Antrag auf Fördermittel

 In FEATURED, Politik, Wirtschaft

Monika Herz hatte sich als Sonderkommissarin bei der EU-Kommission beworben. Sie wissen schon: Dort hat jetzt eine bekannte deutsche Politikerin das Sagen, die unser Vaterland lange tapfer verteidigt hat. Die Absicht hinter ihrer Bewerbung: die Gemeinwohlökonomie in Europa einführen. Man sollte meinen, das sei leicht, denn für das Gemeinwohl muss doch wohl jeder sein. So leicht ist es aber nicht. Dagegen sind z.B. jene, die von ungemein ungerechten Zuständen profitieren. Ohne Moos ist auch in Europa nichts los, deshalb beantragt Monika Herz jetzt Fördermittel. Und da in Europa Kunstfreiheit herrscht, erklärt sie die Einführung der Gemeinwohlökonomie einfach zum Kunstprojekt. Monika Herz

Gute Morgen, liebe Frau von der Leyen,

da bin ich wieder. Vorhin hab ich grad eine Petition unterschrieben. Von „Rettet den Regenwald“. Die Petition ist an Sie gerichtet. Ja, an Sie! Also an die Europäische Kommission halt.

Als zukünftige Sonderkommissarin fühlte ich mich auch gleich betroffen. Wissen Sie, was da los ist? Sie denken vielleicht: Ach der Regenwald! Was kümmert mich im Moment der Regenwald! Die Frauenquote ist viel wichtiger! Möglicherweise ist die Frauenquote längerfristig tatsächlich wichtiger. Nämlich damit ich als Sonderkommissarin eingreifen kann. (Siehe Bewerbungsschreiben). Aber wissen Sie, was da los ist im Regenwald? Da soll von der Kommission ein Sonder-Handelsabkommen unterzeichnet werden, um den Export von Rindfleisch und Soja (für die heimische Schweinefleisch-Produktion) zu erleichtern. Damit eine gewisse Firma, die sich zahlreicher Menschenrechts-Verletzungen, Brandstiftung, Sklavenhaltung, Kinderarbeit und anderer rigoroser Firmenmethoden verdächtig gemacht hat, also damit es die leichter hat. Weniger Steuern und Zölle zahlen muss oder so.

Wie kommt es nur, dass ein solcher Antrag bei der Kommission überhaupt noch landen kann? Das würde mich echt interessieren! Kennt den in Brüssel niemand dieses ECO/378? (siehe ebenfalls mein Schreiben)

Deshalb dachte ich: Jetzt stell ich auch mal einen Antrag. Mal schauen, wie weit ich damit komm. Dann wusste ich aber nicht, was ich eigentlich beantragen will. Das kann in der Kunst passieren. Da will man als Künstlerin was gestalten und weiß gar nicht, wo man anfangen soll.

Ich hab ja jetzt zwei „Follower“ – nein, nicht auf Twitter, auf „Hinter den Schlagzeilen“. Kennen Sie auch nicht? Macht nichts – bei den Wissens-Defiziten, die ich Ihnen unterstelle, kommt es darauf auch nicht mehr an.

Jedenfalls: Eine meiner Followerinnen, die Heike, hat eine ganze Liste von Fördermitteln aufgezählt, die das Land Sachsen in den vergangenen Jahren seit 2015 insgesamt bekommen hat. Paar Milliarden, wenn ich nicht irre. Darunter ein Bäckerladen in einem Dorf. Die AfD hat trotzdem letztes Wochenende die Landtagswahl gewonnen, obwohl Ihre Partei (die CDU, falls Sie das auch nicht wissen) weiterhin gerade noch die stärkste Partei geblieben ist. Eine Randnote der Geschichte. Sachsen. Das ist womöglich das ehemalige Preußen!

