AufRuhr

 In Ellen Diederich, FEATURED, Politik, Wirtschaft

Kinderzeichnung anlässlich des „AufRuhrs“

Der Arbeitskampf gegen die Schließung von Krupp in Rheinhausen 1987-88. „Wenn’s an der Ruhr brennt, reicht das Wasser im Rhein nicht zum Löschen!“ Der wahrscheinlich bedeutendste Arbeitskampf in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist ein Lehrbeispiel dafür, was Solidarität bewirken kann. Ein Jahrzehnte andauernder sozialer Frieden und relativer Wohlstand in der Region wurde im Zuge von Globalisierung und „Umstrukturierung“ von den Arbeitgebern kaputt gemacht. Aber der Widerstand, der sich formierte, reichte weit über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus. Frauen, Schüler, Kulturschaffende und Menschen aus allen Gesellschaftsschichten setzten sich für den Erhalt der Arbeitsplätze an der Ruhr ein. Die Autorin verknüpft die Geschichten um den großen sozialen Aufruhr mit einem Überblick über die wechselhafte Historie der Firma Krupp. Ihr kenntnisreicher, mit Herzblut geschriebener Artikel ist zugleich an Appell an uns heutige, uns von ökonomischen „Machthabern“ nicht immer alles gefallen zu lassen. (Ellen Diederich)

Seit den siebziger Jahren wurden im Ruhrgebiet Zechen und Stahlbetriebe dicht gemacht. Die weltweite Stahlkrise wurde immer größer. Kohle aus Südafrika, Stahl aus China zu importieren, war aufgrund der niedrigen Löhne in diesen Ländern billiger, als die Produktion hier aufrecht zu erhalten. Die Umstrukturierung der großen Industrie Region an der Ruhr hatte begonnen.

Insbesondere in den Stahlwerken regte sich Widerstand. Im Zusammenhang der Arbeitskämpfe entwickelten sich unterschiedliche Formen des Widerstands. Betriebsbesetzungen, Hungerstreiks, die gesamte Bevölkerung beteiligte sich. Die Kinder in den Schulen schrieben ihre Vorstellungen davon auf, wie es sein würde, wenn die Werke stillgelegt würden. Menschenketten bildeten sich quer durchs Ruhrrevier. Es gab Sperrungen von Straßen und Brücken. Fraueninitiativen entstanden. Neue Lieder wurden getextet und komponiert.

Im Herbst 1987 sollte nun nach Hoesch, dem Schalker Verein und der Henrichshütte ein weiteres Werk still gelegt werden: das Stahlwerk von Krupp in Duisburg-Rheinhausen. Diese Ankündigung führte zum größten Arbeitskampf im Ruhrgebiet seit Kriegsende.

Der Arbeitskampf 1987/88

Am 26.11. 1987 wurden die Gerüchte über eine Schließung des Rheinhausener Werkes immer größer. Trotz gemeinsamer Sitzungen im Wirtschaftsausschuss erfuhren die Betriebsräte erst aus den Medien das Ergebnis geheimer Verhandlungen der Vorstände von Krupp Stahl, Mannesmann Röhrenwerke und Thyssen Stahl: Das Werk Rheinhausen  sollte bis Ende 1988 geschlossen, die Produktion  auf Thyssen und Mannesmann verteilt, die 6.300 Arbeiter von Krupp zum größten Teil erwerbslos werden. Verkünder dieses Beschlusses war Dr. Gerhard Cromme, Vorstandsvorsitzender der Krupp Stahl AG.

Am 30.11.1987 fand im Walzwerk in der Rheinhausener Hütte eine außerordentliche Betriebsversammlung mit etwa 10.000 Teilnehmerinnen statt. Werksangehörige  und einige tausend Rheinhausener BürgerInnen kamen, um zu hören, „was Sache ist“.

