Das Grundeinkommen – DIE LINKE hat es gut versteckt

 In Politik (Inland), Wirtschaft

Existenz sicherndes Einkommen für Alleinerziehende und ihre Kinder. Ein Leben in Würde für heute von Hartz IV Betroffene. Ein finanziell gut gepolsterter Einstieg ins Berufleben für Studenten und junge Menschen. Ein Lebensabend ohne Armut und Entwürdigung. Und die Chance, der Burnout erzeugenden Erwerbs-Tretmühle mal für Monate oder ein Jahr zu entfliehen, um Kraft zu tanken. All das mit ein- und derselben politischen Maßnahme: dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Es wäre eine wunderbare, eine begeisternde Vision, eigentlich ein Muss speziell für die Partei Die Linke, die sich Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Leider aber zieren sich die GenossInnen noch immer und schieben das Projekt auf die lange Bank. Wie SPD-Schulz setzen sie auf “hart arbeitende Menschen”, und das schließt weichliche Konzepte wie das Grundeinkommen offenbar aus. Jedenfalls für die meisten der linkischen Politiker. Jedenfalls bisher. Eine kleine Chance jedoch bleibt, und Monika Herz plädiert leidenschaftlich dafür, sie zu nutzen. (Monika Herz)

Nun zur heutigen guten Nachricht. In meinem Postfach findet sich eine Einladung der Arbeitsgruppe „Grundeinkommen“ bei den Linken. Ich soll nach Gera kommen. Man will dort eine Kampagne starten: Die Linken sollen per Mitglieder-Entscheid darüber befinden, ob das Grundeinkommen ins Programm der Partei aufgenommen wird. Das ist zunächst die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist: Offenbar ist es nicht möglich, diese Ur-Abstimmung noch vor der Bundestags-Wahl 2017 durchzuführen und noch vor der Wahl das Grundeinkommen ins Linken-Programm zu hieven.
Mir geht das alles viel zu langsam, Herrgott nochmal! Im Jahr 2013 (!) hat diese Arbeitsgruppe ein ziemlich gutes Konzept vorgestellt. Hier kannst du es nachlesen:

http://www.die-linke-grundeinkommen.de/fileadmin/lcmsbaggrundeinkommen/PDF/BAG_Brosch2016.pdf

Das war vor vier Jahren! Seit damals ist alles genauestens durchdacht und ausgerechnet, und sämtliche Wenns und Abers sind berücksichtigt. Hat jemals jemand schon davon gehört? Wird das Thema etwa bei der Gesamt-Partei diskutiert, so dass unsereiner auch was von der Diskussion mitkriegt? Nein? Was ist da los?
Wenn du keine Lust hast, so viel zu lesen, gibt es das Konzept auch in ein paar Grund-Sätzen. Katja Kipping, meine einzige Lieblings-Politikerin, hat alles zusammengefasst:

http://www.katja-kipping.de/de/article/89.eckpunkte-emanzipatorisches-grundeinkommen.html

Der Text ist aus dem Jahr 2008! Hier das Interessanteste in Kürze:

Jeder kriegt es. Also auch du und ich! Es ist bezahlbar! Wer vorher sehr wenig hatte, hat nachher deutlich mehr. Wer vorher einigermaßen Geld hatte, besitzt nachher immer noch mehr. Weniger haben nur solche, die vorher wirklich zu viel hatten. Der Bürokratie-Wahnsinn wird deutlich zurückgefahren, sozusagen geheilt. Die berühmte Schere klappt zu. Kinder und Jugendliche haben wieder eine Perspektive. Und nicht zuletzt: Die Renten sind sicher.

Anstatt hopplahopp kann man das Grundeinkommen auch schrittweise einführen:
Zuerst die Kinder: Anstelle des alten Kindergeldes (das für die Reichen höher ist als für die Armen) gibt es für jedes Kind 540,- Euro. Ach hätte es doch dieses Grundeinkommen schon gegeben, als ich mehr oder weniger allein mit meinen fünf Kindern ums Überleben gekämpft habe! Wieviel Stress, Streit und Not – gerade auch für die Kinder – wäre uns erspart geblieben!

Dann die Jugendlichen ab 16: Schüler, Studenten und Azubis bekommen das volle Grundeinkommen, elternunabhängig, nicht rückzahlungsplichtig, und zwar 1080,- Euro. Ich möchte nicht wissen, wie viele Selbstmordversuche, schwere Depressionen und Angsterkrankungen durch diese Maßnahme verhindert werden könnten!

Dann die RentnerInnen: Eine Grundrente von 1080,-. Oh mein Gott, wie schön wär das! Gerade gestern habe ich in der Tradition meiner Familie mit dem Nachbarn quer über den Gartenzaun über die Renten diskutiert. Der Nachbar sagte: „Ich habe 45 Jahre fleißig gearbeitet, habe keinen einzigen Tag gestempelt – und jetzt gönnen mir diejenigen, die faul herumgehangen haben, meine Rente nicht.“ Ich sagte: „Jemand wie du muss auch gewürdigt werden und mehr bekommen als nur die Grundrente. Aber man kann doch die Frau, die ‘nur’ Kinder großgezogen hat, die in Minijobs und überhaupt kaum ‘versicherungspflichtig’ gearbeitet hat, nicht mit 300,- Euro im Regen stehen lassen.“ Der Nachbar schien beruhigt. Hauptsache seine Würde bleibt unangetastet.

Das ist auch wirklich wichtig. Die alten Rentenansprüche dürfen laut Linken-AG nicht angerührt werden. Während der Umstellung vom alten zum neuen System gibt es eine Übergangsregelung. Wer fleißig gearbeitet hat, kriegt also auf alle Fälle mehr. Keine Angst, Herr Nachbar! Und wie froh wäre ich, wenn ich wenigstens diese 1080,- Euro Rente bekommen würde. Im Moment hab ich nämlich nur einen Anspruch von etwa der Hälfte. Pro Kind gibt es übrigens 25,- Euro Rentenzuschlag! Wie hat sich die Bundesregierung damals feiern lassen, als sie da eine Erhöhung eingeführt hat – peinlich!

Und dann noch die, die dringend eine Auszeit vom Berufsleben brauchen: ein Sabbatjahr! Wie viele Leute kenne ich, die einfach ausgepowert sind, ausgebrannt. Man stelle sich vor: Man könnte sich mal ein Jahr lang nur um sich selber kümmern! Regenerieren. Mit dem Fahrrad nach Assisi radeln. Mit dem Boot bis zum Schwarzen Meer segeln. Ein Jahr lang jeden Tag mit dem Mountainbike irgendeinen Berg runterbrettern. Oder so was… Ich glaube nämlich, dass das Hauptargument der Gegner des Grundeinkommens von dieser allgemeinen Überforderung herrührt. Von diesem Ausgezehrtsein, das die so genannte moderne Arbeitswelt mit ihrem bedingungslosen Profitstreben uns abverlangt. Das Hauptargument lautet ja: Dann würde doch niemand mehr arbeiten! So ein Sabbatjahr könnte wirklich gut tun. Per Gesetz müsste es halt möglich sein, danach wieder in seine alte Stelle zurückzukehren. Vielleicht würde so mancher weniger arbeiten wollen als zuvor. So wie das ja auch bei jungen Müttern möglich ist. Oder möglich sein sollte. Alles geht, wenn man nur will. In einem Rechtsstaat braucht es eben ein Gesetz dafür.

Das wären also die ersten Schritte. Sie wurden von Katja Kipping und ihren Mitarbeitern wohl durchdacht, und auch die Finanzierung ist nicht schlecht gerechnet. Wer mag, kann das alles in der Broschüre nachlesen. Es gibt vielleicht noch das eine oder andere Detail zu verbessern. Aber im Großen und Ganzen: super Arbeit, gratuliere!

Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Das dauert alles viel zu lang. 2008 hat Katja die Eckpunkte beschrieben, 2013 war das komplette Konzept fertig. 2017 wird eine Mehrheit innerhalb der Arbeitsgruppe angestrebt, um eine Ur-Abstimmung in der Partei Die Linke herbeizuführen. Warum eigentlich? Wohl deswegen, weil die AG ihr wunderbares Konzept bei den mächtigen Parteischnösels nicht durchbringt. Sollte die Urabstimmung positiv ausgehen, müsste das Grundeinkommen spätestens bis 2021 im Programmheft der Partei stehen.

Die Partei (bzw. ihre Gremien) ist nämlich nicht von vornherein so begeistert vom Grundeinkommen wie ich es bin. Das ist auch der Grund, warum ich dort kein Mitglied bin – in keiner Partei. Ich war einmal – ich glaube, es war 2008, als das Grundeinkommen etwas bekannter wurde – als Gast bei einer Linken-Landesversammlung. Es war schrecklich! Ich wollte Mitglied werden, habe einen Antrag ausgefüllt und bin nach Landshut gefahren. Ich wollte dort über das Grundeinkommen reden – no way! Ich habe die Kündigung meiner Mitgliedschaft so schnell eingereicht, dass ich eigentlich nie so weit gekommen bin, offiziell bei der Partei registriert zu sein.

Und daran scheint sich in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert zu haben. Es macht keinen Spaß, bei der Linken mitzumachen. Das haben übrigens – aus meiner Sicht – alle Parteien gemeinsam. Auch in den Parteien hocken Leute, die da schon immer hocken und ihren Platz an der Macht bis aufs Messer verteidigen. Von wirklich neuen und guten Ideen wollen die nichts wissen. Schon gar nicht von einer wirklichen Änderung des Systems!

Vorstellen könnte ich mir aber, diese Kampagne der AG zu unterstützen. Ich will, verdammt noch mal, die Einführung des Grundeinkommens noch erleben!

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