Wissen Sie: Ich will aber keine „kleinen Brötchen“ backen, obwohl mir das von Jugend an empfohlen wurde, als ich damit begann, von „großen Visionen“ zu predigen. Den Segen, den ein Bäcker für ein kleines Dorf bedeutet, will ich damit aber in keinster Weise schmälern. Ich hab selber auch schon Brote gebacken! Biokorn, ein Drittel Roggen. Die 50 kg-Säcke waren reichlich schwer. Bäcker sein ist in ehrenwertes Gewerbe! Durchaus förderwürdig. Ganz im Gegensatz zu jener o.g. Firma, die auch Kakao in die EU liefern möchte und kein Problem damit hat, dass Kinder in den Herkunftsländern des Kakao solche 50 kg-Säcke schleppen müssen…

Ah! Jetzt ist es mir eingefallen!

Kunstprojekt GWÖ für Alle!
Gemeinwohl-Ökonomie für Alle!

Das ist das Projekt! Das ist der Name!

In Klammern: siehe ECO/378 vom 17. September 2015, Brüssel, Ausschussware Wirtschaft und Soziales.

Wieviel Euro braucht es da wohl? Immerhin handelt es sich bei dieser GWÖ um einen so genannten holistischen Ansatz. Holistisch. Hm. Ganzheitlich heißt das ja wohl.

Also, ich muss jetzt mal rechnen. Womit fang ich an? Mit ein paar Zeiteinheiten. Zeit lässt sich dann relativ leicht in Euro umrechnen. Letztlich geht’s ja doch immer um Euro. Also:

Ausdenken der GWÖ 2000 h pro Jahr / 10 Jahre
Mit-DenkerInnen und AkteurInnen (Stand 2015) 100 Gruppen / 2000 Unternehmen (2015)
Die 100 Gruppen jeweils vl. 10 h pro Jahr bei einer Gruppenstärke von 10 macht 100 h pro Gruppe mal 100 Gruppen sind 10.000 h pro Jahr mal 10 Jahre macht 100.000 Stunden.

2000 Unternehmen die mindestens 10 Stunden pro Jahr für diese geschissene und ganz wunderbare Gemeinwohl-Bilanz aufwenden müssen und dafür auch noch Beratung bezahlen.

Oh Mein Gott! Überlegen Sie mal! Was diese Leute geleistet haben! Welche Opfer für die GWÖ schon gebracht wurden! Welche Begeisterung in der Idee steckt, dass sie einfach nicht untergeht! Allein der Vordenker hat 20.000 Stunden ungefähr auf dem Kerbholz. Wenn man den niedrigsten Satz für Freiberufler mit 30,- Euro heranzieht, gibt das allein schon einen Wert von 600.000,- Euro. Hat der junge Mann seinen Lohn schon gekriegt? Nicht?

Haben die Initiativgruppen schon eine Förderung bekommen? Nein? Nach meiner Rechnung wären das 100.000 Stunden mal 30 Euro: 3 Millionen. Ein Klacks für die EU! Kein Antrag angekommen? Ach so!

Und die Unternehmen? Ja. Hab ich doch schon mal gefragt, ob die Gemeinwohl-Bilanz schon in den europäischen Rechtsrahmen eingebunden ist inklusive Förderung der Pionier-Unternehmen. Nichts passiert? Sie wissen von Nichts?
Sehen Sie! Ich muss unbedingt kommen!

Ich kann natürlich auch kommen, ohne dass Sie mich vorher einladen. Also netter wärs schon, wenn Sie mich einladen. Wenn Sie es nicht tun, ist der Nachteil für Sie, dass Sie mich dann leider nicht kennenlernen. Für mich ist der Nachteil, dass ich vielleicht gar keine Lust hab, nach Brüssel zu reisen. Was durchaus auch ein Vorteil für mich sein kann. Andrerseits möchte ich den Antrag schon gerne persönlich abgeben. Es ist immerhin der Antrag, der das bisherige Wirtschaftssystem von Grund auf sanieren wird. Ich komme sozusagen als Klempnerin.

Wir werden ja sehen, was passiert, wenn ich mal einen „Probe-Antrag“ nur schriftlich einreiche. Oh Gott! Wo muss ich den denn überhaupt hinschicken?

Der Text ist jedenfalls schnell entworfen:

Absender
Datum, Ort
Betreff: Formloser Antrag auf Fördermittel

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich vorläufig 1000,- Euro Fördermittel für das Kunstprojekt „Gemeinwohl-Ökonomie für Alle“ (gemäß ECO/378 vom 15. 09.2015).