Irmgard Chlebick, die einzige Frau im Betriebsrat, lud die Sängerin Fasia Jansen zu dieser Versammlung ein. Fasia hatte alle Arbeitskämpfe gegen die Schließungen begleitet. Ihre Lieder wurden bei den Auseinandersetzungen gesungen. Fasia folgte der Einladung. Sie war eine sehr erfahrene Aktivistin in der Friedens-, der Frauenbewegung und in den Kämpfen um Arbeitsplätze, eigentlich war sie nicht leicht zu beeindrucken. Ich war an diesem Tag nicht mit nach Rheinhausen gefahren. Als sie abends nach Hause kam, hörte ich ihr erstaunt zu: Sie sagte:

“Ellen, heute habe ich eine Rede gehört, auf die habe ich mein ganzes Leben lang gewartet.“

Es war die Rede von Helmut Laakmann. Er kam aus einer Hochöfner Familie, war mit 14 Jahren als Laufjunge bei Thyssen eingestiegen, machte später eine Ausbildung in der Rheinhausener Krupp Hütte und brachte es dort bis zum Betriebsleiter. Die Redner vor ihm waren zum großen Teil unentschlossen  ohne klare Vorstellung, wie es weitergehen sollte. Helmut Laakmann ging nach vorn, erklomm die paar Stufen zum Podium und griff sich das Mikrophon. „Wir leben in einem freien Land und in einem Rechtsstaat. Es kann doch nicht sein, dass eine kleine Clique, eine kleine Mafia, mit den Menschen in diesem Land macht, was sie will.“ Die Menschen horchten auf. „Das Buch der Geschichte ist aufgeschlagen und jetzt liegt es an euch, ein paar neue Seiten zu schreiben.“ Die Menschen, die zum Teil die Versammlung schon verlassen wollten, blieben und hörten zu. Helmut Laakmann hielt die Rede spontan und mit großer Wut. In der Folgezeit entwickelte er sich zu einem der  Sprecher des Arbeitskampfes. Er sagte weiter:

„Herr Dr. Cromme, Sie haben mit uns Verträge gemacht und diese Verträge auf beschämende Weise gebrochen. …

Da treibt man die Kruppsche Belegschaft zur Arbeit an wie noch nie. Da wird die Belegschaft auf unerträgliche Weise dezimiert. Und dann kommt der Dr. Cromme, nachdem wir alle im Dreieck gesprungen sind und knallt uns den Dolch in den Rücken. Aber wir leben noch und wir werden uns wehren. (…) Was die Herrn heute sagen – morgen stehen sie nicht mehr dazu.

Kruppsche Arbeiter! Nehmt jetzt diese historische Stunde wahr, um endlich das auszufechten, was wir ausfechten müssen für unsere Familien, für unsere Kinder, für die Menschen in diesem Lande. Das Buch der Geschichte ist aufgeschlagen, lasst die Generation, die nach uns kommt, nachlesen, wie man einen Arbeitskampf führt, wie man diesen Vorstand in die Knie zwingt. (…)

Ich werde oft von meinen Kollegen gefragt: Was kann ich alleine schon tun? Hat es denn überhaupt einen Sinn, den Kampf aufzunehmen? Kollege, ich möchte dir sagen: Es gibt immer einen Sinn, für Menschen ein zustehen und für Menschen, die in Not sind, etwas zu tun. Man sagt ja, alle Macht geht vom Volke aus. Wir haben diese Macht nur verliehen, und wir werden uns diese Macht zurückholen, wenn die Herren, die in der Öffentlichkeit stehen, sich nicht endlich darauf besinnen, was ihre Pflicht ist:

Vor dieser Woche waren wir noch allein, vor ein paar Tagen war die ganze Belegschaft da. Heute ist es die Stadt Duisburg, und morgen wird es das ganze Revier sein.

Fasia und ich waren kurz vorher von einer 6 monatigen Fahrt mit unserem Friedensbus durch 11 west- und osteuropäische Länder zurückgekommen. Der Arbeitskampf fand in einem kalten Winter statt. Der Friedensbus wurde jetzt zu einem Treffpunkt in Rheinhausen. Er war beheizbar, man konnte Kaffee kochen, sich aufwärmen und ausruhen. Wir waren fast jeden Tag in Rheinhausen.

Der 10. Dezember wurde der fünfte Stahlaktionstag der IG Metall

„Um elf Uhr standen heute im Revier alle Fördertürme still.  Bergleute legten ihre Arbeit nieder. Die Innenstädte leergefegt. Mit den Rheinhauser Stahlarbeitern gingen Hunderttausende auf die Straßen.

