Wieso die „Linke“ in Griechenland so entsetzlich versagt hat

 In Allgemein, FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

26. Bericht zu „Patenschaft für Panagiota“. Heute präsentiere ich nochmal eine Nach-Analyse zum griechischen Wahlergebnis vom 21. Mai dieses Jahres – mittlerweile bestätigt auch von zahlreichen Analysen aus Griechenland selbst. Noch deutlicher als beim letzten Mal dürften dabei einige fundamentale Fehler des “linken“ Wahlkampfs in Griechenland zutage treten. Ansonsten auch heute die neuesten Spendenzahlen. Holdger Platta

 

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

noch steht Griechenland offenbar unter Schock. Die Wahlergebnisse vom 21. Mai machen den meisten Oppositionsparteien immer noch zu schaffen, und Kyriakos Mitsotakis mit seiner „Nea Dimokratia“ (ND), aufs deutlichste der Sieger bei diesem ersten Wahlgang, triumphiert immer noch. Zur Erinnerung: mit fast 41 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen konnte die ultrakonservative ND mehr als doppelt so viele Wählerstimmen für sich gewinnen als die SYRIZA mit ihren knapp über 20 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen.

Soweit ich das Echo in den griechischen Massenmedien mitbekommen habe, unterscheiden sich diese Wahlanalysen kaum bis gar nicht von meiner Kommentierung der Ergebnisse vom vergangenen Donnerstag (freilich, das dürfte nicht verwundern, sehr deutlich oft in der Bewertung). Aber weil ich das eine oder andere nach wie vor für überaus wichtig halte, möchte ich an dieser Stelle einige Punkte noch einmal aufgreifen. Dass irgendwer der eher „linken“ Parteien in Griechenland daraus lernen wird, erwarte ich selbstverständlich nicht. Aber so manches könnte ja womöglich auch für uns hier von Bedeutung sein, für Entwicklungsprozesse im Wählerverhalten auch bei uns in der Bundesrepublik.

Der erste Punkt, den ich noch einmal ansprechen möchte – mit dringlicher Warnung auch an uns, an Parteien und WählerInnen hierzulande – ist der folgende Umstand: Austausch des Wahlkampfs gegen die gegnerischen, gegen die konservativen bis reaktionären Parteien im eigenen Land durch brutalen Wahlkampf der konkurrierenden linken Parteien untereinander, durch einen oft mit äußerster Härte geführten Wahlkampf mit den rivalisierenden Oppositionsparteien mehr oder minder auf der eigenen Seite, das lohnt sich einfach nicht. Wer das linke Rivalisieren über den Kampf gegen die Machteliten im eigenen Land stellt, hat schon von vornherein verloren. Vor allem die SYRIZA dürfte Opfer dieses fundamentalen Fehlers gewesen sein – und ich füge hinzu: eines Fehlers, der leider nicht selten gerade für linke Bewegungen so typisch ist. Kurz also:

Wer gegen die sozialen und ökonomischen Notstände im eigenen Land kämpfen will,  auch erhebliche Verbesserungen im Gesundheits- und im Kulturbereich durchsetzen will – eh unbestreitbare Katastrophengebiete in Griechenland! –, der gewinnt keine Stimme dadurch, dass er seinen Nachbarn diffamiert und dadurch den eigentlichen Gegner aus den Augen verliert – in diesem Falle das Großkapital, die Gutbetuchten und das oberste Wählerdrittel in Griechenland. Man bekämpft die Reichen mit ihren Politikern nicht, indem man auf Kleinstverdiener, auf vermeintlich nur böse Sozialdemokraten und nur böse Kommunisten losgeht. Das stellt kein Plädoyer für besinnungslose Einigkeit oder Augenwischerei dar, aber ein Votum für glasklare Politik gegen die Armutsprofiteure und Menschenverelender im eigenen Land. Ganz eindeutig daran hat es die SYRIZA in ihrem Wahlkampf aber fehlen lassen – und dieses auch vorher schon!

Zweitens bleibt nach wie vor festzustellen, dass die SYRIZA so brutal bei diesen Wahlen verloren hat, weil viele Wählerinnen und Wähler den vielfachen Wortbruch dieser vermeintlich „radikalen Linken“ im Jahre 2015 immer noch nicht vergessen haben, die verheerende SYRIZA-Politik nämlich seit dem September des Jahres 2015. Von wegen also: die Wahlberechtigten vergäßen so schnell. Dass die SYRIZA unter Alexis Tsipras sich widerstandslos der Troika gebeugt hatte, in den Monaten September 2015 folgende bis zum Ende ihrer Amtszeit im Jahre 2019 hinein, dass die SYRIZA also, auf Europageheiß, die Renten und Löhne in Griechenland aufs brutalste zusammenstrich sowie stattdessen die indirekten Steuern erhöhte, dass die SYRIZA die Menschen sozusagen runter kürzte auf ein Niveau, dass ein ‚Normalverdiener‘ in Griechenland zukünftig ein materielles Lebensniveau weit unter einem menschenwürdigen Existenzminimum hinzunehmen hatte, das hat man offenkundig der SYRIZA bis heute nicht vergessen.

