Alexanders CD-Tipp der Woche: The Beatles – Abbey Road

 In CD-Tipp

Heute einmal ein Klassiker – das legendäre letzte reguläre Studioalbum der Liverpooler Band aus dem Jahr 1969, mit einigen Allzeithits und Inspirationen für so manche andere Gruppen und Interpreten (Alexander Kinsky)

Die immer komplexer werdenden Produktionen der Beatles seit 1963 gipfelten 1969 in dieser letzten konzentrierten Zusammenarbeit aller vier. Von Anfang an prägten Stilvielfalt, Vierfarbigkeit und professionelle Feinarbeit des Produzenten George Martin den Weg von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr, je nachdem wer Songs hauptverantwortete und wer sang.

Die Beatles 1969:

Das Projekt „Get Back“, gefilmte Bandarbeit, wird Anfang des Jahres gestartet – und scheitert bald, wegen immer größerer Spannungen innerhalb der Band.

Immerhin kommt ein Dachkonzert am Apple Gebäude in London am 30.1.1969 (mit Keyboarder Billy Preston) zustande, das letzte Livekonzert der Beatles, das aber nach 42 Minuten abgebrochen werden muss.

Aus den begonnenen Aufnahmen in den Handel kommt zuerst in GB am 11.4.1969 immerhin eine Single – Get Back/Don´t Let Me Down.

Und noch eine Single wird bald darauf, in GB am 30.5.1969, veröffentlicht, The Ballad Of John and Yoko/Old Brown Shoe.

Ab April 1969 reißen sie sich zusammen und versuchen es noch einmal im Studio, wieder unter der Leitung von Produzent George Martin. Das daraus (unter Verwendung auch weiteren „Get Back“ Materials) resultierende Album Abbey Road kommt am 26.9.1969 in GB in den Handel.

Höreindrücke eines Musikliebhabers zu Abbey Road:

Come Together: Was für ein Opener! Laut aufgedreht lassen! Ein magischer Rock von John Lennon, mit genialem Groove. Ein Song der sofort zündet und alles vergessen lässt, was bisher war. Da zählt nur die Gegenwart dieses Liedes, das einen in seinen Bann zieht. Michael Jackson der sich vielfach wie man deutlich erkennt an John Lennons Gesangsart hier orientiert hat, hat den Song dann auch 1995 für seine Doppel CD History gecovert, mit härterem Beat.

Something: Und es geht magisch weiter, sensationell. George Harrison darf nicht mehr nur auch Beiträge liefern, er steht nun absolut gleichwertig neben den Kollegen. Bei dieser genauso magisch guten Ballade kommt auch ein Orchester zum Einsatz. Ein Jahrhundertsong, vor allem harmonisch von einem einmaligen Zauber getragen. Joe Cocker veröffentlichte 1969 eine erdige Coverversion mit Orgelsolo und Gospelsängerinnen. James Browns soulige Coverversion aus dem Jahr 1973 lebt das Potential dieses genialen Songs wieder völlig anders.  Wäre man gezwungen die fünf besten Beatles Songs zu nennen, Something müsste unbedingt dabei sein.

Maxwell’s Silver Hammer: Wieder einmal Vaudeville von Paul McCartney, diesmal mit Amboss und Hammondorgel. Das erdet das Hörvergnügen etwas ins bereits klassische Variationsspiel der Vierfarbigkeit.

Oh! Darling: Paul McCartney erweist den 50ern mit einem klassischen L´Amour Hatscher seine Reverenz, mit Fortdauer des Songs bevorzugt er aber heftig exaltierten Gesang. Der 2002 geborene ukrainische Kinderstar Anastasiya Petryk hat 2010 eine Coverversion aufgenommen und den Song 2011 in einer TV Show auch live vorgestellt (auf youtube verfügbar), eiskalt hochprofessionell aufgezogen, wie die Kinder in der 70er Jahre Gangsterparodie Bugsy Malone.

Octopus’s Garden: Ringo Starrs Beitrag zur LP, sein zweiter allein verantworteter Autorenbeitrag der Beatles Zeit, befasst sich äußerlich heiter mit der Geborgenheit in der Krabbenwelt unter Wasser.

I Want You (She’s So Heavy): Eine exzeptionelle John Lennon-Bluesbeat-Jazzrock-Nummer, enthusiasmisiert von Yoko Ono, 7:44 Minuten lang und ganz wenig Text, nur ein paar Phrasen. Die Nummer intensiviert sich nach und nach, wie berauscht am Karussell, bis sie urplötzlich abbricht. Damit hat die A-Seite der LP geendet. Das waren noch Zeiten als entscheidend war, wie Plattenseiten enden (vgl. Konstantin Weckers „Inwendig warm“ 1984).