Das Revier hielt den Atem an! Brücken, Autobahnen, Straßen und Verkehrsknotenpunkte waren besetzt. Ganze Belegschaften legten geschlossen die Arbeit nieder und blockierten den Verkehr. Durch die Blockade der Opel Belegschaft und der Stahlarbeiter von Hoesch war die Bundesstraße 1 völlig abgeriegelt.

Die SPD Landesregierung war irritiert, mit dieser Solidarität hatten sie nicht gerechnet. Öffentlich distanzierten sie sich jetzt von Gerhard Cromme, aber hinter dem Rücken der Stahlkocher standen sie ihm weiter treu zur Seite.

In einem so intensiven Arbeitskampf prallen die unterschiedlichen politischen Erfahrungen, das Eingebunden sein in langfristige politische Strukturen und Ziele notwendigerweise auf einander. Hier gab es Konflikte zwischen der in Duisburg seit Kriegsende dominierenden SPD, in deren Strukturen auch die IG Metall weitgehend eingebunden war und dem Zorn und der Wut der unmittelbar betroffenen ArbeiterInnen.

„In Rheinhausen blieb es bis zum Ende bei der Forderung: „Erhalt der Hütte!“ während die IG Metall den Landeanflug bei Ersatzarbeitsplätzen und Beschäftigungsgesellschaft von Anfang an anvisierte.“ (Waltraud Bierwirth: AufRuhr – Rheinhausen 1987/1997, S. 32)

Hausfrauen mit weißen Tüchern, Schüler mit Transparenten und Bauern mit ihren Traktoren sperrten Zufahrtsstraßen. In Duisburg brach der Verkehr völlig zusammen. Stahlarbeiter von Thyssen im Norden und von Mannesmann im Süden sperrten alle Autobahn Auffahrten. Während die Stahlarbeiter schon nachts bei eisiger Kälte auf den Straßen waren, kam ihr IGM Gewerkschaftsvorsitzender, Franz Steinkühler, gegen morgen, im gut gewärmten 1. Klasse Abteil, am Duisburger Hauptbahnhof an. Zehn Tage hatte es gedauert, bis Steinkühler die Zeit fand, der kämpfenden Belegschaft in Rheinhausen seine „Aufwartung“ zu machen; dass war an Peinlichkeit und Eindeutigkeit nicht mehr zu überbieten.

Entsprechend war der Empfang in Rheinhausen. Stahlarbeiter: „Franz, wo warst Du?“ Steinkühler: „Ich kann nicht überall zur gleichen Zeit sein!“  Stahlarbeiter: „Nee Franz, das können wir überhaupt nicht entschuldigen, uns brennt der Arsch bis unten hin!“ (Tagebuch Helmut Laakmann)

Auch in der SPD gab es verschiedene Fraktionen, die sich erbittert bekämpften. Es ging auch um Machtpositionen. Es gab Ausnahmen, z.B. der Oberbürgermeister Jupp Krings: „In dieser Stadt gibt es noch einen Menschen, mit dem ich einen Vertrag per Handschlag machen würde, das ist unser Oberbürgermeister, der vor Ort steht und mit uns kämpft.“ Sagte Helmut Laakmann zum Auftakt des Arbeitskampfes. „Der Politiker Krings erkennt neidlos an, dass im Arbeitskampf eine eigene Gesetzlichkeit herrscht, die sich meinem Einfluss entzog, “ erklärte er.“ „Ansonsten waren die Betriebsräte und Aktivisten, die täglich dabei waren, diejenigen, auf die gehört wurde. Die Menschen folgten häufig den Ansagen von Theo Steegmann.“ (Waltraud Bierwirth, AufRuhr – Rheinhausen 1987/1997, S. 28)

Der Arbeitskampf nahm unerwartete Dimensionen an.

