Ausflüge in die Poesie (6)
Keine Patiencen mehr (Holdger Platta)
Sie wolle nun ein leises Leben beginnen,
ihr Altern solle nur ein Blumenbegießen noch sein, nur
ein Verschicken von Geburtstagsumarmungen noch und
Weihnachtspost, dazu ein bißchen Einkaufen draußen, doch
keine Patiencen mehr, nur noch ein Stillehalten und Ruhe.
„Weißt Du“, sagte sie, während nur das Foto ihrer Enkelkinder
noch lautlos vor sich hin kicherte, auf der Anrichte, dort,
wo früher der Käfig mit den gelben Vögeln stand,
„von nun an gehöre ich zu den Damen hinter den Gardinen.
Einziges Ereignis am Tag wird bei mir nur noch der Duft
nach frischgebrühtem Kaffee sein. Das andere ist Übung
im trauten Verschweigen.“ Und ihr Gesicht blühte
rosig bei diesen Worten auf, als träte bereits der Tod
in ihr Zimmer, auf seiner letzten und leisen und
kaum noch fiebernd zu nennenden Jagd.
Und ungeheuer entfernt fuhr draußen ein Auto
an den Fenstern vorbei, auch dieses schon ohne jegliche Neugier.