Die Tante des Kommissars

 In Kurzgeschichte/Satire, Medien
Die Komissarin ist zufällig immer auch privat involviert: "Unter anderen Umständen" mit Natalia Wörner

Die Komissarin ist zufällig immer auch privat involviert: “Unter anderen Umständen” mit Natalia Wörner

Wolfgang Bittner ist den neuen Trends in der Fernsehspiellandschaft auf der Spur. Kommissare mit einem Privatleben, dessen Höhen und Tiefen den Fall geradezu überwuchern, Sex ohne erkennbaren Zusammenhang, Handlungen, die immer “zufällig” zu exotischen Sehenswürdigkeiten führen. Für die Quote ist den Machern nichts zu unglaubwürdig.

Das Fernsehprogramm besteht schon seit langem zum großen Teil aus Krimis. Anscheinend gibt es keine interessanteren Themen als Mord und Totschlag. Selbstverständlich muss jetzt auch Sex in den Krimis vorkommen. Nicht nur mal beiläufig, sondern extensiv und penibel ausgeleuchtet; ein Zusammenhang mit der Handlung ist nicht erforderlich. Nicht nur Blut törnt an, Sex noch viel mehr. Angeblich wollen die Leute immerzu Sex sehen, auch im Krimi. Wenn schon in den Kulturfilmen die Elefanten, Grizzlys und Killerwale Intimitäten austauschen müssen, dann erst recht die Kommissare und Gangster in den Krimis.

Seit einiger Zeit gibt es eine neue Masche: Der Kommissar oder die Kommissarin ist in den Fall verstrickt. Sie oder er hat einen Ehemann, Freund, Sohn, Bruder oder Onkel, eine Mutter, Tochter, Freundin, Bekannte oder Mitschülerin, und die werden natürlich erschossen, oder zumindest erpresst, verletzt, entführt. Oder der Kommissar (der immer einen unleidlichen und dummen Vorgesetzten hat) hält sich gerade in der Bank auf, wenn der Überfall stattfindet. Genau wie im täglichen Leben. Da vergreifen sich die Kriminellen bekanntlich auch ständig an den Angehörigen, Freunden und Bekannten der Ermittlungsbeamten.

Wunderbar, diese Realitätsnähe! Im Übrigen ist die Handlung nebensächlich, sie braucht deswegen auch nicht logisch zu sein. Wie das Leben. Hauptsache: action. Geraten nicht auch wir täglich in eine Schießerei, einen Banküberfall, eine Entführung? Werden nicht auch wir andauernd bedroht, erpresst, ermordet?

Wenn die Fernsehleute erst einmal eine Masche entdeckt haben, sind sie nicht mehr zu halten. Ihre Kreativität besteht offensichtlich darin, dass sich einer vom anderen inspirieren lässt. Kaum hat ein Drehbuchautor den Pathologen ins Bild gebracht, werden in allen Krimis in aller Ausführlichkeit Leichen seziert; sie werden solange aufgedeckt, identifiziert, aufgeschnitten und wieder zugenäht, bis sich nicht nur dem Schauspieler der Magen umdreht. Das schuldet der Kommissar seinen Zuschauern.

Ein weiterer Trend ist zu verzeichnen. Hat ein Drehbuchautor oder Produzent gerade ein Land wie Süd-, Deutsch Ost- oder Deutsch Südwestafrika erspäht, spielen dort gleich zwei Dutzend Filme. Dort ist es so schön exotisch. Die klimatischen Verhältnisse! Diese Landschaft! Die günstigen Drehbedingungen! Die Handlung dieser Kitsch-Love-Stories ist mehr oder weniger dieselbe: Hübsche, vom Leben ein wenig enttäuschte Frau kommt (zurück) nach Afrika und verliebt sich (mit Hindernissen und Verzögerungen) in attraktiven Farmer oder sonstwie naturtümelnden Macho.

Ja, die Exotik. Sogar Intendanten und sonstige Fernseh-Obere fliegen in alle Welt hinaus, um dort mit ihren Kamerateams ein wenig zu drehen. Zwei, drei Wochen reichen aus, um ein Land dokumentarfilmerisch zu erkunden. Die Stars sind Huskyliebhaber in Alaska, Schafzüchter in Australien oder Ranger in den Rockies. Und die Bisons grunzen, die Hyänen heulen und die Grizzlys bumsen. Nebenbei kann man noch ein bisschen Urlaub auf Spesen machen und sich die Welt ansehen.

Was bei diesen ganzen Produktionen herauskommt? Das Übliche: Man füllt das Programm und die Beteiligten füllen sich die Taschen. Ungewöhnliches, was den Konsens stören könnte, ist rar; an manchen Tagen besteht das Hauptprogramm fast nur noch aus Wiederholungen. Das Fernsehpubli-kum ist ja genügsam. Und die „Macher“ wissen ganz genau, was die Leute sehen wollen. Wie sagte seinerzeit RTL-Intendant Helmut Thoma so treffend: „Im Seichten kann man nicht ertrinken.“

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