Here Comes The Sun: George Harrisons zweiter Geniestreich der Platte, was für ein herzliches Schönwetterlied, kommt nach dem plötzlichen Ende der John/Yoko Orgie (hört man die CD durch) umso verblüffender, an dieser Stelle fast frech leicht daher. John Lennon war bei der Aufnahme nicht dabei, dafür wieder ein Orchester, das aber auch dezent eingesetzt wird. Steirisch haben es STS 1981 nachgesungen (Text Schiffkowitz) – Da kummt die Sunn, im Arrangement mit hohem Respekt vor dem Original. In Österreich ist das mindestens so ein Klassiker wie das Beatles Original.

Because: Ein versteckter weiterer Höhepunkt der LP, eine geheimnisvolle Ballade von John Lennon, mit vierstimmigem Gesang und Moog-Synthesizer.

Die Titel 8 bis 16 setzen sich zu einem Medley zusammen und sind vielfach nur sehr kurz.

You Never Give Me Your Money: Das Medley beginnt mit einer Paul McCartney Anti-Manager-Nummer, die als Klavierballade beginnt und sich dann toll steigert.

Sun King: Eine John Lennon-Nummer von eigenem Zauber, meditativ rituell gleitend, Textelemente englisch, spanisch und italienisch.

Mean Mr. Mustard: Wieder John Lennon, rockig, an die 50er gemahnend.

Polythene Pam: John Lennon zeigt sich hier noch aufgedrehter, getriebener.

She Came In Through The Bathroom Window: Jetzt Paul McCartney, wieder bluesiger.

Golden Slumbers: Kurze, aber groß aufblitzende Ballade von Paul McCartney, mit Orchester, aber ohne John Lennon aufgenommen.

Carry That Weight: McCartneys Fortsetzung, kompakt an die Ballade davor anschließend, im Refrain irgendwie wie ein Stadionchor daherkommend, im Mittelteil noch einmal You Never Give Me Your Money zitierend, wieder mit Orchester.

The End: Der letzte Song am letzten regulär aufgenommenen Beatles Album ist eine beschwingte Rocknummer von Paul McCartney, auch wieder mit Orchester, und mit mehreren Besonderheiten. Erstmals gibt es ein Schlagzeugsolo von Ringo Starr, dann wird das Gitarrensolo auf John, Paul und George aufgeteilt gespielt, also drei Soli in einem, und die allerletzten Takte haben einen Hauch von Hollywoodfinale, nur einen Hauch, den aber mit Nachdruck.

Her Majesty: Später wird man das Hidden Track nennen, 20 Sekunden nach dem Ende des letzten Songs noch ein 23 Sekunden Schnipsel, den man auch irgendwo ins Medley stopfen hätte können. Paul alleine, nur seine Stimme und die Gitarre.

Speziell die ersten beiden Songs Come Together und Something dieser auch tontechnisch grandiosen Produktion heben ab als künstlerischer Höhenflug vom Besten, danach auch Johns exzessives I Want You (She’s So Heavy), Here Comes The Sun und Because. Das außergewöhnliche, exzeptionelle Album atmet stilistisch deutlich den Sound seiner Zeit, mit dem Einsatz des Moog Synthesizers etwa. George Harrison hat es auf den Alben zuvor markant angedeutet, mit seinen zwei Beiträgen für Abbey Road gehört er unbestreitbar schöpferisch gleichrangig neben Lennon und McCartney. Das Medley ist komplex, beim ersten Durchhören wirkt es etwas arg zusammengestoppelt, man hört sich dann aber ein und möchte es schließlich gar nicht mehr anders haben. Trotzdem wäre es reizvoll, einzelne Teile länger hören zu können, den Anfang von You Never Give Me Your Money, Sun King und vor allem Golden Slumbers, ein Song mit ungeheurem Potential als große Broadway-Glanznummer. Zumindest was den betrifft hilft der US-amerikanische Computeranimationsfilm Sing (Regie Garth Jennings) aus dem Jahr 2016, für dessen Soundtrack Jennifer Hudson genau das macht –  Golden Slumbers und Carry That Weight als große Popballade aufbereiten. Viele Floskeln, Motive, Arrangementideen erkennt man als Vorbilder für andere Interpreten und Projekte, in Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar etwa, und bei den letzten Medleybeiträgen haben sich wohl Queen für ihre Bohemian Rhapsody bedient. Und nicht zuletzt PInk Floyd bei I Want You (She’s So Heavy).

Einmal mehr gehört zum Gesamtkunstwerk der Beatles Veröffentlichung auch die Coverwahl, hier ohne jeglichen Text dazu ein Foto mit den vier Beatles, auf dem Zebrastreifen die Abbey Road in der sich das Aufnahmestudio befindet überquerend.

Abbey Road beendet die Beatles Zusammenarbeit zu viert. Bis 1974 werden John Lennon und Paul McCartney nichts mehr zusammen machen.

Ein exzeptionelles Album der Popgeschichte!

Abbey Road auf der offiziellen The Beatles Homepage: https://www.thebeatles.com/album/abbey-road 

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