„Die Schließungspläne brachten 160 Tage lang Zehntausende auf den Plan. Erst Rheinhausen, dann Duisburg und der Pott nahmen Anteil am Kampf der Stahlkocher um ihre Arbeitsplätze. Quer durch Politik, Kirche, Gewerkschaften und Bevölkerung solidarisierten sich Menschen: Biker des Ruhrpotts machten Soli-Motorradkorsos, Fraueninitiativen schossen wie Pilze aus dem Boden, internationale Gäste gingen im Werk, dessen Mensa zum Tagungsort eines Bürgerkomitees umfunktioniert wurde, ein und aus; der Papst schickte eine lange Grußbotschaft. 12 000 Schüler ließen den Unterricht sausen, um für die Stahlkocher zu demonstrieren. Götz George drehte den Schimanski-Tatort »Der Pott« zum Arbeitskampf, Popbands spielten beim »Aufruhr«-Festival; die noch jungen Grünen waren ebenso vor Ort wie alle möglichen radikal-linken Gruppen. Selten hatte es in der Bundesrepublik eine so sichtbare, aktive Solidarisierung mit einem Arbeitskampf gegeben. Für jede einzelne Woche der Auseinandersetzung wurde ein Aktionsplan ausgegeben, der diese durchorganisierte wie ein Großevent. Und das war es im Grunde auch.“ (Martin Reschke, Deutschlandfunk Kultur)

Die Solidarität steckte an im Kampf der Stahlkocher um ihre Rheinhausener Hütte. Ein 256 Meter weiter, rostroter Stahlbogen überspannt die Rheinbrücke zwischen den beiden Duisburger Stadtteilen Hochfeld und Rheinhausen. Am 20. Januar 1988 zogen 50 000 Stahlkocher aus 63 Hüttenwerken zu dieser Brücke und legten zeitweise den Verkehr im gesamten Ruhrgebiet lahm. Die Prophezeiung aus Laakmanns Brandrede in der Walzwerkhalle schien sich zu erfüllen.

Es gab SchülerInnen-Aktionen wie am 28. Januar 1988: 15.000 SchülerInnen und Auszubildende formierten sich zusammen mit Arbeitern der Frühschicht zu einer Menschenkette um das Walzwerk.

Kinder aus Rheinhausen schrieben und zeichneten ihre Wünsche in bewegender Weise für 1988 auf.

Am 20. Februar fand das unvergessliche AufRuhr-Stahl-Festival im alten Walzwerk statt. Etwa 40.000 Menschen nahmen teil. Die Punk Band „Die Toten Hosen“ kamen und solidarisierten sich mit einem Konzert.

Am 23. Februar rief die IG Metall zur Aktion: „1.000 Feuer an der Ruhr“ auf. Es war der Vorabend der nächsten Kanzlerrunde.

Eine Menschen- und Lichterkette aus über 80.000 Menschen bildete sich vom Tor 1 der Westfalenhütte in Dortmund bis zum DGB Haus in Duisburg. Um 19.00 Uhr war die Kette geschlossen. Alle Kirchenglocken im Revier läuteten.

Krupp – Was für ein Symbol, was für ein Name!

Was war das für ein Zusammenhang, was für eine Geschichte, die bei der Ankündigung der Schließung des Werkes in Rheinhausen die Wut so groß werden ließ?

Krupp war einst die größte Waffenschmiede des deutschen Reiches. Der Konzern produzierte Geschütze, Unterseeboote, Panzerteile und andere „kriegswichtige“ Produkte. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden über 80 Prozent des Betriebes auf Rüstung umgestellt. Die Belegschaft verdoppelte sich während der Kriegsjahre auf circa 170.000 Menschen.

Der Stammsitz der Familie war die Villa Hügel in Essen. Die Töchter der Familie Krupp hatten wichtige Funktionen, vor allem in den sozialen Aktivitäten des Konzerns. Bertha war die Tochter von Friedrich Alfried und Margarethe Krupp. Die bekannteste Kanone des 1. Weltkrieges erhielt den Namen: Die dicke Bertha.

Bertha wuchs in der Villa Hügel auf. Hier trafen sich die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Der Kaiser kam oft zu Besuch hatte eigene Räume in der Villa.

Bei Krupp entwickelte sich unter Beteiligung der Frauen der Krupps ein umfangreiches Sozialsystem.

1904 wurde das Speisehaus, die Manege gebaut. Für 1.05 Mark erhielten die Arbeiter Frühstück, Mittag- und Abendessen. Die Manege blieb bis zum Ende des Arbeitskampfes 1987 bestehen und wurde zum täglichen Versammlungsort der Proteste.

1914 wurde das erste Krankenhaus, das Bertha-Krankenhaus, in einem Park nahe am Hüttenwerk gebaut. Es sollte in erster Linie bei Betriebsunfällen helfen. Später wurde es dann auch für die allgemeine Bevölkerung geöffnet.

Von Generation zu Generation arbeiteten in der Hauptsache die männlichen Familienmitglieder bei Krupp. Wenige Frauen wurden für die Verwaltung eingestellt. Die Familien wurden eben „die Kruppianer“. Da war das Leben geregelt. Für Ausbildung, Geld verdienen, wohnen, essen, Krankenversorgung war gesorgt. Es gab strenge Regeln. Wer mit den Sozialdemokraten oder der Gewerkschaft sympathisierte, konnte schnell die Arbeit verlieren, damit gleichzeitig aber auch die soziale Sicherheit, das Wohnen und weitere Privilegien.

Arbeitsbedingungen

„Krupp weiß um die miesen Arbeitsbedingungen in der Industrie des 19. Jahrhunderts und er weiß, dass auf Dauer nur gesunde Arbeiter gute Arbeit machen. So nimmt Krupp viele Ideen des deutschen Sozialstaats vorweg – noch vor Bismarck, der viele der Kruppschen Ideen später in seine historische Sozialgesetzgebung einfließen lässt. Denn das stärkste Argument, bei der Firma zu bleiben, schafft Alfred Krupp bereits ab 1874, indem er mehr als 2 500 Wohnungen für seine Arbeiter bauen lässt. Die Margarethensiedlung in Essen existiert noch immer und steht heute unter Denkmalschutz. Im Krupp eigenen „Consum“ werden Lebensmittel zum Einkaufspreis verkauft. Ab 1858 übernimmt er für seine Arbeiter die Hälfte der Beiträge zur betrieblichen Kranken- und Rentenversicherung.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand so in Essen und Duisburg  der Typus der „Kruppianer“-Familie, die in der dritten, vierten und später sogar fünften Generation bei Krupp arbeitete.

Simone Wermelskirchen, Handelsblatt, 29.11.2010, Die Unternehmerdynastie Krupp

Kriegsproduktion für beide Weltkriege

Auch im 2. Weltkrieg war Krupp der größte Rüstungskonzern.

Krupp baute vor allem Kriegswaffen, u.a. die neuesten Generationen von Panzern und Kanonen. Riesensummen wurden in die Entwicklung neuer Waffensysteme investiert, noch viel mehr Gewinne daran verdient. Die Führung von Krupp war während der Zeit des Faschismus eng verbunden mit der NSDAP. Am 14. Juli 1942 schrieb Gustav Krupp von Bohlen und Halbach einen Brief an Hitler:

„Mein Führer!

Die große Waffe, die dank Ihrem persönlichen Befehl hergestellt wurde, hat nun ihre Wirksamkeit bewiesen. Sie bleibt ein Ruhmesblatt für die Gemeinschaft der Krupp Werke. (…) Die Firma Krupp nimmt dankbar zur Kenntnis, dass das von allen Dienststellen, insbesondere aber von Ihnen mein Führer, in die Familie gesetzte Vertrauen ein Unternehmen gefördert hat, das größtenteils während des Krieges bewerkstelligt wurde.“ (William Manchester, Krupp – Zwölf Generationen. München 1968, S. 419)

 Zwangsarbeit

Während des 2. Weltkrieges stieg die Zahl der ZwangsarbeiterInnen ständig an. Mitte 1942 waren es 25.000 Menschen aus verschiedenen Ländern die bei Krupp schuften mussten. Sie stellten Waffen her, die dann gegen ihre Herkunftsländer eingesetzt wurden.

Krupp nach dem 2. Weltkrieg

Die Krupp Werke, wurden im 2. Weltkrieg durch die Bombardierungen der Alliierten zum größten Teil zerstört. Die Überreste wurden demontiert und als Reparationsleistung in verschiedene Länder gebracht.

Alfried Krupp, der letzte Firmenchef, wurde 1948 zu einer 12 jährigen Gefängnisstrafe und der Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt. Er wurde  dann aber nach 3 Jahren vorzeitig entlassen.

Am 24.3.1946 wurde wieder mit einer Produktion begonnen. Es begann die Zeit des Wiederaufbaus der Bundesrepublik. „Die Zeit des so genannten Wirtschaftswunders“ war widersprüchlich: Wachstum und Wohlstand standen enormen Kriegsschäden und schmerzhafter politischer Aufarbeitung gegenüber. Ein Spannungsfeld, auch und besonders für die Firma Krupp. Nach dem Krieg waren rund siebzig Prozent des Kruppschen Industriebesitzes vernichtet und nicht nur das – der Image-Schaden durch das Verhalten im Nationalsozialismus war immens.“ Aus: Wirtschaft! Wunder! Krupp in der Fotografie, Hrsg. Von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung

Krupp produzierte schwere LKW’s, Tauchkugeln, Zehnprothesen aus Metall, Filmprojektoren, Schienen und weitere Metallprodukte.

Dann aber stieg Krupp trotz dauernder gegenteiliger Behauptungen „Nie wieder Kriegswaffen zu produzieren“ wieder in die Waffenproduktion ein.

Mitte der siebziger Jahre wurde die Krise der weltweiten Stahlindustrie immer größer. Hunderttausende Arbeitsplätze in der Kohle- und Stahlindustrie waren bedroht. Trotz der Wiederaufnahme von Rüstungsproduktion.

„Fast ein Vierteljahrhundert gab sich die Waffenschmiede des Zweiten und Dritten Deutschen Reiches friedfertig. Nach seiner Verurteilung als Kriegsverbrecher in Nürnberg hatte sich Alfried Krupp geschworen, nie wieder Waffen zu produzieren. Jetzt aber, rund ein Jahr nach dem Tod des Konzernherrn, wirft die Essener Firma ihre drei Ringe wieder um das Heer, die Luftwaffe und die Marine.

Die Direktoren der Fried. Krupp GmbH unterbreiteten den Bonner Verteidigern ein detailliertes Angebot über

* Panzer, Panzer-Sonderstähle,

* Kriegsschiffe, Klein-U-Boote, Torpedorohre, Unterwasser-Lenkeinrichtungen,

* Radargeräte.

Um das Friedens-Gesicht der Firma zu wahren, entwickelten die Manager in Essen eine haarspalterische Definition. Für sie galten weder Starfighter noch U-Boote noch ein Torpedorohr als Waffen, sondern lediglich als „Waffenträger“. Nahezu friedlichen Zwecken diente nach Meinung des Hauses ein Panzerfahrzeug, das von der Krupp-Firma Man in Kiel hergestellt wurde: ein Bergungspanzer, der andere, lahm geschossene Kampffahrzeuge vom Schlachtfeld ziehen soll. “ DER SPIEGEL 42/1968

Das alles reichte nicht, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Betriebsräte, Vertrauensleute und IG Metall stiegen in neue Gespräche ein. Es kam aber zu keiner Abmachung. Am 19. Mai beschloss der Aufsichtsrat gegen die Stimmen der Belegschaft die endgültige Schließung des Stahlwerkes in Rheinhausen. Die endgültige Stilllegung und Produktion des Rheinhausener Stahlwerkes war  beschlossen.

Ab 1997 begann der Abbruch des Walzwerkes Rheinhausen. Was noch an Material übrig geblieben war, verkaufte Krupp zum großen Teil nach Fernost.

Der Kampf um den Sozialplan war hart und dauerte längere Zeit. Er war insofern erfolgreich, als viele in den Vorruhestand oder die Rente gehen konnten.

In den Düsseldorfer Gesprächen war zwischen Landesregierung, damaliger Ministerpräsident Johannes Rau und Cromme die Düsseldorfer Vereinbarung beschlossen worden. Hier hatten sich Krupp und Mannesmann verpflichtet, 700 Arbeitsplätze langfristig zu erhalten und 800 neue zu schaffen. Alles das wurde nicht erfüllt. Das ehemalige IG Metall Haus wurde zunächst geschlossen, dann nach 1 1/2 Jahren wieder eröffnet, bekam den Namen Bürgerhaus Hütte, finanziert durch die evangelische Kirche. Es wurde zum dringend notwendigen Beratungszentrum für Arbeitslose, Rentner, überschuldete Familien, Suchtkranke.

