Neue Heimat Erde (2/3)
Zukunft zum Anfassen – Pilot- und Modellprojekte für eine neue Erde
Pilot- und Modellprojekte sind experimenteller Natur und stehen für das Neue. Sie sind wie das Salz der Erde in einer noch trägen „normalen“ Lebenswelt. Sie sind „Holons“ oder „Fraktale“, in denen Ganzheit zum Ausdruck kommt und die sich dem Ganzen verpflichtet fühlen. Gelingen sie, dann werden sie zu Projekten der Ermutigung, denn sie bleiben dann nicht mehr Theorie oder blanke Utopie und bekommen Umsetzungsrelevanz. Alle wichtigen innovativen Projekte haben so begonnen. „Scheitern“ sie, so scheitern sie nicht wirklich, sondern ermöglichen uns wertvolle Lernprozesse, die wiederum zu einem letztendlichen Gelingen beitragen. Ernst Bloch nennt dies ein Wirken in konkreter Utopie. Bewähren sich diese Projekte in der Praxis, dann erhalten sie Vorreiterfunktion und werden multipliziert.
Diese Vorreiterprojekte haben es nicht immer leicht, denn oft sind sie ihrer Zeit weit voraus. Jeder Solarpionier und -„tüftler“ weiß ein Lied davon zu singen. Und wenn dann obendrein noch handfeste materielle Interessen auf der Gegenseite da sind – das sind mächtige Interessens- und Lobbygruppen, die an überholten oder schädlichen Technologien gut verdienen, z.B. die Atomlobby oder die Pharmalobby in den letzten Jahrzehnten –, dann gibt es auch viel „Gegenwind“. Doch sobald diese mächtigen Interessensgruppen mit diesen innovativen Projekten selbst Geld verdienen können, werden sie zu „Wendehälsen“ und übernehmen die Ideen der Pioniere, die dann oft leider „im Regen stehen“. Von daher ist es sehr wichtig, derlei Projekte achtsam und wach anzugehen und nicht zu blauäugig und euphorisch zu agieren.
Die „neue Welt“ ist schon greifbar nahe – warum dann in die Ferne schauen?
„Es ist eher eine außergewöhnliche, ja historische Zeit, in der wir leben, nicht nur wegen der Gefahren, sondern auch wegen der Aussichten.“
(Ken Wilber in einem Vorwort zu Arjuna Ardaghs Buch „Die lautlose Revolution – Wie eine im Alltag gelebte Spiritualität uns und die Welt verändert.“)
Es gibt heute schon weltweit Plusenergiehausentwicklungen, d.h. Häuser und Siedlungen, die auf erneuerbarer Energiebasis mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Solarautos und Autos, die mit Wasser fahren, werden immer effizienter – ein ähnliche Entwicklung wie im Bereich der erneuerbaren Energien mit immer leistungsfähigeren Systemen, die beweisen, dass durch ihren Einsatz die „Lichter nicht ausgehen. Permakultur-Projekte, ökologischer Landbau und gesunde Ernährungsweisen zeigen, dass „Mutter Erde“, wie die Indigenen sagen, nicht vergiftet werden muss und natürliche Arten durch Gentechnik nicht „verbogen“ werden müssen, um uns zu nachhaltig zu ernähren. Auf Kriege und gewaltsame „Kommunikation“, von denen behauptet wird, es hätte sie schon immer gegeben und würde sie auch weiterhin immer geben, kann verzichtet werden, wenn Empathie und gewaltfreie Kommunikation selbstverständlich werden. In vielen neuen Gemeinschaften, etwa dem ZEGG bei Berlin oder Tamera in Portugal, wird dies schon erprobt.
Neue ganzheitliche und integrale Heilweisen sowie Innovationen im Bildungs- und Erziehungsbereich werden für Millionen von Menschen immer selbstverständlicher. Geldreformentwicklungen, Regiogeldsysteme, Tausch- und Schenkwirtschaft gibt es schon lange, und sie müssten eigentlich nur noch weltweit Anwendung finden, damit endlich dieser globale Mensch und Natur zerstörende Betrug ein Ende findet. Fast alles an Lösungsansätzen für eine Neue Erde ist schon vorhanden. Die Weltausstellungen und Messen und auch das Internet mit You Tube, interaktiven Foren und Blogs als Multiplikatoren sind „gespickt“ mit all dem Neuen. Warum dann in die Ferne (die Zukunft) schauen, wenn das Gute (in der Gegenwart) doch so nahe ist. Es erstaunt eigentlich, dass wir dies alles noch nicht wirklich annehmen können und uns selbst als „Wunder“ im obigen Sinne noch nicht erkennen. Zu sehr scheint uns weltweit das Alte noch in den Genen zu sitzen. Insofern wird es immer wichtiger, dass wir uns nicht nur im Kleinen wandeln, sondern dass auch Groß-Systeme, ganze Städte und Gemeinden, sowie große Institutionen und Firmen einen Transformationsprozess durchlaufen.
