Schloss Elmau 2015 – eine Künstlerin auf dem Weg zum Gipfel

 In Monika Herz, Politik (Inland)
Eigentlich schöner ohne Zaun und Polizei-Hundertschaften: Schloss Elmau

Eigentlich schöner ohne Zaun und Polizei-Hundertschaften: Schloss Elmau

Wenn sich die Mächtigen der Welt treffen, genügt es nicht, dafür die üblichen, ohnehin gut abgesicherten Gebäude zu verwenden – etwa das Weiße Haus. Es müssen hierzu Hotels in schönen Landschaften zu Hochsicherheitszonen umgerüstet werden. Das Volk muss dafür bezahlen, dass es aufwändig daran gehindert wird, sich seinen obersten Zwingherren zu nähern, damit diese keinesfalls aus der Ferne irgendwelche Äußerungen des Unmuts zu hören bekommen – z.B. wegen der militärischen Spannungs- und neoliberalen Umverteilungspolitik, die sie betreiben. Der Zaun von Heiligendamm 2007 kostete 12,5 Millionen Euro. Die Wiederholunge gibt’s, weil’s so schön war, im Juni 2015 auf Schloss Elmau (bayerische Alpen). Monika Herz sucht nach dem juristischen Schlupfloch, um die Festung Elmau zu knacken und den bürgerlichen Freiheiten zu ihrem Recht zu verhelfen. Und sie unterbreitete einen wahrhaft künstlerisch kreativen Vorschlag.

Bewerbung und Antrag auf Erteilung Sondererlaubnis gemäß GG Art.5.3.

Sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann,

vor kurzem habe ich erfahren, dass an Fronleichnam 2015 in Schloss Elmau der G8-Gipfel stattfinden wird. Schon damals, anno 2007 zu Heiligendamm, habe ich mich um die Teilnahme am Gipfeltreffen beworben. Leider zu spät. Meine Bewerbung, die ich quasi in letzter Sekunde in Form eines Eilantrags beim Bundesverfassungsgericht eingereicht habe, konnte nicht berücksichtigt werden. Ich gebe Ihnen gleich mal die nötige Information, dann können Sie sich die Kosten sparen, jemanden vom Verfassungsschutz mit der Informationsbeschaffung zu beauftragen. AR 3902/07. Das ist meine Nummer in Karlsruhe.

Ein gewisser Herr Meier hat mir damals dann sinngemäß geantwortet, dass das Verfassungsgericht erst dann aktiv wird, wenn es zum Streit kommt. Sie sind ja mit Ihrem Ministerium, genauso wie ich als Bürgerin, verpflichtet, das Grundgesetz zu beachten. Ich hoffe doch sehr, dass wir uns nicht streiten müssen und rechtzeitig eine einvernehmliche Lösung finden für meinen Wunsch, ganz konkret und ganz direkt den Gästen auf Schloss Elmau meine Meinung zu sagen.

Als Künstlerin darf ich das nämlich. Da bin ich von meinem Grundgesetz ganz besonders geschützt. Artikel 5, Absatz 3. In dem Artikel geht es zuerst um die Meinungsfreiheit, dann um die Einschränkungen und zum Schluss, eben in Absatz 3 um die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre. Die Kunst steht dabei an erster Stelle!

1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Falls Sie Zweifel an meiner Treue zur Verfassung hegen sollten, die kann ich leicht ausräumen. Ich schwöre Ihnen hiermit meine Treue zur Verfassung. Reicht das?

Ich beabsichtige, im Zeitraum 4./5. Juni 2015 auf Schloss Elmau den Gästen meine Meinung in Form einer Ode zu präsentieren. Die Ode scheint mir das geeignete Stilmittel zu sein, weil sich eine Ode durch die besondere Feierlichkeit und Erhabenheit auszeichnet.

Ich befürchte, dass mir der Zugang zu Schloss Elmau von etwa 10.000 Polizeibeamten, sowie vom Bundeskriminalamt verwehrt werden wird. Sie erwarten ja etwa 25.000 Demonstranten, die ebenfalls den G8-Teilnehmern ihre Meinung sagen möchten. Ich bin jedoch keine gewöhnliche Demonstration. Ich bin eine Künstlerin, die die Freiheit der Kunst gemäß GG 5.3 in Anspruch nimmt. Deshalb wende ich mich gleich direkt an Sie. Ich gehe davon aus, dass Sie meine Bewerbung mit Handkuss annehmen werden und mir und meiner Künstlertruppe die Sondergenehmigung zur Aufführung der Ode gerne erteilen werden.