Mittelverwendung:

Fahrtkosten Peißenberg – Brüssel. Über Mannheim und Köln. Mit der DB. 4 mal umsteigen, 8.16 h. Einfach 191,- Euro. Wenn ich heute gleich losfahren würde. Also da nehm ich doch am besten den Nachtzug mit Schlafwagen. Ich schätz das mal auf 500,- Euro hin und zurück. Dafür hab ich dann CO2 gespart. Wenn ich nicht fliege. Hoffentlich.

Lt. Atmosfair kostet ein Flug nach Brüssel nämlich 404 kg CO2 und 10,- Euro Kompensationsbeitrag. Was kostet überhaupt so ein Flug in Euro? Wenn ich heute noch nach Brüssel wollen würde? Also billigste Varianten auch so um die 500,- Euro. 4.05 h Stunden Flugzeit. Dazu Anreise zum Flughafen. Keine großartige Zeitersparnis.

Also
Fahrtkosten 500,-
3 Übernachtungen Brüssel 300,-

Ja. Also wenn ich schon da bin – wer weiß, ob ich jemals wieder nach Brüssel komm -, dann möchte ich schon den Leuten, die in der EU arbeiten, ein bisschen über die Schulter schauen.

Ach! Wahrscheinlich komm ich ohne Sonderausweis da gar nicht rein. In diese Büros und Ausschuss-Räume. Freunde von mir, Indianer, die anlässlich der 500-Jahr-Feier wegen der „Entdeckung“ Amerikas einen Gegenbesuch in Europa machten, die saßen stundenlang ratlos auf Gängen herum, nicht einmal genügend Stühle hat es gegeben. Ehrwürdige Älteste! Obwohl sie eingeladen waren! Ganz offiziell! Das ist allerdings schon 20 Jahre her. Ich hoffe, die Manieren in der EU haben sich inzwischen gebessert. Aber sicherheitshalber muss ich doch einen Sonder-Ausweis drucken lassen, das kostet auch leicht 200,- Euro. Schon sind die 1000,- Euro futsch. So schnell kann’s gehen. Dass meine eigene künstlerische Tätigkeit auch bezahlt werden muss, hab ich jetzt wieder vergessen. Mensch! Also erhöhen wir mal auf 2000,- Euro. Probehalber. Wie gesagt. Es handelt sich um einen Probe-Antrag.

Eine Begründung brauch ich ja wohl nicht dazuschreiben. Dass das Projekt saugut ist, hat ja der Wirtschafts- und Sozialausschuss vor fünf Jahren schon längst bestätigt. Das spart mir schon mal die lästige Begründungs-Arbeit! Super!
Dann kann ich mich gleich besser auf das Künstlerische konzentrieren. Und auf meine Berechnungen!

Also dann.
Auf Wiedersehen in Brüssel
Ihre Monika Herz

 

Weitere Informationen zur Gemeinwohlökonomie: https://www.ecogood.org/de/

Kommentare
  • heike
    Antworten
    Liebe Monika,

    dein Antrag auf Fördermittel für eine Gemeinwohl-Kunst-Kultur erinnert mich ein wenig an Joseph Beuys, der jeden Menschen als einen potentiellen, seinen Lebensraum gestaltend beinflussend könnenden Künstler ansah und für den Kreativität die wahrhaft revolutionäre Kraft war (Agressivität ist es sicher nicht, die ist nicht revolutionär, sondern zerstörend).

    Mit kreativen Ideen können wir Menschen Technologien entwickeln, die unsere Umwelt schonen.  Deshalb ist es auch richtig, dass von der EU solche Forschungen gefördert werden, ebenfalls Maßnahmen, wie z.B. Dämmungen, die weniger Heizenergie und damit weniger CO2-Ausstoß, nötig machen.

    Ich glaube, förderungswürdig wäre z.B. ein Projekt: Vegatarisches/veganes Kochen mit eigenem Gemüseanbau für Arme/Obdachlose/Migranten/alle. Man braucht eine Räumlichkeit und eine Anbaufläche/Garten und kann sich über Förderungen die Einrichtung (Küchengeräte etc. finanzieren lassen).

     

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