Umso schlimmer noch, dass ein merkwürdiger Hansel von dieser SYRIZA, ein Mann namens Jorgos Katroungalos, immerhin von September 2015 bis Juli 2019 Minister im Kabinett Tsipras – zunächst Arbeits-, dann Außenminister –, ausgerechnet eine Woche vor dem Wahltag ausgerechnet existenzvernichtende Steuererhöhungen für Kleinstverdiener gefordert hatte. Ich betonte das ja bereits in meinem letzten Bericht: das war Idiotie und Wählerverrat zugleich, das war das Ansinnen eines Ausgeflippten, wie es schlimmer kaum auszudenken war.

Und auch dieses gehört zur Nach-Analyse zum Wahlgang am 21. Mai noch hinzu – und ich greife damit eine Information aus der „Griechenland Zeitung“ (GZ) vom 24. Mai dieses Jahres auf: tatsächlich sucht die SYRIZA, sozusagen in letzter Minute, auch noch Stimmen von Rechtsextremisten für sich zu gewinnen! Kann man noch mehr Fehler begehen? Kann man noch deutlicher völlige Unzuverlässigkeit an den Tag legen? Und schäbigen Opportunismus zudem?

An dieser Stelle eine kleine, aber nicht unwichtige Zwischenbemerkung:

Jawohl, es ist richtig, und ich sagte es ja oben schon: die SYRIZA verhielt sich ab dem Herbst 2015 so, weil sie dem Druck der EU, weil sie den ultimativen Drohungen der Schäubles und so weiter, weil sie dem Treiben der Troika beziehungsweise der Europäischen Gemeinschaft nachgab ohne wirklichen Widerstand. Aber: Portugal, vor die gleichen sozialen und ökonomischen Probleme wie Griechenland gestellt, Portugal, das mit den gleichen Erpressungsversuchen von Seiten Europas zu tun bekam, widerstand diesem Druck – und steht seit langem und steht heute ungleich besser als Griechenland da! Zwar ist auch dort nicht alles eitel Sonnenschein. Aber derart verheerende Wahlergebnisse und Verhältnisse – letzteres vor allem! –, das gibt es in Portugal seit langem nicht mehr! Und: es ist kein Zufall – ganz im Gegenteil! –, dass unsere westliche Mainstream-Presse (inklusive der elektronischen Medien) niemanden von uns bis heute über diesen ganz anderen, erheblich sozialeren und durchaus erfolgreichen Weg informiert hat. Ich verweise hier auf meinen eigenen Bericht vom 18. Oktober 2019. Ich füge an dieser Stelle aber noch etwas anderes hinzu, eine Grafik nämlich, die aufs deutlichste zu illustrieren vermag: Widerstand lohnt sich, Widerstand ist möglich! Und letzteres wäre auch heute noch der Fall, wenn man bei SYRIZA, PASOK und KKE nur wollte! Hier also die Grafik (die nicht von mir stammt, das nur nebenbei):

 

 

Meinen Spendenbericht kann ich heute noch kürzer halten als sonst. Für unsere Hilfsaktionen in Griechenland gingen während der letzten sieben Tage 45,- Euro auf unserem Konto ein, überwiesen von zwei HelferInnen an uns (in den knapp vierzehn Tagen davor waren es 70,- Euro gewesen, ebenfalls zwei LeserInnen unter Euch waren da die UnterstützerInnen gewesen).

Für HdS sah es während der letzten Woche etwas besser aus: 97,- Euro an Neuspenden gingen bei uns ein, die Anzahl der ÜberweiserInnen betrug neun wie im 14-Tage-Zeitraum davor (mit einem Neuspendenbetrag von 135,- Euro).

Allen UnterstützerInnen unter Euch danke ich sehr, selbstverständlich auch im Namen aller anderen Mitglieder aus unserem Team.

Von Tassos Chatzatoglou habe ich bisher noch keinen Bericht von seiner Griechenlandreise erhalten. Ich hoffe aber sehr, dass sehr bald Nachrichten von ihm bei mir eintreffen werden und dass ich dann ganz aktuell über die Situation der von uns betreuten Menschen in Griechenland berichten kann. Bis dahin haltet uns die Treue und legt weiterhin Eure beharrliche Hilfsbereitschaft an den Tag. Also:

Wer von Euch uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „Panagiota“ auf das Konto:

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21 GOE
Inhaber: IHW

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an Volker Töbel, entweder unter der Postanschrift Tewaagstraße 12, 44141 Dortmund, oder unter der Mailadresse vtoebel@web.de.

Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta

 

 

Einen Kommentar hinterlassen

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen