Auch kleine Hilfen sind wichtig in einer großen Welt!
47. Bericht zu unserer Spendenaktion „Helfen wir den Menschen in Griechenland!“Wolfgang Schäuble lehnt einen Schuldenschnitt für Griechenland ab. Da könnte ja jeder kommen und Not leidenden Gläubigern ihr rechtmäßig erworbenes Geld verweigern! Wieder einmal stellt sich der notorische Schreibtischtäter ins Zentrum jenes Sturms, der dabei ist, ein schönes, kulturell reiches Land vollkommen zu verwüsten. Und was tun die Griechen, um sich zu wehren? Sicher haben Sie es schon überall gelesen: sie überziehen das Land mit Streiks. – Ach, Sie haben das noch nicht gelesen? Da hat Ihre Tageszeitung oder ihre Lieblingsnachrichtensendung wohl aus Versehen was unter den Tisch fallen lassen. Gut, dass sich Holdger Platta in dieser Folge seiner Artikelserie den dramatischen Verhältnissen in Griechenland zuwendet. Zu wissen, was im Allgemeinen passiert, motiviert vielleicht so manche/n, im Speziellen zu helfen. (Holdger Platta)
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser,
nein, heute beginne ich meinen Bericht über unsere Hilfsaktion für notleidende Menschen in Griechenland nicht mit den neuesten Spendenzahlen! Ich möchte Euch zuerst über die aktuelle Gesamtsituation in dem drangsalierten Griechenland informieren und greife dabei zuerst auf einen Bericht von Peter Gerber zurück, einem mit unserem Helfer Karlheinz Apel befreundeten Journalisten – und zwar mit einer wichtigen Frage an Euch: erfahren wir von solchen Nachrichten aus den Mainstream-Medien, aus „ZDF-heute“ etwa oder „ARD-tagesschau“? Wusstet Ihr, dass allein in dieser Woche Griechenland heimgesucht wurde von zahlreichen Streiks, allesamt verursacht von den „Sparmaßnahmen“, denen sich nahezu alle Griechinnen und Griechen – einschließlich der Regierung – zu unterwerfen haben (sämtliche Wochentagsangaben im folgenden Bericht beziehen sich auf den Siebentageszeitraum um den heutigen Donnerstag – meinen „Schreibtag“ – herum)? Was ist also von einer bundesdeutschen Berichterstattung zu halten, die all die folgenden Nachrichten bestenfalls in selektiver Kürzestform, zumeist aber gar nicht bringt?
„Streiks in Griechenland
Schiffe werden landesweit zunächst bis Freitag früh 6 Uhr in den Häfen bleiben, weil die Seemannsgewerkschaft PNO aufeinanderfolgende Arbeitsniederlegungen durchführt.
Diese können eventuell um weitere Tage verlängert werden.
Der Ausstand begann bereits am Freitag. Die Seemänner fürchten erneut Steuererhöhungen in ihrer Zunft. Ihren Angaben zufolge könnte ihre Besteuerung auf 55 % ihrer Gesamteinnahmen angehoben werden.
Bauern suchen nach Lösungen, da sie ihre Produkte von den Inseln aus nicht aufs Festland befördern können.
Am kommenden Donnerstag, dem 8. Dezember, führt zudem die Dachgewerkschaft der Privatangestellten (GSEE) einen Generalstreik durch.
Um 11 Uhr kommt es zu einer Kundgebung am Pedion tou Areos Platz in Athen. Daran werden sich auch Mitglieder der Dachgewerkschaft Öffentlicher Dienst (ADEDY) beteiligen.
Der Protest richtet sich, wie es in der Ankündigung der GSEE heißt, „gegen die Politik der Sparmaßnahmen, der Armut und des Elends“. Vor allem hegen die Gewerkschafter den Verdacht, dass die Regierung mit den Geldgebern ein viertes Spar- und Reformprogramm (Memorandum) ausarbeiten wird.
In diesem Zusammenhang haben sie errechnet, dass das Budget für das Jahr 2017 weitere steuerliche Maßnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro und Kürzungen staatlicher Ausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vorsehe.
Auch in vielen anderen Städten des Landes finden Protestkundgebungen statt.
Am Streik beteiligen sich u. a. auch Krankenhausärzte und Bankangestellte. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel in Athen und Thessaloniki verkehren am Donnerstag nur bedingt; die Athener blauen Stadtbusse und Oberleitungsbusse verkehren nur zwischen 9 und 21 Uhr.
Die U-Bahn (Attiko Metro), Elektrobahn (ISAP) und Straßenbahn (Tram) der Hauptstadt werden am Donnerstag nur zwischen 10 und 16 Uhr im Einsatz sein.
In Thessaloniki werden die Busse mit Notfallpersonal verkehren.
Die Journalisten streiken bereits am Mittwoch, damit sie am Donnerstag in den Funkmedien über den Verlauf der Proteste berichten können. Aus diesem Grund werden am Mittwoch in Fernsehen und Radio keine Nachrichtensendungen ausgestrahlt; am Donnerstag erscheinen keine Zeitungen.
