Bernhard Trautvetter: Schüsse auf den großen Traum

 In FEATURED, Poesie, Politik

Edward Said, Daniel Barenboim, Begründer des palästinensisch-israelischen Orchesters

Ein hellsichtiges Gedicht über den Israel-Palästina-Konflikt, das Verständnis für Menschen beider “Seiten” ausdrückt. Der Autor streift auch den Umgang deutscher Politiker mit dem Thema und deutet einen Ausweg aus Jahrzehnten des Hasses und der Konflikte an.

Für Itzak Rabin, Leyla und Brigitte aus I.

Unmerklich flüstert die Angst des Kindes in Israel,
dessen Krankenbett in den Keller der Klinik muss,
da vielleicht bald Raketen aus Gaza neuen Feuertod bringen.

Unhörbar für uns schreit ein Kind in Palästina,
es floh vor Bomben in eine Schule ehe ein Geschoss aus Israel den Zufluchtsort
von oben her traf.

Ich schreibe diesen Text für den Atomtechniker in Israel, der weiß,
welche Katastrophen Treffer von Kassam-Raketen für ihre Anlagen
und für das ganze heilige Land mit all den Menschen bedeuten würde.

Ich schreibe für den norwegischen Arzt, der in Gaza mit Todesverachtung
Wie ein Engel aus einer anderen Welt Leben auf Leben rettet, solange ihn keine Bombe
aus heiterem Himmel trifft.

Mein Herz schlägt mit der jungen Israelin, die ihr Herz öffnet, als sie mir sagt,

sie würde „uns Juden hassen“ mit allen Mitteln,
wenn sie vom Land hinter dem Zaun her käme von Checkpoints eingepfercht.

Es schlägt mit den ersten und zweiten Geigen des jüdisch-arabischen Orchesters,
das für die Menschen und den Frieden überall Mozart, Ravel und Vivaldi spielt.
Wenn die Waffen schweigen beginnt das Konzert.

Ich weine mit dem Urgroßvater, der vernarbt im Flüchtlingslager

den Fluglärm der Drohnen und der Bomber nicht aushält –
ganz so wie einst in den Jahren seiner Kindheit, als die Flucht begann.

Und ich weine mit der Urgroßmutter im Hochhaus von Tel Aviv, die die Erinnerung an Auschwitz nicht los wird, und die ihre Angst hasst,
weil sie das Leben liebt, selbst wenn ihr Enkel weder ein noch aus weiß im Krieg.

Am liebsten würde ich Selbstmordattentätern in die Arme fallen, fast noch ein Kind,
die die Zukunft mehr noch hassen, als das Hier und Jetzt, und die alles geben für eine wahnsinnige Idee, die sie in Blut ertränken, wenn wir sie nicht wachküssen.

Die Schüsse der Feinde der Feinde der Feinde der Feinde

Treffen verfehlen ihr Ziel den großen Traum

von einem anderen lebendigen liebenden Leben

aus Geben und Nehmen

Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füge auch keinem anderen

zu, Du machst damit nur die Seele und die andere zu.

Die Bösen sind die anderen, wir sind die Guten

Der Zweck heiligt die Mittel

bis alle Wunden bluten.

Ich möchte den Minister wachrütteln, der sich aus der ewigen Kette
von Unrecht und Rache eine Tat der Feinde herausgreift, Verantwortung abzuwälzen
und sie anderen für seine Untat, die nie hätte geschehen dürfen, unter zu schieben.

Mit solchen Wunden kann keiner nicht einmal sich selber lieben.

Gegossenes Blei, vergossenes Blut, geflossene Träne

Generationen von Hass können nur leben,
wenn sie den Traum von einem Leben am Tisch der Feindesliebe erleben,
Nein sagen zum Krieg aus Lügen und Tod und Ja sagen zum Dasein als Mensch

Das ist es, wofür wir da sind

Wofür unsere Seele alles gibt

Dafür ist es nie zu spät

Auch jetzt noch tun was jetzt noch geht

Solange Menschen leben ist Menschlichkeit die tragende Idee

mit Dir und mir,

der die Nächste und Fernste ist unsere Schwester unser Bruder
wir sitzen alle im gleichen Boot

ein Rettungsboot

haben wir nicht

nur uns

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