Die Möglichkeiten, zu wohnen, wurden innerhalb kürzester Zeit zum großen Problem. Wohnraumspekulanten umkreisten die Kruppschen Werkswohnungen von 15.000 Menschen, um sie sich einzuverleiben. Die Wohnungen wurden verkauft, teilweise saniert, die Mieten drastisch erhöht oder als Eigentumswohnungen, die sich kaum jemand leisten konnte, angeboten. 35 – 50% der Einkommen mussten nun für Wohnraum ausgegeben werden. Insbesondere für viele Witwen war das ein Sprung in die Altersarmut. Viele mussten ihre Wohnung verlassen. Die, die bleiben konnten, wurden, wenn sie Glück hatten und in einem anderen Ort eine Arbeit fanden, zu Pendlern.

Der Kampfgeist war gebrochen. Dieter Kelp, der evangelische Pfarrer, der sich mit seiner all seiner Kraft im Arbeitskampf engagiert hatte, sagte: „Sie haben ihre Widerborstigkeit verloren, die Rheinhausener haben resigniert und fühlen sich unbehaust.“

„Wie aber geht es inzwischen den übrig gebliebenen Kruppianern“, frage ich Steegmann. „Die in anderen Betrieben untergekommen sind, bei Thyssen, Krupp, Mannesmann, die vermissen das, was sie Betriebsklima nennen. Es war überall schlechter, sie sind schlechter von den Vorgesetzten behandelt worden, wenig Kollegialität. Was sie einmal hatten – sich erarbeitet hatten an Zusammenhalt untereinander -, haben sie nicht wieder gekriegt.“

Es blieb keiner auf der Strecke. Weder die Betriebsräte noch die Belegschaften von Hoesch und Rheinhausen hatten sich gegeneinander hetzen lassen. Sie machten sich klar, dass es beide treffen wird. Tatsächlich wurde auch Hoesch später reduziert. Sie verhandelten mit dem Unternehmen aus einer starken Position und setzten einen guten Sozialplan durch. Jeder arbeitsfähige Kollege wurde versetzt, mit Verdienstausgleich, niemand entlassen. Ab 52 konnten sie mit 90 Prozent ihres Nettolohns in Vorruhestand gehen. Das Unternehmen ließ es sich was kosten, den sozialen Frieden zu erkaufen. In dem Punkt war der große Druck von unten nützlich. Es ging bei der Schließung niemandem wirklich an den Kragen.“

Marina Achenbach, Krupp ist dicht und Mimmi ist saniert. Artikel Freitag, o.D.

Das stark vergiftete Hüttengelände sollte verkauft werden. Krupp wollte 100 Millionen Mark dafür haben. Lange Zeit bewegte sich nichts. Das Gelände erhielt den Namen: „Brache der unerfüllten Versprechen.“ Unkraut und Birkensamen breiteten sich aus.

Langsam entwickelten sich verschiedene Ideen, was man mit dem Gelände machen könnte. Zwei der Protagonisten des Arbeitskampfes, Theo Steegmann und Helmut Laakmann entwickelten mit anderen zusammen das Krupp-Hoesch-Recyclingzentrum Rheinhausen. Etwa 220 Beschäftigte entwickelten ein Kreislaufwirtschaft, Flächenreaktivierung, Garten- und Landschaftsbau, Hoch- und Tiefbau. Eine Produktion  besteht darin, Verschlusskappen von Flaschen in einzelne Bestandteile (Metall, Aluminium, Kupfer, Kunststoff, Gummi, Kork) zu zerlegen und wieder zu verwerten.

Ein übergreifender Business Park (spöttisch als Is-Nix Park bezeichnet) wurde gegründet. Es gab öffentliche Fördergelder und Zuschüsse vom Land und verschiedenen Institutionen. Die Zuschüsse waren so hoch, dass das Eigenkapital nur 25% des Gründungsvolumens betragen musste. Ein Betrieb produzierte teure Porzellanpuppen, ein Briefverteilungszentrum der Bundespost wurde geöffnet. Ein Projekt gehörte zu McDonald’s Food Town. Brötchen und Hamburger wurden produziert. Toyota Gabelstapler und Canon eröffneten kleine Filialen. Bis zu 2.500 Menschen arbeiteten in den verschiedenen Bereichen.

Der große Traum aber, wenn alle zusammen stehen, können sie auch Entscheidungen treffen, wurde trotz aller Anstrengungen, nicht wahr.

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