Gegen die Maßnahmen der Regierung haben am Montag auch Landwirte in Mittelgriechenland mobil gemacht, so etwa in Karditsa und Trikala, wo sie mit ihren Traktoren zum Teil bis ins Stadtzentrum vorgedrungen sind. Einige Bauernverbände ziehen in Betracht, sich am Donnerstag den Protesten der GSEE anzuschließen.“
Mein Fazit angesichts dieser Nachrichtenflut: es stimmt etwas in Griechenland nicht – wie schon so oft hier dargelegt! –, wenn derartig Not und Notwehr das Tagesgeschehen in Griechenland bestimmen. Aber: es stimmt auch mit unserem Land etwas nicht, wenn dieses Geschehen in Griechenland derart konsequent bei uns „beschwiegen“ wird!
Immerhin: dem Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), dem Journalisten Mike Szymanski, scheint zu Beginn dieser Woche – am Montag, den 5. Dezember war’s – ein Licht aufgegangen zu sein. Auf der Online-Seite der SZ können wir das Folgende nachlesen, unter dem Titel „Schuldenkrise. Griechenland droht endgültig zugrunde zu gehen“ (ich zitiere Auszüge aus diesem Kommentar):
„In einer Studie gaben 77 Prozent der Befragten an, dass 2016 für sie noch einmal schlechter ausgefallen ist als das Krisenjahr 2015. Eine Mehrheit glaubt nicht an eine Besserung der Lage im nächsten Jahr. Auch das dritte Hilfspaket schnürt den Griechen die Luft zum Atmen ab. Es ist auf dem besten Weg, abermals neue Not zur alten Not hinzuzufügen.
Griechenland sollte bluten – und verblutet jetzt fast
Wer als Investor auf dieses Land blickt, kann nur darüber erschrecken, wie wenig Raum Griechenland zur wirtschaftlichen Erholung gegeben wird. Im Krisensommer 2015 ging es – wie sich immer deutlicher zeigt – weniger darum, Griechenland langfristig zu retten, als zunächst einmal die Zustimmung für die Milliardenhilfe in den Geldgeberländern zu sichern. Und dazu gehörte offenbar das Narrativ: Griechenland muss bluten. Daran leidet die Griechenland-Rettung bis heute.
Von Athen wird mehr verlangt als es zu leisten vermag. Die aufgezwungene Abgabenpolitik treibt die Bürger in Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft. Es gibt praktisch keinen Anreiz mehr, sich in Griechenland als Selbständiger etwas aufzubauen – die Abgaben sind absurd hoch. Die gut Ausgebildeten flüchten aus dem Land. So lässt sich kein Aufschwung generieren.
Tsipras‘ Fall wäre mehr als nur ein Kollateralschaden
Wer dem Land helfen will, darf sich um die Frage einer nennenswerten Schuldenerleichterung nicht länger herumdrücken. Leider aber tut die deutsche Regierung genau dies – und provoziert dadurch womöglich Tsipras‘ Fall. All die schmerzhaften Reformen bisher hat der Premier seinen Bürgern unter der Maßgabe abgetrotzt, dass am Ende die Schuldenlast sinkt und das Land eine Perspektive für ein Leben ohne Hilfsprogramme bekommt. Verweigern sich hier die Geldgeber, nehmen sie in Kauf, dass die Regierung innenpolitisch scheitert; über Neuwahlen wird bereits spekuliert.
Dann aber dürfte die Krise schneller und heftiger auf der europäischen Agenda zurück sein, als alle erwartet haben. Eigentlich kann sich das niemand leisten.“
Auch hier soll mein persönlicher Kommentar nur aus einem Doppelsatz bestehen, nämlich lediglich zur letzten Aussage oben: „Eigentlich kann sich das niemand leisten“. Stimmt, eigentlich kann sich das niemand leisten, aber Europa – das Europa der Euro-Staaten, der Troika – leistet sich das. Punkt eins. Und Punkt zwei: ich behaupte, dieses Europa leistet sich das, weil es anderenfalls brechen müsste mit den kapitalistischen Vorgaben der Wirtschaftsmächte auf unserem Kontinent, kurz also, mit dem zerstörerischen Neoliberalismus-Konzept. Auch darüber ist hier schon vielfach berichtet worden.
Liebe HdS-Leserinnen und liebe HdS-Leser, an einem solchen Tag, in einer solchen Woche fällt es schwer, mit den Kleinigkeiten unserer Spendenhilfe zu kommen, mit unseren Kleinstnachrichten zu Geldeingang, Dankesschreiben und Zuversicht einer einzelnen Person, der wir bereits einmal geholfen haben in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr wieder helfen werden. Dennoch tue ich es, und ich tue dies nicht nur im Bewusstsein der Minimalität, die solchen Nachrichten eigen ist, sondern auch aus der Erkenntnis heraus, daß es gerade auch dieser vielen kleinen und kleinsten Zeichen bedarf, um Bewusstseinsveränderung zu bewirken in unserem Land, Verhaltensänderung sogar europaweit. Denn wer über das Einzelne hinweggeht, geht auch über den einzelnen Menschen hinweg, und wer über den einzelnen Menschen hinweggeht, geht auch über die Humanität hinweg. Hier also die kleinen, die individuell bedeutungsvollen, die abschließenden Informationen in diesem Bericht.
