Das Friedensdorf in Oberhausen

 In Ellen Diederich
Ellen Diederich

Ellen Diederich

Ellen Diederich berichtet: 42 schwer verletzte Kinder aus GAZA in Oberhausen eingetroffen.

„Das Friedensdorf Oberhausen hat 42 Mädchen und Jungen mit furchtbaren Verletzungen aus Gaza zur Behandlung nach Deutschland gebracht.“ NRZ, 13.9.2014
Das Friedensdorf ist ein sehr bewegender Ort. Gegründet wurde es 1967 nach dem 6 Tage Krieg im Nahen Osten. Insbesondere das Elend der Kinder rührte viele Menschen, die die Aktion Friedensdorf gründeten.
„Die HOAG (Hüttenwerke Oberhausen AG) stellte das Gelände an der Pfeilstraße in Oberhausen-Schmachtendorf zur Verfügung. Die Firma Babcock sorgte einige Zeit für die Buchhaltung, Spenden sicherten das Baumaterial für den Bau der Unterkünfte. Alles entstand in Handarbeit und zahllosen ehrenamtlichen Arbeitsstunden.“ Selbstdarstellung Friedensdorf
Ziel des Friedensdorfes ist es bis heute, Kinder, die in Kriegen und anderen extremen Situationen schwerst verletzt wurden, in ihren Heimatländern keine Chance auf eine Behandlung haben, nach Deutschland zu bringen, sie in verschiedenen Krankenhäusern versorgen zu lassen und sie dann zu Reha-Massnahmen im Friedensdorf zu behandeln.
Die Kinder bleiben oft lange in Oberhausen, bis sie operiert werden, Prothesen angepasst bekommen, selbständig wieder gehen können und ihre Verletzungen mit allen zur Verfügung stehenden medizinischen Mitteln behandelt wurden. Das Grundprinzip ist, dass die Kinder in jedem Fall wieder nach Hause gehen werden. 1967 also kamen die ersten Kinder aus Nahost, im gleichen Jahr Kinder aus Vietnam. Der Vietnam Krieg war einer der schrecklichsten Kriege nach dem 2. Weltkrieg, in dem in aller Grausamkeit ein Volk und eine ganze Region zum Spielball von Machtinteressen wurden. Neue Waffen wurden ausprobiert, ganze Landstriche durch das Gift Agent Orange auf Jahrzehnte hin verseucht. Heute ist es die dritte Generation nach dem Vietnam Krieg, deren Gene noch immer durch die Folgen von Agent Orange und weiteren Waffensystemen beschädigt sind. Die Kinder sind zum Teil mit unvorstellbaren Missgestaltungen geboren worden.
Inzwischen waren Kinder aus vielen Ländern und Kontinenten in Oberhausen. sehr viele aus Afghanistan, aus Angola, da vor allem Opfer von Landminen. Als Außenstehende ist selbst ein Besuch im Friedensdorf kein einfacher Gang. Die Konfrontation mit dem Elend, hervorgerufen durch Kriegshandlungen, ist kaum zu ertragen. Noch schwerer ist es für die MitarbeiterInnen, die täglich mit den Kindern umgehen und andere, die in die vom Krieg geschüttelten Länder fahren und dort auswählen müssen, welche von den tausenden Kindern, die notwendige Hilfe bräuchten, ausgewählt werden. Im Friedensdorf arbeiten neben einigen hauptamtlichen viele ehrenamtliche HelferInnen und Organisationen. Aus Japan kommen jedes Jahr eine ganze Reihe Freiwilliger. Dort ist im Fernsehen viel zum Friedensdorf berichtet worden.
Zu Anfang war alles äußerst einfach gebaut, inzwischen gibt es große Häuser, ein Küchen- und Essenshaus, Schwimmbad und Trainingseinrichtungen, in denen die Kinder untergebracht sind und behandelt werden können.

