Alles ist mit allem verbunden
Wolf Schneider wird durch den Anblick seiner Katze und eines blühenden Fliederbusches zu weit greifenden philosophischen Betrachtungen angeregt.
Während der Arbeit an einem Text kommt meine Katze auf mich zuspaziert. Sie kommt so elegant dahergeschlendert, wie nur Katzen das können: selbstsicher, zielstrebig und dabei ganz entspannt. Meine Hände verlassen die Tastatur – wenn nicht, würde sie ohne zu fragen einfach drüberspazieren – und wenden sich diesem so vollkommen in sich ruhenden Wesen zu. Ich kraule sie und schaue ihr dabei in die Augen: Tier sein, Mensch sein, wo ist da der Unterschied? Wir sind doch beide Warmblüter mit Wirbelsäule und derselben Art von Augen. Kein Zweifel: Wir haben dieselben Vorfahren.
Während meine Hände ihren Rücken massieren, der sich ihnen wohlig entgegenstreckt, wandert mein Blick zum Fenster hinaus auf den blühenden Flieder. Was für eine Pracht! Wer hat mir das geschenkt? Wen meint diese Blütenpracht? Diese Farben und dieser Duft wollen Insekten anlocken, nicht mich, doch wie ein Voyeur genieße auch ich diese Show. Zur Zeit der ersten Saurier gab es noch keine Blüten. Erst nach der Tierwelt hat die Pflanzenwelt den Sex erfunden, diese aufwändige Art Nachkommen zu erzeugen. Obwohl die Natur sonst so sparsam ist, betreibt sie hier solch einen Aufwand, weil das die beste Art ist, Vielfalt unter den Nachkommen zu erzeugen. Ebenso wie bei den Tieren hat auch der Sex zwischen Pflanzen – die Insekten sind dabei die Boten – den Zweck der Erzeugung von Vielfalt.
Wir werden geboren, lieben und sterben. Möge es an einem Spätsommertag geschehen, auf der Lichtung eines mitteleuropäischen Mischwalds. Rücklings liege ich dort, umgeben von Himbeeren und dem Summen von Insekten und schaue in den Himmel, in dem ein paar Schwalben hin und her schwirren – hier möchte ich sterben, zerfallen, zu Humus werden und als Pflanze wiederkommen. Gehen und vergehen können inmitten solcher blühenden und sterbenden Pracht!
Meine Gedanken kehren zurück zu dem Flieder und meiner Katze. Keiner von uns ist allein. Nicht diese Blüten, und auch wir Tiere nicht, meine Katze und ich. Niemand ist eine Insel, wir sind connected. Alles ist mit allem verbunden.
Wolf Schneider, www.connection.de