ibid.). – Gauqelins Resümee: „Es ist jetzt ganz sicher, daß die Zeichen am Himmel, die auf unsere Geburt herabsahen, überhaupt keine Kraft haben, über unser Schicksal zu entscheiden oder Einfluß auf unsere ererbten Eigenschaften zu nehmen“ (nach Eysenck/Nias, ibid.). Und obwohl der französische Forscher bei der Computer-Auswertung Zehntausender von Geburtshoroskopen auch statistische Korrelationen aufzudecken glaubte, mathematische Merkwürdigkeiten, die umstritten sind und einer endgültigen Aufklärung noch harren (siehe hierzu Edgar Wunder: Astrologie – alter Aberglaube oder postmoderne Religion? In: Gerhard Kern, Lee Traynor(Hgg.): Die esoterische Verführung. Angriffe auf Vernunft und Freiheit. Aschaffenburg 1995), obwohl also Gauquelin auf hochsignifikante Korrelationsziffern stieß, lautete seine Bilanz: „Wer immer behauptet, die Zukunft durch Befragen der Sterne voraussagen zu können, betrügt entweder sich oder jemand anderen“ (nach Eysenck/Nias, ibid.).

Ob daher auch Niehenkes angeblich ironisch gemeintes Schlusswort zu seinen Computer-Untersuchungen nicht doch ein Körnchen Wahrheit enthält? Er konstatiert: „Eine Welt, in der Astrologie wahr ist, ist allemal eine schönere Welt als eine, in der Astrologie nicht existiert. Das Gefühl, sinnvoll in ein kosmisches Ganzes eingebettet zu sein, vermittelt ein ‚himmlisches Geborgenheitsgefühl’ – und darauf zu verzichten, fällt schwer“ (Niehenke, ibid.).

In der Tat: auf das Gefühl der „himmlischen Geborgenheit“ zu verzichten, fällt schwer. Um so mehr, als diese reale Welt immer weniger Geborgenheit zu vermitteln vermag und offenbar auch immer weniger Sinn, um so stärker zudem, wenn es an innerer und äußerer Lebenssicherheit fehlt. Wir schreiben den Sternen da oben zu, was uns hier unten so dringend fehlt. Und die „kopernikanische Kränkung“, von der Sigmund Freud einmal sprach, die Zumutung, nicht mehr im Mittelpunkt der Welt zu stehen, diese Kränkung nimmt der Sternenglaube zurück: wenigstens als Objekt wünscht sich der astrologiegläubige Mensch in die Mitte der Weltkräfte zurück; in der Bestimmtheit von außen sucht das Individuum seine Bestimmung des Innern zu finden – droben, am dunklen Firmament forscht das Subjekt nach seinem eigenen Horizont, nach seinem eigenen Ich, nach seiner Identität. Den realen Kräften, die ihn hier auf Erden hindern, sein freies, sein autonomes, sein selbstbestimmtes Leben zu führen, wirft er dabei keinen Blick mehr zu.

Er blickt zur Freiheit auf, das wohl, aber leider mit gefaltetem Nacken!

Morgen auf HdS: Holdger Platta zu einem ganz anderen Freiheits- und Beglückungsversprechen, zur sogenannten „Transpersonalen Psychologie“.

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