Hartz IV-Tagebuch: Sparen mit dem Existenzminimum

 In Politik (Inland)
Bildquelle: http://hartz4hamburg.wordpress.com

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Jeder kennt die Situation: Die Waschmaschine geht kaputt. Eine neue kostet um die 400 Euro. Ärgerlich, aber keine Katastrophe. So viel Geld kann ja wohl jeder noch aufbringen. Jeder? Bei Hartz IV-Betroffenen kommen in solchen Fällen massive Existenzängste hoch. Denn konnte man in der “guten alten” Sozialhilfe dergleichen noch beim Sozialamt beantragen, wird in der schönen neuen Hartz IV-Welt an die Eigenverantwortung appelliert. Hätte der Betroffene halt etwas für Notfälle angespart! 4 Euro pro Monat über 100 Monate – mehr als 8 Jahre -, dann ist die Waschmaschine auch kein Problem. Der vorliegende Text aus dem Hartz IV-Tagebuch von Volker Wulle macht, so kurz er ist, sehr viel deutlich: Der Hartz IV-Satz und seine Berechnungsgrundlagen verhöhnen die Menschen. Da nicht anzunehmen ist, dass den Gesetzgebern die Intelligenz fehlt, um die Situation von Harzt IV-Betroffenen realistisch einzuschätzen, kann man davon ausgehen, dass Arbeitslose bewusst der Verelendung ausgeliefert (und Arbeitende diszipliniert) werden sollen.

Wer Hartz IV bezieht, als Arbeitsloser vom Staat in unserer Gesellschaft als nutzloser Kostenfaktor ausgelagert wird, findet in seinem bewilligten Warenkorb ein paar Euros, die er ansparen sollte, um außergewöhnliche Kosten abdecken zu können.

Dazu zählen u.a. eine neue Waschmaschine, Renovierungs- und Reparaturkosten für die Wohnung etc. Mit seinem Existenzminimum, das diese zynische Bezeichnung nicht verdient, das nicht einmal den notwendigen Lebensunterhalt abdecken kann, steht der Verarmte dazu noch in der Pflicht, anfallende Sonderausgaben abzudecken. Dafür gibt es einen Leitfaden sowie gesetzliche Hinweise.

Nach achtzehn Monaten gelang es mir endlich, einen neuen Personalausweis zu beantragen, den ich nur finanzieren konnte, weil ich zufällig zu vierzig Euro kam, die ich lieber dazu verwendet hätte, mich mit meinem Fahrrad wieder sicher bewegen zu können. Im nächsten Jahr werden dazu noch neue Reifen zwingend notwendig sein, die Kette macht es auch nicht mehr lange… Ich sollte sparen. Dies habe ich schriftlich.

Meine Bettlaken stehen kurz vor ihrer Auflösung, Socken und Unterwäsche müßten ersetzt werden, eine warme Hose für den Winter wäre ebenfalls angesagt, Gitarrensaiten sind Luxusware… Ich könnte diese Auflistung noch erweitern, sollte lieber nicht klagen, sondern sparen. Vom Munde absparen, sprich: drei Monate nichts essen, oder für fünf Monate auf Strom verzichten…

Ich lebe von der Hand in den Mund, von Tag zu Tag, und am Ende eines Monats opfere ich meine drei angesparten Euros, um noch zwei Tage durchzuhalten. Und dies schon seit Jahren, immer auf der Hut, nicht weiter brutal in die Gosse gekickt zu werden. Ich sollte mich gemütlich in der Armut einrichten, mein Almosen nicht verjubeln und dankbar dafür sein, dass ich noch geduldet bin.

Wissen Sie, vor was ich Angst habe, wenn ich an eine Zukunft denke, die ich möglicherweise noch erleben werde?

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