Alexanders Albumtipp am Sonntag: Sarah Lesch – Der Einsamkeit zum Trotze

 In CD-Tipp

Sarah Leschs viertes Album “Der Einsamkeit zum Trotze” sucht und findet voller Einfühlungsvermögen in der komplexen Welt von heute menschliche und andere Verbündete, mit denen man sich sofort identifizieren kann. (Alexander Kinsky)

Sarah Leschs angenehme Chansonstimme zieht einen gleich hinein, an den Tisch mit dem rosa Elefanten, der nahezu anarchisch die scheinbar so gefestigte Welt der Tischgesellschaft zu stören imstande ist. Der rosa Elefant ist die erste Erscheinung, die in den Liedern die Aufmerksamkeit weckt, die, “der Einsamkeit zum Trotze”, Leben ins Geschehen bringt, Farbe, Geborgenheit, Individualität, Anderssein, Mitgefühl.

Das sagt Sarah Lesch selbst zum Titellied ihres neuen Albums:

Rücken an Rücken gegen den Säbelzahntiger, den Herbst atmen, zu Hause sein wo Leute ihre Sprache sprechen, der freundliche Riese (wohl ein naher Verwandter), das letzte Lied, der wiedergewonnene Leichtsinn nach einer Trennung, etwas total Aufwühlendes in der Mitte vom Raum, zu zweit mit einem Flötensolo dazu Sternschnuppefahren, die Sehnsucht, vom Partner wahrgenommen zu werden (nicht nur seine Marionette zu sein), die Flut als Warnung für die Klimaverantwortung, und dann noch alle zusammen und noch ein paar mehr, besonders einer, gehen wir nach Hause.

Sofort mit dem rosa Elefanten sucht man in jedem Lied nach dem Element, an das man sich halten kann, und man wird immer fündig. Sarah Lesch fächert das in ihrer eigenen klugen Liedpoesie in so vielschichtige Facetten auf, musikalisch wie textlich abwechslungsreich und dabei eben von ihrer kreativen Band herzlich akustisch getragen, dass man das Album voller Spannung und Intensität durchhören kann und danach (es sind diesmal keine Liedtexte beigelegt) das eine oder andere Lied unbedingt sofort noch einmal hören möchte und dann erst recht aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, weil man immer wieder neue Details entdeckt, Textpassagen, Arrangementfeinheiten, zur Aussage der Lieder an sich.

Das Album ist sofort da und doch kann man mit ihm wachsen, öffnet es mit dem vertiefenden Zugang umso mehr Tore.

Einmal mehr ist es erfreulich, dass die Liedermacherei mit akustischer Band betrieben wird, hier mit Flöte, Gitarre, Ukulele, Klavier, Rhodes, Perkussion, Bass, Posaune und Banjo – da kommen die deutschsprachigen, subtil gesponnenen Chansons gleich umso familiärer, heimeliger rüber. Zwischen Jazz und sanftem Punk sind sie stilistisch angesiedelt, Strophenlieder hört man, Lieder die zum Weiterdenken anregen, kluge, sensible Lieder allesamt.

Die Lieder des im Mai 2020 bei Räuberleiter erschienenen Albums haben Sarah Lesch, Lukas Meister, Michael Büschelmann, Daniel Moheit, Martin Pirr, Stefan Flegel, Martin Roder, Robin Kruse (Oberst Kübel), Phoebe Kreutz und Tim Ludwig mitgeschrieben, und produziert wurde das Album von Sarah Leschs langjährigem Mitarbeiter Robert Amarell.

Im genormten vielfach unerfüllten Leben dieser Zeit vermag so ein Album wie Sarah Leschs “Der Einsamkeit zum Trotze” etwas Halt zu geben, die Zuversicht zu bewahren, dass es durchaus auch gemeinsam geht, wenn man nur will und die richtige einfühlsame Sensibilität für sich selbst, für seine Umwelt und für die ganze Welt zulässt.

Lieblingslieder des Schreibers nach dem ersten Eindruck sind “Hunger”, diesmal nicht von der Gitarre geprägt sondern mehr vom Klavier, musikalisch mit seinem ganz eigenen Drive und textlich diese eindringliche liedpoetische Bitte an den Partner, nicht nur sein Anhängsel zu sein, endlich als Mensch wahrgenommen zu werden – und das letzte Lied “Geh nach Haus”, mit dem einen, bei dem alle lachen wenn er sagt wovon er träumt und keiner ihn versteht.

Er ist einer von uns.

Die Homepage von Sarah Lesch: https://sarahlesch.de/

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