„Eigentum verpflichtet“ – Wann macht ihr endlich Ernst damit?

 In Monika Herz, Wirtschaft
Autorin Monika Herz

Autorin Monika Herz

Unerhörte Briefe an mächtige Institutionen sind die Spezialität von Monika Herz. Mit deren Einsichtsfähigkeit hapert es ja meist, und sie brauchen einen kleinen rhetorischen Tritt. Hier geht es um das Erbrecht und die güldenen Worte des Grundgesetzes, Eigentum solle dem Gemeinwohl dienen. Auch Enteignungen seien unter bestimmten Voraussetzungen legitim. Nein, gemeint ist nicht die schleichende Massenenteignung kleiner Leute über Steuern, Gebühren, Strafen und Umverteilung zugunsten der Reichen. Aber manche Artikel des Grundgesetzes – siehe auch Volksabstimmungen – „ruhen“ auf seltsame Weise, bleiben also inaktiv, für das praktische Leben unerschlossen. In diesem Zusammenhang äußert sich die charmante HdS-Bloggerin auch äußerst uncharmant über die Rüstungsindustrie. (Monika Herz)

Liebes Bundesverfassungsgericht,

mit großer Freude habe ich heute, ganz zufällig, gelesen, dass Sie sich in den kommenden Monaten mit der Erbschaftssteuer befassen müssen. Seit 5 Jahren liege die Akte schon auf Ihrem Schreibtisch. Erbschaftssteuer! Auweia. Heikles Thema.

Es geht darum, dass die Erben von Betriebsvermögen besser gestellt sind als die Erben von Privatvermögen. Der Bundesfinanzhof, der die Sache bei Ihnen angezeigt hat, meint, das hätte zur Folge, dass wirklich große Steuererleichterung am Ende nur wenigen Personen zugute komme.

Sie, wertes Bundesverfassungsgericht, wollen sich im Vorfeld der Entscheidung angeblich Rat einholen. Sinn und Zweck des Wirtschaftens soll Ihnen erklärt werden. Von wem eigentlich? Von mir auch?

In einem Akt spontaner künstlerischer Entfaltung habe ich mich soeben zum bisher einzigen temporären Mitglied des Transnationalen Rates erklärt. Nur in dieser Eigenschaft wage ich überhaupt, an Sie heranzutreten und Ihnen ebenfalls zu raten.

Meine Recherchen haben ergeben, dass Artikel 14 verhandelt wird:
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
„Deutschlands Familienunternehmen hätten dank der Verschonungsregeln zwischen 2009 und 2012 rund 19 Milliarden Euro Erbschaftsteuer gespart.“ Sagt mir t-online.de.
19 Milliarden. Hübsches Sümmchen.

Also an Ihrer Stelle würde ich mich gleich mit Absatz 2 beschäftigen. Denn dass Eigentum und Erbrecht gewährleistet sind, steht ja außer Frage. Die Frage ist, ob die Gesetze, die Inhalt und Schranken regeln sollen – mit Absatz 2, dass Eigentum nämlich eine Verpflichtung ist und dass sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll – ob das in den Gesetzen berücksichtigt ist.

Dass diese schwierige Frage ausgerechnet einen Tag vor dem Halbfinale Deutschland gegen Brasilien erstmals öffentlich vorgestellt wird, ist bloß Zufall, oder?

Ich rate Ihnen zu ein paar einfachen Rechnungen. Wenn die Familienunternehmen in den vergangenen 3 Jahren, von 2009-2012 also, seit dem das Verfahren anhängig ist, 19 Milliarden Steuern gespart haben – und wenn Sie, wertes hohes Gericht, sagen würden, dass die 19 Milliarden nachgezahlt werden müssen – nur mal angenommen: Wer kriegt dann das Geld? Die Allgemeinheit? Das wären dann mal 237,50 Euro pro Bundesbürger Zahlung für die Jahre 2009-2012. 19 Milliarden geteilt durch 80 Millionen. Im Jahr 2015 wäre dann in etwa die 2. Rate in gleicher Höhe für die Jahre 2012-2015 fällig.

Ich würde vorschlagen, dass die Summe dann schon baldmöglichst an mich und meine Familie und an alle meine Freunde und überhaupt an jeden Bundesbürger ausgezahlt werden sollte. Immerhin hatten die Familienunternehmen Zeit genug, das Geld zu sparen.

Leider ist mir nicht bekannt, aus welchen Daten genau sich die Aussage speist: „19 Milliarden haben die großen Familienunternehmen in den Jahren 2009-2012 Steuern gespart“. Ich schätze mal, die sind vom Bundesfinanzhof.