Wenige Wochen vor der endgültigen Fertigstellung: Das “Dorf” hat ein neues, modernes Gesicht bekommen.
Foto: Hans Blossey, Friedensdorf Selbstdarstellung
Das Friedensdorf unterhält sich durch Spenden. In meiner Straße gibt es einen Second Hand Laden vom Friedensdorf. Dort kann man Sachen aller Art als Spende abgeben. Menschen die Second Hand einkaufen, und davon gibt es hier viele, haben dort die Möglichkeit. In unserem Stadtviertel grassiert die Armut. 48% der Kinder leben unterhalb der Armutsgrenze! Alle Einkünfte des Ladens gehen an das Friedensdorf, um Flüge der verletzten Kinder zu finanzieren.
Die MitarbeiterInnen fahren regelmäßig in verschiedene Länder, in Kriegsgebiete, haben Kontakt zu ÄrztInnen in den Ländern, die bereits Vorauswahlen treffen, welche Kinder am dringendsten versorgt werden müssen. Hier eine Auswahl treffen zu müssen, ist eine Arbeit, die unsagbar schwer ist. (Siehe den Film: Das Friedensdorf in Angola) Krankenhäuser stellen Freiplätze zur Verfügung. Auch das ist, im Zusammenhang mit Gesundheitsreformen, nicht einfacher geworden.
In der letzten Woche also kam ein Flug aus Gaza mit 42 Kindern. Vor 5 Jahren, als der Krieg mit dem Titel „Gegossenes Blei“ in Gaza tobte, hatte ich, zusammen mit einigen palästinensischen Ärzten, die hier in NRW leben und praktizieren, schon einmal versucht, Kinder aus Gaza hier her zu bekommen. Damals scheiterte es daran, dass Israel jeden Flug mit verletzen Kinder verbot. Gaza und die Westbank verfügen nicht über eigene Flughäfen. Die andere Möglichkeit, den Transport auf dem Landweg von Gaza nach Kairo, konnten wir nicht erwägen, da die Verletzungen so schwer waren, dass wir befürchteten, dass die Kinder den Landtransport nicht überleben würden. In dem Krieg war eine neuartige Waffe ausprobiert worden, die auch das Knochengewebe zerstört, die Körper sind hochempfindlich. Auch dieses Mal waren es wieder Mitglieder der palästinensischen Ärzte- und Apothekervereinigung, die in Deutschland leben, sie haben die Initiative ergriffen, Geld gesammelt, um den Transport zu ermöglichen. Dieses Mal sind die Kinder auf dem Landweg zum Flughafen in Ägypten gebracht worden. Drei von ihnen haben den Transport von Gaza nach Ägypten nicht überlebt. Der Weg von Gaza zu einem israelischen Flughafen wäre ein Bruchteil von dem nach Ägypten.
„Palästina war einer der etwas schwierigeren Flüge, untertreibt Friedensdorf-Leiter Thomas Jakobs. Die Deutschen durften nicht in den Gazastreifen einreisen. Anders als sonst mussten Partner vor Ort die Kinder auswählen.“ NRZ, 13.9.2014
Die Kinder aus Gaza sind von Granatsplittern getroffen worden, haben Glieder und Augen verloren, schwere Verbrennungen, sind in der Schule, in UN Einrichtungen und zuhause verletzt worden.
Sie sind 42 von etwa 3.000 Kindern, die in diesem Krieg verletzt wurden. 2120 Menschen in Gaza wurden getötet, darunter 577 Kinder, 260 Frauen und 101 ältere Menschen. Die Zahl der Verletzten ist mit 10.850 angegeben, davon sind 3.000 Kinder, über 2.000 Frauen und etwa 400 ältere Menschen. 89 Familien wurden komplett ausgelöscht. Die israelische Armee hat an die 30.000 Granaten auf Gaza abgefeuert, mit gezielten Drohnenschlägen wurden u.a. Menschenrechtsaktivisten getötet.
In Israel sind 64 Soldaten und 4 Zivilisten getötet worden.
Der Krieg in Gaza ist bereits aus den Nachrichten, die so tendenziös waren, dass einem schlecht werden konnte, verschwunden.

Wie lange die jetzt nach Oberhausen gebrachten Kinder bleiben werden, kann man nicht sagen, es kommt darauf an, wie die Heilungen verlaufen.

Die Zukunft
“Unser schönstes Ziel ist es, dass unsere Arbeit einmal nicht mehr notwendig ist, weil es keine Kriege mehr gibt.” Das sagte Ronald Gegenfurtner (langjähriger Leiter des Friedensdorfes) – wohl wissend, dass dieses Ziel gerade jetzt wieder in weite Ferne gerückt ist. Afghanistan findet keine Ruhe, Irak, Afrika, „Gaza, Ukraine“ E.D. – überall gibt es immer wieder Krieg und Terror. Gewalt bestimmt das Leben zahlloser Menschen auf diesem Planeten. Und es gibt zahllose Kinder, die deshalb kaum vorstellbares Leid erfahren und deren Alltag von Gewalt und Not geprägt wird.
Ihnen gilt auch in Zukunft unser Engagement – wir wollen der stete Tropfen sein, der den Stein höhlt. Wir wollen Kindern wieder eine Zukunft und Hoffnung geben.
Das Friedensdorf wird eine Zukunft haben, wenn wir weiter unabhängig, überparteilich und überkonfessionell unsere Arbeit leisten können.“ Friedensdorf Selbstdarstellung

Ellen Diederich, 20.9.2014
Internationales Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen, friedensa@aol.com

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen