Nur ein Wort: Nein!

 In Kultur, Veranstaltungshinweis

Das Theater-Ensemble tgsm zeigt Bertolt Brechts Szenenfolge „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ im EINSTEIN Kultur (München) – und sagt NEIN!

Was für eine entsetzliche Zeit, diese Jahre in Deutschland ab 1933! Bertolt Brecht hat von 1935 bis 1943 im Exil Kurzstücke dazu verfasst, einige davon brachte das wunderbar engagierte Münchner Theaterensemble tgsm soeben auf der Kellerbühne des EINSTEIN in einer Inszenierung von Anne-Katrin Hirt zur Aufführung. Die Vorstellung wird bis Mitte Juni auch noch in der Kultur-Etage Messestadt, in der Pasinger Fabrik, im Pepper Theater und in der Grundschule Neubiberg zu sehen sein. Eine aktuelle Theaterempfehlung in München und Umgebung. (Alexander Kinsky)

Brechts mahnend moralisierende gereimte Texteinleitungen werden, von einem Sprecher sehr deutlich vorgetragen, vom Band zugespielt, teilweise mit Trommelwirbeln verstärkt.

Dann jeweils Aufblende, teilweise Ortsprojektionen im Hintergrund, auf der leeren Bühne (Bühnenbild und Ausstattung: Stefan Schüler und Christian Steffen) nur die notwendigen Requisiten, alles rasch auf- und wegräumbar, Konzentration auf die eindringlich gebotenen, vielfach sehr nachdenklich stimmenden bis zu erschütternden Inhalte der Kurzszenen, in denen verdeutlicht wird, wie die Nazidiktatur alle Gesellschaftsschichten erfasst und die Menschen bis in kleinste soziale Zellen verunsichert hat.

Zwei tumbe Saufnazis beginnen herumzuballern (Volksgemeinschaft), ein Ehepaar kriegt mit wie ein Nachbar verhaftet wird, den sie verraten haben (Der Verrat), ein SS-Mann peitscht den Häftling erst so richtig aus, als der Gruppenführer dabei ist (Dienst am Volke), ein Ehepaar spricht misstrauisch mit einem Entlassenen (Der Entlassene), beim aufgezwungenen Arbeitsdienst heben sich die Klassenunterschiede zwischen einem Studenten und einem Arbeiter nicht auf (Arbeitsdienst), eine jüdische Frau muss ihren Mann verlassen, weil er ihretwegen geächtet wird (Die jüdische Frau), bei der Radiopropaganda wird ein einfacher Arbeiter bei seiner ehrlichen Aussage abgewürgt (Die Stunde des Arbeiters), ein Studienratsehepaar steigert sich in die Hysterie, ihr kleiner Sohn könnte ein Spitzel sein (Der Spitzel), ein überzeugter Nazi wollte seine Kunden nicht enttäuschen, hat bei Juden eingekauft und erhängt sich, als sein Sohn ins KZ kommt (Der alte Kämpfer), eine Nachbarin konfrontiert ein Ehepaar damit, dass der Bruder der Ehefrau wohl nicht bei einem Übungsflug, sondern im Spanischen Bürgerkrieg umgekommen ist (Arbeitsbeschaffung), für den Sohn eines sterbenden Fischers ist der christliche Glaube obsolet, weil Jesus Jude war und der Pfarrer hat nun Angst wegen seiner Trostworte (Die Bergpredigt), ein Bauer lässt die Familie das verbotene Viehfüttern überwachen (Der Bauer füttert die Sau), beinhart liefern die Nazis die Leiche eines Arbeiters den sie beseitigt haben in einem Zinksarg bei der entsetzten Familie ab (Die Kiste), zwei SA-Männer bringen einer alten Frau Hitlergrüße und Spenden, die schwärzt naiv ihre Tochter mit einer Bemerkung über deren Haushaltsbuch an, worauf die Tochter festgenommen wird (Winterhilfe) und widerständige Arbeiter geben im Jahr 1938 nicht auf, auf dem Flugblatt zur angedachten Volksbefragung solle nur ein Wort stehen: Nein!

Das war bei der Premierenvorstellung übrigens das Stichwort für den Gastauftritt Konstantin Weckers, der am Klavier „Sage Nein“, sein leider immer aktuell bleibendes Lied gegen Neonazitum und Alltagsfaschismus, sang, und während er die Strophen sang, stellte sich das ganze Ensemble auf der Bühne auf und sang dann entschlossen und eindringlich die letzten beiden Refrains mit. Nachdem schon alle Szenen zuvor die bis in kleinste Zellen der Gesellschaft furchtbaren Auswirkungen einer Diktatur deutlich machten, alles ganz unmittelbar mitlebbar, besonders eindringlich Franziska Metz´ Verkörperung der jüdischen Frau, ein Mitgefühl, Mitleid und Entsetzen hervorrufender Monolog, zunächst mit Telefonaten mit ihren Freundinnen, dann mit vorgestellten Anreden an ihren Mann, dann mit ihm, als er dazugekommen ist, vermochte dieses Schlusslied besonders intensiv zu fesseln, verstärkt eben durch den entschlossenen Auftritt des ganzen Ensembles. Ein Da capo war unumgänglich. Und wird es – als Aussage wie als Lied – leider wohl weiter bleiben müssen.

Konstantin Wecker kann aus Termingründen leider nicht bei den Folgevorstellungen mitwirken, diese sind aber auch ohne ihn unbedingt besuchenswert.

Hochachtung vor und alles Gute dem Theaterensemble tgsm!

Alle Infos zur Produktion, zur Theatergruppe tgsm, zu den Terminen etc.:

http://www.theater-ensemble-tgsm.de/spielplan/furcht-elend/

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