Ich vermute weiter, dass es sich noch nicht um die von mir empfohlene 50%-Steuer handelt, die bei Vermögen ab einer demokratisch bestimmten Oberkante anfällt?

Liebes Bundesverfassungsgericht, damit will ich Sie vorsichtig an eine wirklich gute Idee heranführen. Weil doch in dem Artikel 14 die Rede ist vom Wohle der Allgemeinheit. Vielleicht mögen Sie sich – neben den Vertretern der Familienunternehmer – im Vorfeld auch mal mit Vordenkern wie Christian Felber an einen Tisch setzen. Felber ist als möglicher Kandidat für den Transnationalen Rat vorgesehen. Irgendwo hab ich mal gelesen, einer Ihrer Richter, dessen Namen ich vergessen habe, würde gelegentlich Menschen zum Abendessen einladen. Man koche dann gemeinsam, lerne sich kennen beim Tun und dann setzt man sich freundlich und einander wohl gesonnen an einen mehr oder weniger festlich gedeckten Tisch. Trinkt Wasser und Wein und löffelt die Suppe aus, die man sich zuvor eingebrockt hat.

Ich bin ziemlich sicher, Christian Felber, Autor von „Die Gemeinwohl-Ökonomie – das Wirtschaftsmodell der Zukunft“ würde sich über eine solche Einladung freuen.

Wissen Sie, diese Grundsatzfragen, ob eine Gemeinwohl-Ökonomie dem entspricht, was in Artikel 14 gemeint ist, Eigentum solle dem Wohle der Allgemeinheit dienen, wer soll denn so was entscheiden? Sie doch, oder? Oder ich etwa? Ich würde ja gern, aber leider klappt das mit dem Artikel 20/2 auch nicht. Nichts klappt!

Also, wie gesagt: Mit den 237,50 einmaliger Auszahlung wäre mir vorerst schon mal gedient.

Ich vermute, nicht nur ich sondern die meisten hier, im Wirkungsbereich des Bundesverfassungsgerichts ansässigen Menschen würden sich über so eine Auszahlung freuen. Die Summe darf natürlich nicht mit Hartz IV oder anderen Sozialleistungen verrechnet werden. Sonst hätten die ja wieder nichts davon. Es würde sich bei den 237,50 auch nicht um eine Sozialleistung handeln, sondern um das ganz konkrete Allgemeinwohl, das funktionierende Familienunternehmen zu gestalten wissen. Nicht wahr? Mögliche Sonderfälle, insbesondere in der Landwirtschaft, wird es wahrscheinlich schon geben. Wer weiß.

Die Frage ist ja nicht, ob etwa ein kleiner Biobauer von der Erbschaftssteuer erdrückt wird. Weil ein kleiner Biobauer die (demokratisch erst noch zu bestimmende) Oberkante erstmal erreichen muss. Die Frage ist eher, ob Massen-Tierhaltung, wo die (imaginäre) Oberkante womöglich schnell einmal erreicht ist, hohe steuerliche Vergünstigungen erhalten soll. So viel zum Thema Landwirtschaft. Wenn man selber nicht in der Landwirtschaft tätig ist, reicht es eigentlich zu wissen, dass Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig überhaupt ist. Massentierhaltung gehört allerdings nicht dazu. „Produkte“ aus Massentierhaltung sind so ziemlich das fieseste, was man „herstellen“, verkaufen und essen kann.

Ansonsten kommt mir in dem Zusammenhang wieder die geschissene Rüstungsindustrie in den Sinn. Jawohl! Die geschissene Rüstungsindustrie! Deutschland ist neben USA und UdSSR drittgrößter Weltwaffen-Händler. Was für eine Schande! Ich vermute mal, dass sich bei den Waffen-Herstellern ordentliche Summen anhäufen, die vererbt werden wollen. Weiter vermute ich, dass hier insbesondere einige „der Wenigen“ zu finden sein werden, die besonders stark von dem Gesetz profitieren, das Sie nun überprüfen sollen.

Überlegen Sie es sich also gut, ob Sie meinen Rat nicht doch annehmen wollen:

237,50 Euro pro Nase bar auf die Kralle
und Christian Felber zum Abendessen einladen.

mit freundlichen Grüßen

Monika Herz

PS: Gerade sehe ich, heute ist ausgerechnet der „Steuerzahler-Gedenktag“. Netter Zufall!

http://www.t-online.de/wirtschaft/id_70154182/steuerzahler-gedenktag-ab-8-juli-arbeitet-man-in-eigene-tasche.html

http://www.t-online.de/wirtschaft/id_70153134/bundesverfassungsgericht-prueft-erbschaftsteuer.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Felber

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