Die Rechtlosigkeit von «Nutztieren» muss ein Ende haben!

 In Daniela Böhm, Umwelt/Natur, Wirtschaft

In Schlachthöfen gibt es keine Skandale – Schlachthöfe sind der Skandal. Immer wieder erfahren Tierschützer jedoch von Fällen, in denen dem Töten – an das wir uns alle viel zu sehr gewöhnt haben – noch unnötiges Leid hinzugefügt wird. So werden Kühe, die noch nicht richtig tot sind, aus “Zeitgründen” bei lebendigem Leib ausgenommen. Man möchte sich das nicht vorstellen – sollte man aber, um zu begreifen, welches System man mit dem Griff zum Billig-Rindfleisch unterstützt. Das Schlimme: Kühe können sich gegen diese Behandlung nicht wehren. Sie gelten rechtlich weitgehend noch immer als “Sachen”. Mein Staubsauger kann auch nicht gegen mich klagen, wenn ich ihm in der Wut einen Tritt gebe. Tierschützer fordern deshalb schon lange das Recht für Verbände, für die wehrlosen Tiere vor Gericht einzutreten. Redebeitrag zur Kundgebung zum Verbandsklagerecht am Odeonsplatz in München, organisiert vom Münchner Tierschutzverein, 13.10.2016. (Daniela Böhm)

Ende des vergangenen Jahres erstattete die Tierrechtsorganisation PETA Anzeige gegen die Firma Attenberger, den Betreiber der Rinderschlachtung in München, wegen des Vorwurfs schwerer Verstöße gegen bestehendes Tierrecht. Diese Anschuldigungen waren nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern stammten von einem seriösen Zeugen, der unter dem sogenannten Whistleblower-Schutz steht. In den belastenden Vorwürfen ging es um den Einsatz eines nicht zugelassenen Bolzenschussgerätes, durch das die Fehlbetäubungsrate über einen längeren Zeitraum in die Höhe schoss, die Nichteinhaltung von Wartezeiten zwischen Betäubung und Tötung sowie der Tötung und der Zerlegung, einen in Deutschland nicht zugelassenen Elektrotreiber und betrunkene Mitarbeiter in Schlüsselpositionen; beim Eintreiben, der Betäubung und der Schlachtung.

Das Ermittlungsverfahren wurde kürzlich von der Staatsanwaltschaft eingestellt; in dem Schreiben an PETA wurden sämtliche Vorwürfe entkräftet, derartige Vorfälle habe es nie gegeben und dort sei alles rechtens. Das ist vereinfacht ausgedrückt der Inhalt der Begründung für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. PETA hat bereits Beschwerde eingelegt und Akteneinsicht angefordert.

Der Fall München ist leider kein Einzelfall. Immer wieder dringen Schlachthausskandale ans Licht der Öffentlichkeit und die Dunkelziffer der tatsächlichen Misshandlungen an Tieren dürfte leider um ein Vielfaches höher liegen. Eine Videoüberwachung, wie in Frankreich auf politischer Ebene gefordert, wäre auch hierzulande längst überfällig – genauso wie das Verbandsklagerecht für die Tiere.

Es muss Handlungsfähigkeit gewährleistet sein, wenn Handlungsbedarf für jene besteht, die unter der Nichteinhaltung von Gesetzen leiden müssen. Das zeigt der Münchner Schlachthofskandal ganz deutlich.

Ein vorherrschender Grundsatz im deutschen Verwaltungsrecht, zu dem im Wesentlichen auch das Tierschutzgesetz gehört, lautet, dass eine Klage nur von demjenigen erhoben werden kann, der sich selbst in seinen Rechten verletzt sieht. Wir haben hier in Bayern also ein bestehendes Rechtssystem, das ganz klar die sogenannten Tiernutzer bevorzugt – diese können nämlich gegen alles klagen, was ihnen zu viel des Guten in Sachen Tierschutz erscheint. Aber für diejenigen, welche tatsächlich in ihren Rechten verletzt werden, kann niemand klagen. Es gibt ein Verbandsklagerecht für den Umweltschutz, aber keines für die Tiere – das ist absolut unverständlich und unfassbar. Für die Tiere und deren Rechte bleibt nur eine Anzeige, deren Wirkungsmöglichkeit viel geringer ist als die einer Klage. Wir brauchen die Verbandsklage, damit anerkannte Tierrechts- oder Tierschutzorganisationen als Anwälte der Tiere deren Rechte einfordern können und unabhängige Gerichte, die etwaige Rechtsverstöße überprüfen.

Und wir brauchen eine Anerkennung jener, die oft nicht einmal eine Randgruppe der Gesellschaft darstellen, sondern von ihr ausgeschlossen sind. Das betrifft vor allem die sogenannten Nutztiere. Rein rechtlich behandelt der Gesetzgeber Tiere immer noch wie eine Sache, auch wenn er betont, dass es fühlende Mitgeschöpfe sind. Es ist makaber, paradox und traurig, dass sie oft schlechter behandelt werden als irgendwelche Dinge: Das neue Smartphone oder Auto wird gepflegt und gehegt, Schmerz, Freude und Leid empfindende Lebewesen aber, wie z.B. Schweine, landen nach einer kurzen, qualvollen Aufzucht in Massenbetrieben beim Schlachter. Ein Leben, das keines war, wird gewaltsam beendet.

Mit dem Begriff des Humanismus und all seinen positiven Werten wird auch die Achtung des Menschen vor dem Tier und der Natur verbunden. Was wir brauchen, ist eine humane Gesellschaft und kein Gerede von humaner Tötung in Schlachthäusern, denn die gibt es nicht! Eine gewaltsame Tötung kann und wird niemals human sein. Wir leben eine Gesellschaftsform, die andere Wesen ausgrenzt, obwohl das Wort Integration in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und das ist richtig und notwendig. Wir müssen aber auch jene integrieren, welche nicht für sich selbst sprechen können und allein deshalb zu den Schwächsten der Schwächsten zählen.

Wir müssen uns als Menschen, als ganzheitliche Gesellschaft, die wir sein sollten, immer wieder bewusst machen, dass wir Verantwortung tragen: nicht nur für Kinder, ältere, kranke oder arme Menschen und für diesen Planeten, sondern auch für die Tiere. Wir müssen ihnen Schutz geben, wenn sie diesen benötigen. Wir sollten für sie da sein, wenn sie unsere Hilfe brauchen. Wir sollten uns um sie kümmern und sie respektieren. Es sind unsere Tiergeschwister und sie haben nicht unseren menschlichen Zwecken zu dienen, sei es als Nahrung, in Tierversuchen, für Kleidung oder zur Belustigung.

Wir sollten eine mitfühlende Gesellschaft sein und ein Mitgefühl entwickeln, das allen Lebewesen gilt und welches nicht vor dem eigenen Tellerrand aufhört.

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