Zuallererst, Eure Spendenbereitschaft hält sich konstant auf einem recht hohen Niveau. Gingen in der Vorwoche 705,50 Euro, überwiesen von 21 UnterstützerInnen, bei uns ein, so lag auch der Betrag während der letzten sieben Tage kaum darunter: 10 SpenderInnen schickten uns 692,- Euro an Hilfsgeldern zu. Wir danken allen HelferInnen sehr!
Dann möchte ich – sehr gerne – an dieser Stelle weitergeben, was uns OrganisatorInnen Ulrike Weber in Reaktion auf die Großspende von Konstantin Wecker (in der Höhe von 4.000,- Euro) für Flüchtlinge in Griechenland geschrieben hat. Dieser Brief, vom 28. November, erreichte uns vor wenigen Tagen:
„Vielen Dank für die großartige Spende, über die wir uns sehr gefreut haben. Sie unterstützen damit die Flüchtlingsarbeit der Gemeinde, besonders unser Wohnprojekt ‚Folitsa‘ für aus Syrien geflüchtete und allein reisende Frauen mit ihren Kindern.
Der Bedarf an Wohnraum ist weiterhin ungebrochen. Der Winter kommt auch hier mit großen Schritten. Die Kälte kann arg zusetzen, vor allen Dingen, wenn man die Nächte in den Zelten der Camps verbringen muss. Dazu erleben wir eine große Freude und Dankbarkeit bei den Frauen und Kindern, die in unseren Wohnungen unterkommen konnten.
Falls Sie sich über Gemeinde und die Weiterentwicklung unserer Arbeit informieren wollen, haben Sie die Möglichkeit, unsere Website unter www.evkithes.net zu konsultieren. Dort finden Sie neben dem aktuellen Gemeindebrief auch zusätzliche Informationen und Eindrücke. Bei Fragen stehen wir auch gerne zur Verfügung.
Eine Spendenbescheinigung fügen wir diesem Schreiben bei.
Nochmals vielen Dank! Ohne Spenden wäre diese gute Arbeit nicht möglich.
Herzliche Grüße aus Thessaloniki und Gottes Segen!
Pfarrerin Ulrike Weber“
An dieser Stelle füge ich lediglich – mit Dank für diesen Dank! – einen Satz an: jawohl, ich halte mit bestem Gewissen und besten Gefühlen die Tatsache aus, dass dieses Schreiben von einer evangelischen Pastorin stammt und unter anderem an einen Agnostiker wie mich gerichtet ist. 🙂
Und, als allerletzte, ganz klitzekleine Nachricht noch: der von uns seit Frühjahr dieses Jahres betreuten Katerina aus Piräus, der jungen Griechin, die sich in London einer ersten lebensrettenden Transplantation unterziehen musste (= sie bekam eine Teileleber eingesetzt), geht es offenbar sehr gut, und sie sieht offenkundig mit Zuversicht der zweiten (und hoffentlich letzten!) Transplantation im nächsten Jahr entgegen. Hier (in meiner Übersetzung) das Überlebenszeichen von Katerina, vom Dienstag dieser Woche:
„Mir geht es sehr gut, wie geht es Euch??? <…> Wir wissen jetzt noch nicht, wann die Niere transplantiert werden soll, aber wahrscheinlich so um Ende Februar herum oder im März…“
An dieser Stelle kein Missverständnis: wir von unserer Initiative waren nicht die einzigen, die mit Eurer Spendenhilfe Katerina geholfen haben, aber wir waren mit dabei und werden, wie gesagt, auch im nächsten Jahr wieder mit dabei sein. Das ist das eine. Und das andere: besser, untern den Helfern von Menschen zu sein als unter den Zerstörern von Griechenland!
Und damit – wieder einmal – zu den obligaten Schlusshinweisen. Also:
Wer uns bei unserer Hilfe für Menschen in Griechenland unterstützen will, unter dem Stichwort „GriechInnenhilfe“, und wer auch uns Akteure wieder mal mit Organisationsgeldern helfen will (dann bitte unter dem Stichwort „HDS“), der überweise uns bitte Spendengelder auf das folgende Konto:
Inhaber: IHW
IBAN: DE16 2605 0001 0056 0154 49
BIC: NOLADE21GOE
Und hier nochmal die Kontaktdaten von Peter Latuska, an den Ihr Euch wenden könnt, wenn Ihr Patenschaften übernehmen wollt oder eine Spendenbescheinigung benötigt (für Spendenbeträge bis 200,- Euro genügt fürs Einreichen beim Finanzamt Kopie oder Original Eurer entsprechenden Kontoauszuges):
Peter Latuska
Theodor Heuss Str. 14
37075 Göttingen
Email: latuskalatuska@web.de
Mit herzlichen Grüßen
Euer Holdger Platta