Katzenstreu als Angriffswaffe? – Und wer hilft den Sterbenskranken in Griechenland?

 In FEATURED, GRIECHENLAND, Holdger Platta, Über diese Seite

Symbolisches Bild, nicht aus Griechenland

204. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“ Erneut gibt es böse Nachrichten aus Griechenland und gute Nachrichten zu unserer Spendenaktion. Ihr erfahrt von einem weiteren Erkrankungsfall, der das marode Gesundheitssystem in Griechenland entlarvt. Und Ihr dürft die erstaunliche Wahrheit zur Kenntnis nehmen, daß inzwischen sogar Katzenstreu, in Verbindung mit einem Kochtopf, eine bösartige Angriffswaffe ist, zumindest in Athen. Holdger Platta

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,

Ihr erinnert Euch: in der vergangenen Woche konnte ich über ein besonders gutes Spendenergebnis berichten. 9 UnterstützerInnen unter Euch hatten 817,- Euro auf unser Hilfskonto überwiesen.

Nun, in den letzten sieben Tagen hielt der positive Trend, im Vergleich zu den Wochen davor, durchaus an: 490,- Euro, überwiesen von 4 SpenderInnen, gingen bei uns ein. Das ist ein Wochenergebnis weit über den durchschnittlichen Spendeneingängen pro Woche vor der Weihnachtszeit 2019, als wir uns zumeist mit Wocheneinnahmen unter 200,- Euro zufriedengeben mußten (abgesehen jeweils von der ersten Woche im Monat: da schlagen einige Daueraufträge deutlich zu Buche).

Allerdings werden wir uns doch einige Zeit gedulden müssen, um die „restlichen“ 4.000,- Euro zusammenzubekommen, die ermöglichen sollen, für Olga S., 80 Jahre alt, auch die Kosten für ihre zweite Operation –  nach der Brustkrebsoperation (= 5.000,- Euro) den Eingriff zur Beseitigung ihres Sehnenrisses im Schulterbereich – übernehmen zu können. Gleichwohl danke ich Euch auch ein weiteres Mal sehr gerne für Eure Spendenbereitschaft! Ganz besonders übrigens unserer Leserin Petra S., die während der letzten Woche nun wahrlich den „Löwenanteil“ beigesteuert hat zu diesem guten Spendenergebnis in der Gesamthöhe von 490,- Euro, nämlich 420,- Euro! Diesen Dank – auch diesen speziellen Dank – spreche ich selbstverständlich wieder im Namen des gesamten Organisationsteams aus!

Und sicher erinnert Ihr Euch auch daran noch: am Beispiel von Olga S. hatte ich – nicht zum ersten Mal – über das marode Gesundheitssystem in Griechenland zu berichten gehabt. In einem “normalen”, in einem kommunalen, Krankenhaus hatte sich Olga diesen Operationen nicht unterziehen können. Sie musste ausweichen auf ein Privatkrankenhaus in Athen (deswegen auch die besonders hohen Operationskosten). Und auch die skandalöse Tatsache, dass keine Krankenkasse die Kosten für diese dringlich erforderlichen Eingriffe übernehmen wollte, hatte ich in diesem Zusammenhang erwähnt. Dieser neue griechische Staat unter der Regentschaft der „Neuen Demokratie“ lässt seine BürgerInnen eher zugrundegehen, als dass sein Gesundheitssystem den Erkrankten beisteht in ihrer Not.

Auf andere Weise zeigt nun auch ein Bericht unseres Teammitglieds und Griechenlandreisenden Tassos Chatzatoglou, den ich heute Vormittag erhielt, dass es mit der Krankenversorgung in Griechenland nicht mehr zum Besten bestellt ist – und Ihr wisst es wie ich: schon lange nicht mehr. Der bestürzende Inhalt seiner Mitteilungen an mich: auch in fachlicher Hinsicht scheinen griechische Krankenhäuser  nicht mehr ihren Aufgaben gewachsen zu sein. – Folgen des „braindrains“, der Tatsache also, dass mittlerweile mehr als 600.000, zumeist hochqualifizierte, GriechInnen ihr Land verlassen haben, weil es für sie zuhause keine menschenwürdig bezahlte Arbeit mehr gibt?

Nun, lest selbst, was mir Tassos Chatzatoglou geschrieben hat:

„Heute habe ich von meiner Schwester erfahren, dass eines der M.-“Kinder“, die auf der Insel Andros gelebt hatten und denen wir vor einigen Jahren geholfen hatten, im Sterben liegen soll.