Freiburg – die „heimliche“ ökologische und spirituelle Hauptstadt
Freiburg, ist schon seit langer Zeit eine Art „Transition Town“. Sie war es schon, bevor es diesen Begriff und diese Bewegung gab, und damit verbindet sich eine längere Geschichte. Schon nach dem Krieg ging die Universitäts- und Philosophenstadt Freiburg – die Stadt, in der Heidegger und Husserl lehrten – andere Wege als andere Städte. Im Krieg stark zerstrt, wurde Freiburg auf dem alten Stadtgrundriss wieder errichtet und bewahrte somit ihren Genius Loci. Nach der ersten Automotorisierungswelle der 50er und 60er wurde die Innenstadt sehr früh verkehrsberuhigt, und Freiburg wurde zu einer der ersten Fahrradstädte in Deutschland. Doch auch noch andere Faktoren spielen eine Rolle. In der Nähe von Freiburg, in Wyhl, sollte in den 70er Jahren ein Atomkraftwerk errichtet werden, das durch einen langanhaltenden Widerstand der Bevölkerung verhindert werden konnte. Wyhl und Umgebung mit seiner liebenswürdigen Landschaft ist heute ein lebendiges und blühendes Zentrum für ökologischen Land- und Weinbau mit bunten Bauernmärkten und einer wachen und kulturell aufgeschlossenen bäuerlichen Bevölkerung.
In Freiburg selbst sorgen eine aktive Studentenschaft und eine agile „autonome Szene“ sowie innovative Ökologen und demokratischen Erneuerer, Kleinkünstler und Kulturkreative, die sich allesamt in „produktiver Reibung“ mit traditionsbewusste Beamten und Bürokraten sowie konservativen Katholiken befinden, dafür, dass es einem in dieser Stadt nie langweilig wird. Freiburg erwarb sich gar den Ruf, das „San Francisco“ von Deutschland zu sein. Freiburg war auch eine der frühesten Solarstädte in Deutschland und ist Kompetenzstadt für erneuerbare Energien. Und „natürlich“ hatte Freiburg auch als erste kleine deutsche Großstadt einen grünen Oberbürgermeister. Mit den experimentellen großen „Zukunftsstadtteilen“ Rieselfeld und Vauban, sowie einer Plusenergiehaussiedlung wurde es auch Vorreiterstadt für experimentelle Großprojekte.
Die Plusenergiehaussiedlung des Solararchitekten Rolf Disch in Freiburg z.B. hat lange Jahre des Durchhaltens benötigt, um dann mit einigen Abstrichen doch noch zu gelingen. Auch der Zukunftsstadtteil Vauban mit seinen partizipativen Baugruppen, seinen Passivhäusern, seiner weitgehendsten Autofreiheit und seinen überwiegend kulturkreativen Bewohnern gelang durch großen Einsatz von Bürgergruppen und mit der Unterstützung durch die Stadt Freiburg, die innovativen Projekten gegenüber aufgeschlossen ist. Hut ab! für dieses Durchhaltevermögen und diese Unterstützung. Heute besuchen Menschen aus aller Welt, vor allem aus China und Japan diese Modellprojekte, um sich für Projekte in ihren Heimatländern inspirieren zu lassen.
Transition Town Freiburg
Seit 2011 gibt es die Transition Town Initiative Freiburg, eine der derzeit zehn Initiativen in Deutschland, die offiziell den Status als Transition Town erlangt haben. (www.ttfreiburg.de)
Ein beispielhaftes Projekt dieser Initiative ist z.B. der Der Wandelgarten im Vauban, der sich vom Parkplatz zum Gemüsebeet für alle gewandelt hatte. Dort sich zeigt, dass die Entwicklung „permakulturell“ – um diesen Begriff einmal allgemeiner zu verwenden – im Geist der Nachhaltigkeit weitergeht.