Wissen Sie, das mit der Meinungsfreiheit, das ist schon wichtig. Ich weiß schon, das Grundgesetzt schützt in so einem Sonderfall, wie es der G8-Gipfel ist, nicht jede Meinung. Es ist nur eine Meinung geschützt, welche zur Bildung einer Meinung beiträgt, die von sonst noch niemandem gebildet wurde. Man muss da unterscheiden, zwischen einer Meinung, die allgemein bekannt ist und einer Meinung, die noch keiner gehabt hat. Und die dazu taugt, dass sie eine Meinung wird, die dann plötzlich alle oder zumindest sehr viele haben.

Ich will Ihnen gerne ein Beispiel meiner Kunst geben. Hier:

Ersparen Sie sich und uns den Zaun! Verkaufen Sie das Teil und schütten Sie den Verkaufserlös als Belohnung an die Demonstranten aus. Das macht Sinn!

Schauen Sie: Der Zaun ist schwachsinnig und gefährlich. Er hat anno Heiligendamm 12,5 Millionen Euro gekostet. Der Zaun sollte die G8-Gipfelteilnehmer vor den Demonstranten schützen. Man kann sich vorher ausrechnen, dass die Demonstranten auch 2015 wieder unbedingt zum Zaun hin wollen. So ein Zaun ist echt gefährlich. Bitte stellen Sie sich mal vor, dass 25.000 Menschen gleichzeitig auf einen Zaun zuströmen. Da wird von hinten gedrückt und wenn man vorne steht, kann es passieren, dass man plötzlich tot und erdrückt in den Maschen hängt. Das wollen Sie doch sicher nicht. Also: Kein Zaun!

Stattdessen machen Sie der G8 den Vorschlag, den Zaun zu kaufen, und zwar genau zu dem Preis, den er gekostet hat. Der Zaun kann dann – wenn es nach meiner Meinung geht – rund um die Insel Diego Garcia (http://de.wikipedia.org/wiki/Diego_Garcia) gezogen werden. Da kann die G8 dann in Zukunft in Ruhe tagen.

Das Geld, also die 12,5 Mio nehmen Sie alsdann und verteilen den Betrag gerecht auf die 25.000 Demonstranten, die gekommen sein werden, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit GG, Art.8 zu üben. Das macht dann mal 500 Euro pro Demonstrant. Ich finde, das haben sich die Demonstranten reichlich verdient. Es sind ja immer die gleichen, die da hingehen. Kein Mensch hat je daran gedacht, diese Menschen für ihren Einsatz für die Grundrechte zu belohnen. Seien Sie der Erste, der an so was mal denkt! Gehen Sie als der „Belohnungs-Innenminister“ in die Geschichte ein!

Das ist meine Meinung. Haben Sie schon einmal eine solche Meinung gehört? Nein? Sehen Sie, ich bin eben eine wahre Künstlerin. Das berechtigt mich zum Genuss von GG Artikel 5.3! Die Muse küsst mich täglich, seitdem sie gehört hat, dass der G8-Gipfel quasi direkt vor meiner Haustür stattfinden wird. Sie werden noch stauen, welch einzigartige Meinungen ich noch verkünden werde. Können Sie sich vorstellen, dass die Meinung, das Geld für den Zaun an die Demonstranten zu verschenken, geeignet ist, allmählich eine allgemeine Meinung zu werden? Ich schon!

Fangen Sie bloß nicht an, mit mir zu streiten. Sonst muss ich doch das Verfassungsgericht noch einmal bemühen. Seien Sie einfach vernünftig und folgen Sie meinem Rat. Das wäre gut. Und erteilen Sie mir und meiner Truppe die Genehmigung, die göttliche Ode auf Schloss Elmau anno 04./ 05. Juni 2015 dem erlauchten Publikum vorzutragen.

Dieses Schreiben können Sie gleich als Beispiel für meine Kunst ansehen. Wenn Sie wollen, können Sie auch einen Blick auf mein portfolio werfen. Schauen Sie einfach auf Konstantin Weckers webmagazin „Hinter den Schlagzeilen vorbei“. Dort sind mein Brief an Sie und etliche andere Kunstwerke veröffentlicht.

Ich erwarte Ihre Antwort in Bälde, sagen wir mal binnen 14 Tage nachdem dieser Brief in Ihrem Ministerium angekommen ist.

Falls Sie Zweifel haben: Dies ist der Antrag und zugleich die Bewerbung. Sie sind ja Jurist, deshalb bitte ich Sie, mir gegebenenfalls mitzuteilen, an welche staatlichen Stellen ich mich wenden darf, falls Sie nicht zuständig sind.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Herz

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