Zoí, heute 20 Jahre alt, hatte plötzlich hohes Fieber sowie einen  Ausschlag am ganzen Körper bekommen. Sie wurde im Rot-Kreuz-Krankenhaus in Athen erstuntersucht. Die dortigen  Ärzte konnten das Fieber nicht senken und meinten, dass es sich um eine Art Nervenleiden handeln würde. Da es in diesem Krankenhaus weder einen Neurologen noch einen Rheumatologen gibt und da kein Ambulanzwagen zwecks Überführung in ein anderes Krankenhaus zur Verfügung stand, wurde Zoí mit einer Überweisung in ein anderes Krankenhaus weggeschickt. So ging sie nach Hause, um einige Sachen, die sie im Krankenhaus benötigen würde, zu holen. Zu Hause wurde sie bewusstlos und war nicht mehr ansprechbar. Ihr Freund alarmierte die Rettung, und Zoí wurde ins nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert. Dort dauerten die Untersuchungen 12 Stunden, bis die junge Frau ins Koma fiel. Es wurde letztendlich eine aggressive ‚Wolfskrankheit‘,  gepaart mit Epilepsie, diagnostiziert. Jetzt liegt die junge Frau im Koma, und die Ärzte haben meiner Schwester mitgeteilt, dass sie wenig Überlebenschancen sehen.

Bei der sogenannten ‚Wolfskrankheit‘ handelt es sich um einen systematischen Lupus erythematodes. Er bezeichnet eine Autoimmunkrankheit, die insbesondere Haut und Nieren betrifft. Die äußeren typischen Hautschädigungen wie  Rötung der Haut (‚erythematodes‘) erinnern an eine Verletzung durch einen Wolfsbiss (‚Lupus‘ – Wolf).

Wieder einmal ist ein (junger) Mensch ein Opfer der Krise geworden, so sehe ich das.

Zoí wird möglicherweise sterben, weil es in Griechenland kein funktionierendes Gesundheitssystem gibt. Wohl aber ist eine Polizei präsent, die vor nichts zurückschreckt.“

Natürlich: aus der Ferne, als Laie zudem, Diagnosen abzugeben zu diesem Erkrankungsbild, das verbietet sich von selbst. Anders sieht es allerdings aus, was diesen merkwürdigen Geschehensablauf betrifft. Aber zunächst einige Auskünfte noch zu diesem „Lupus erythematodes“: diese sogenannte „Wolfskrankheit“ oder auch „Schmetterlingskrankheit“ stellt eine relativ seltene Autoimmunerkrankung dar. Meinen ergänzenden Recherchen zufolge sind in Deutschland lediglich 60.000  Menschen davon betroffen, zu 90 Prozent übrigens Frauen. Oft verbunden ist diese Erkrankung mit einer ausgeprägten Sonnenallergie, und eine Kausaltherapie – also: eine die Ursachen der Erkrankung beseitigende Therapie – steht auch der bundesdeutschen Medizin bislang noch nicht zur Verfügung. Aber im Bericht von Tassos fällt gleichwohl auf, daß es da offenkundig einen Klinikbetrieb gibt, der nicht mal

über Neurologen und Rheumatologen verfügt (ich vermute: auch über Allergologen nicht), und dass offenkundig niemand in dem erwähnten Krankenhaus des Roten Kreuzes Bescheid wusste, wie – immerhin das! – diese Erkrankung symptomtherapeutisch zu bekämpfen bzw. zu lindern ist: mithilfe von Cortison zum Beispiel oder mit anderen entzündungshemmenden Mitteln oder auch mit sogenannten „Immunsuppressiva“ (= Medikamenten, die Immunerkrankungen zu „unterdrücken“ vermögen). Die Erkrankte nach Hause zu schicken, unbegleitet zudem, statt wenigstens symptomorientierte Hilfsmittel einzusetzen, das mutet doch befremdlich an – um nicht gleich von äußerster Fahrlässigkeit zu sprechen. So oder so:

Das Krankenversorgungssystem in Griechenland selber ist krank, diese Ferndiagnose gestatte ich mir. Und ebenso Recht hat Tassos meiner Ansicht nach, wenn er zum Schluss seines Berichtes die Tatsache beklagt, dass die griechische Regierung der Ultrakonservativen unter Kyriakos Mitsotakis lieber ihre Gelder in brutale und kostspielige Polizeieinsätze investiert statt in die Sanierung – man könnte, wörtlich übersetzt, sagen: in die Wiedergesundung – ihres Gesundheitssystems! Ich konkretisiere:

Ebenso “selbstverständlich”, wie das Regime der „Nea Dimokratia“, der „Neuen Demokratie“, es unterlässt, ein funktionierendes Gesundheitssystem wiederherzustellen, ebenso “selbstverständlich” setzt diese Staatsführung ihre Kämpfe gegen die Hausbesetzer – in Athen und anderswo – fort. In Exarchia und Koukaki, zwei Stadtteilen der griechischen Metropole, wurden auch in den letzten Wochen wieder vormals leer stehende, nunmehr von Künstlern, Flüchtlingen, Anarchisten „besetzte“ Häuser geräumt. Erneut wurden Blendgranaten, Gummigeschosse und Tränengas eingesetzt – mit der Folge schwerster Verletzungen zum Teil –, wiederum wurde zum, Knüppel gegriffen, wiederum wurden Hausbesetzer wie auch Nachbarn krankenhausreif geschlagen, wurden unschuldige Menschen verhaftet oder landeten in menschenunwürdigen Flüchtlingscamps oder in der Obdachlosigkeit! Und dies alles, um die betreffenden Stadtgebiete frei zu prügeln für ausländische Investoren und Tourismusbetreiber, die vormaligen Wohnraum lieber für kommerzielle Zwecke von airbnb zur Verfügung gestellt sehen wollen (ähnliche Vorgänge gibt es, nebenbei, zum Teil auch in Deutschland schon!). Knetemachen der einen und Obdachlosigkeit der anderen, das sind nur noch die zwei Seiten derselben Medaille. Gelder, die von außen hereinströmen aufgrund touristischer Kurzzeitvermietung, sind allemal wichtiger als Menschen, die, um überhaupt wohnen zu können, ein Dach über dem Kopf benötigen – egal, ob es Einheimische sind oder auch Flüchtlinge! Und das besonders Beschämende dabei:

Ein Großteil der griechischen Presse und der griechischen Medien spielen da mit: da werden in Filmberichten Kochtöpfe und Katzenstreu als Utensilien für die Herstellung von „Molotowcocktails“ präsentiert, auch leere Flaschen stellen angeblich „Beweismittel“ dar, und manche Journalisten reagieren, wie Augenzeugen berichten, enttäuscht, wenn es leider nicht zu Bildern von blutüberströmten Hausbesetzern kommt oder wenn Nachbarn über die „Verbrecher“ nebenan nur Gutes zu berichten wissen, von Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Kurz also:

In Griechenland versagt nicht nur der Staat, auch die Medien versagen mittlerweile sehr oft in Griechenland! Und es ist schon mehr als nur ein böser Witz, dass im Kabinett Mitsotakis ein sogenannter Minister „für Bürgerschutz“ der Verantwortliche für alle diese Polizeieinsätze ist, ein Herr mit Namen Michaelis Chrysochoid. „Bürgerschutz“ wird identisch mit Bürgervertreiben und Bürgerverprügeln. Es gibt mittlerweile ein ganzes Ministerium dafür!

Und was ist dann mit erkrankten Menschen wie Zoi M. und Olga S.? Die sind nicht einfach nur  erkrankt. Die drohen zugrundezugehen an einem Gesundheitssystem, für dessen Genesung der Staat leider kein Geld zur Verfügung hat, sondern lieber ausgibt dafür, dass die eigene Polizei für weitere Patienten in den Krankenhäusern sorgt. Und Europa, diese „Wertegemeinschaft“,  schweigt dazu – wie weitestgehend auch der Journalismus in Europa dazu schweigt!

Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, es bleibt dabei: wir schließen uns diesem Schweigen nicht an, sondern wir brechen es. Und Menschen wie Olga S. und Zoi M. versuchen wir beizustehen, soweit uns das irgendwie möglich ist. Auch heute also wieder die obligate Bitte an Euch: unterstützt uns, unterstützt uns auch weiterhin! Helft uns, zu helfen! Wir sind angewiesen auf Euch. Vor allem aber die Menschen in Griechenland!

Deswegen auch heute wieder mein Aufruf zu Spenden für unsere Hilfsaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“. Also:

Wer uns Gelder für unsere Hilfe für Menschen in Griechenland zukommen lassen will, der überweise uns diese bitte unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“  auf das Konto:

Inhaber: IHW

IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49

BIC: NOLADE21GOE

Wer eine Spendenbescheinigung benötigt – ab 201,- Euro erforderlich –, wende sich bitte an unseren Kassenwart Henry Royeck, entweder unter der Postanschrift Sültebecksbreite 14, 37075 Göttingen, oder unter der Mailadresse henryroyeck@web.de.

Und wer, wie gesagt, noch etwas mehr tun will: auch unser gemeinnütziger Verein, die „Initiative für eine humane Welt (IHW) e.V.“, ist immer wieder erneut auf neue Hilfsgelder angewiesen, zur finanziellen Absicherung unserer Arbeit ganz generell. Diese Spenden bitte dann an dasselbe Konto, wie oben angegeben, jedoch mit dem Stichwort „GR-IHW“ versehen. Es sei wiederholt: wir würden uns riesig auch über diese Unterstützung freuen.

Mit herzlichen Grüßen wie stets

Euer Holdger Platta

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