Nachfolgend seien einige Ziele und Grundideen aus der Website der Freiburger Transition Town zitiert:
„Transition Town bedeutet Stadt im Wandel. Gemeint ist der Wandel von energiefressenden, umweltzerstörenden und landschaftszersiedelnden urbanen Lebensformen hin zu Städten, die Umwelt und Ressourcen schonen. Für diese inzwischen weltweite Bewegung bedeutet zukunftsfähige Stadtentwicklung eine drastische Einsparung an Energie im Öffentlichen Leben, beim Wohnen und im Verkehr. Die Grundideen sind: Energie- und Rohstoffverbrauch drastisch reduzieren, Abfälle reduzieren, Verpackungsmüll weitgehend vermeiden, nachhaltige Wirtschafts- und Warenkreislaufsysteme schaffen, Energie, Lebensmittel, Kleidung und möglichst viele andere Dinge des täglichen Gebrauchs lokal oder regional und umweltfreundlich herstellen, soziale Teilhabe ermöglichen, Gemeinwesen schaffen, Naturnahes Leben in der Stadt aufbauen.“
Die neuen Medien spielen eine immer größere Rolle als Multiplikatoren, Vernetzer und Informationspool für diese „Best Practices und Modellprojekte“.
Kulturkreative Intelligenz im Netz – allgegenwärtige virtuelle neue Welten
„Es geht vor allem darum, nicht nur Raum und Zeit, sondern den zwischen den Menschen klaffenden Abgrund der Fremdheit zu überwinden“
(Vilem Flusser in „Nächstenliebe“)
Für den schon vor der „Internet-Revolution“ verstorbenen Vilem Flusser, den bedeutenden Medienphilosophen und Kulturphänomenologen, stand die Telematik „letztlich im Zeichen der Nächstenliebe“, denn es geht, so Flusser, den neuen Medien „um jene wichtigste Botschaft, die besagt, dass wir nur zu uns selbst kommen können, wenn wir zum anderen kommen.“ Natürlich wusste Vilem Flusser auch um die Janusköpfigkeit dieser neuen Medien, die je nach Absicht und Machtdisposition sowohl zur Befreiung von Mensch und Erde, als auch zu ihrer Unterdrückung und Versklavung eingesetzt werden können.
Mit Hilfe dieser Medien – mit der „Die Macht des Schwarms“ (Stern 22, 2011), wie die sozialen Netzwerke betitelt werden – können, wie z.B. Avaaz es tut, effektive Internetkampagnen für Menschenrechte mit Erfolg organisiert werden oder Diktatoren vertrieben werden, wie es im „arabischen Frühling“ geschah. Oder aber es kann, wenn diese Medien von staatlicher Seite eingesetzt werden, wie jüngst im Überwachungsskandal in den USA, die Welt global bespitzelt werden. Doch lassen wir uns von den Schattenseiten nicht entmutigen. Das „Global Brain“, das uns als Menschen weltweit einander nahe bringen kann, wird zum „Global Heart“, wenn You Tube, Facebook, Twitter etc. sowie Foren und Blogs für uns von Empathie getragene Projekte für eine Neue Erde und ein Neues Menschsein übermitteln.
Nicht nur Plusenergiehaussiedlungen, Zukunftsstadtteile und Transition Towns, sondern auch viele andere modellhafte Pilotprojekte, Initiativen und Neue Gemeinschaften machen von sich auf diese neue Weise „reden“. Diese neue Form von interaktiver Wahrnehmung und Wahrgebung lässt uns in Bild und Ton auf lebendige und nachvollziehbare Weise teilhaben an fernsten Welten und bringt uns die daran beteiligten Menschen nahe, mit denen wir interaktiv in Kommunikation treten können.
Das ermutigt und lässt uns mit unserer „Weltbefindlichkeit“ nicht alleine bleiben. Dazu kommt, dass diese Kommunikation, besser gesagt „Kommunion“, nicht „digital“ bleiben muss, sondern auch „analog“, d.h. konkret werden kann, wenn wir diese „Welten“, Projekte, Gemeinschaften auch in „3D“ erleben, uns also gegenseitig besuchen und in einen lebendigen Austausch treten. Synergie und wechselseitiges Lernen – ein neues Wir – kann dadurch potenziert werden.